- Themenschwerpunkt August 2022 -

Schleusen auf für den Naturschutz


Der Aktionsplan natürlicher Klimaschutz der Bundesregierung beschert dem Naturschutz so viel Geld wie nie zuvor.


Von Sebastian Tilch


Jährlich eine zusätzliche Milliarde Euros für die kommenden vier Jahre - alleine für den Naturschutz. Das hat die Bundesregierung im März in ihrem Aktionsplan Natürlicher Klimaschutz versprochen. So viel Geld stand noch nie für den Naturschutz in Deutschland bereit, was riesige Möglichkeiten bietet, aber durchaus auch Probleme mit sich bringt. Die Frage ist jetzt: Wie und wo setzen wir das Geld am sinnvollsten ein? Und wer soll das koordinieren? Nötig ist nichts geringeres als ein neues Verständnis der Landnutzung – eine Transformation ähnlich dem Kohleausstieg.

Moorlandschaft
Entwässerte Moore zu renaturieren gehört zu den effektivstene Wegen natürlichen Klimaschutzes. Würden bis 2050 1 Million Hektar in Deutschland wiedervernässt, könnte man 31 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr verhindern. Das entspricht ungefähr einem Drittel der CO2-Emission privater PKW in Deutschland im Jahr 2018. Bild: Marisa/pixabay

„Der Kampf gegen die Erderwärmung und für eine nachhaltige Entwicklung kann nur gelingen, wenn die Menschheit die Themen Klimaschutz, Biodiversität und soziale Gerechtigkeit fortan gemeinsam denkt und bei allen politischen Entscheidungen gleichrangig berücksichtigt.” Mit dieser Kernbotschaft ihres gemeinsamen Berichtes „Artenvielfalt, Ökosysteme und Klimawandel“ gingen der Weltbiodiversitätsrat IPBES und der Weltklimarat IPCC vergangenes Jahr mit gutem Beispiel gemeinsam denkend voran. Auch wenn diese Erkenntnis keine echte Neuigkeit darstellt – wirklich in politische Realität umgesetzt wurde sie bisher nicht. Klimaschutz und Biodiversitätsschutz wurden weitgehend getrennt be- und verhandelt. Der Klimaschutz wurde vorrangig auf technische Lösungen im Rahmen der Energie- oder Mobilitätswende reduziert, und wie etwa im Falle der Windenergie, oft als Risiko für die Biodiversität in Frage gestellt. Naturschutz gilt in weiten Kreisen nach wie vor als großer Verhinderer von Infrastrukturmaßnahmen wie Autobahnbau und unnötiger Kostenfaktor.

Dass unser Umgang mit der Natur eine wesentliche Stellschraube bei der Reduktion der Klimagase in der Atmosphäre darstellt, und Naturschutz entsprechend ökonomische Relevanz hat, wird erst langsam politisch aufgegriffen. In Deutschland will die neue Bundesregierung mit dem Aktionsplan Natürlicher Klimaschutz nun genau dieses Potenzial intakter Ökosysteme fördern. Man hat verstanden: Die Zerstörung und Belastung funktionsfähiger Ökosysteme wie Wälder, Moore, Grünland oder auch Seegraswiesen nimmt ihnen nicht nur die Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern, sie werden sogar selbst zu Emittenten. Entsprechend ist Naturschutz in vielen Fällen auch aktiver Klimaschutz.

Durch das geänderte Bundes-Klimaschutzgesetz muss Deutschland bis 2030 65 Prozent seiner Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 einsparen. Bis zu 8 Prozent könnte davon über die Wiederherstellung natürlicher Kohlenstoffsenken abgedeckt werden.

Mit den Geldern aus dem neuen Aktionsplan werden die Naturschutzmittel von Bund und Ländern auf einen Schlag mehr als verzehnfacht. Wo früher immer zu wenig zur Verfügung stand, scheint man sich nun kaum vor Geld retten zu können. Schaut man sich allerdings das Spektrum an, was damit gemacht werden soll, relativiert sich der Eindruck jedoch etwas.

„Damit werden wir Moore wiedervernässen, Auen renaturieren sowie Wälder, Böden, Gewässer und Meere erhalten und schützen”, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke in der Pressemitteilung. Weitere Förderfelder seien Wildnis und Schutzgebiete sowie Siedlungs- und Verkehrsflächen. Außerdem würde das Geld für Datenerhebung, Monitoring, Modellierung und Berichterstattung, Forschung und Kompetenzaufbau und die Zusammenarbeit in der EU und international benötigt. Da ist selbst bei vier Milliarden Euro Prioritäten setzen angesagt. Aber welche?

Wohin mit dem vielen Geld?

„Fachlich gesehen sollte das Geld da eingesetzt werden, wo die Synergien am größten sind, sprich wo es den größten Klimaschutzeffekt erzielt und der Biodiversität nutzt”, sagt Christina von Haaren, Professorin für Landschaftsplanung und Naturschutz an der Universität Hannover. Von 2000 bis 2008 war von Haaren Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung für die Themen Naturhaushalt und Ökologie. Seit langem beschäftigt sie sich mit nachhaltigem Wassermanagement und begleitet Klimaschutzprojekte wissenschaftlich. Das höchste Potenzial hat laut von Haaren die Wiederherstellung organischer Böden. Das bedeutet im Klartext, landwirtschaftlich genutzte Flächen aus der Nutzung zu nehmen und wieder zu dem zu machen, was sie mal waren: Moore.
Entwässerungskanal
Die derzeitige Landwirtschaft basiert zu großen Teilen auf entwässerten Böden. Die Folgen des Klimawandels zeigen jedoch immer deutlicher: Wasser muss in der Landschaft bleiben. Ein Paradigmenwechsel in der Landnutzung ist nötig. Bild: Antranias/pixabay

1,8 Millionen Hektar Moorböden gibt es in Deutschland - vor allem im Norddeutschen Tiefland und Alpenvorland. Moorreiche Bundesländer sind Brandenburg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die Böden bestehen aus Torf, der sich unter Luftabschluss aus abgestorbenen Pflanzenteilen gebildet hat. So konnten sie über Jahrtausende riesige Mengen an in Pflanzen gebundenen Kohlenstoff speichern. Obwohl sie nur rund 5 Prozent der gesamten Landfläche ausmachen, enthalten die Moorböden genauso viel Kohlenstoff wie alle deutschen Wälder zusammen.

Doch der Speicher ist undicht. Mehr als drei Viertel der Flächen werden land- oder forstwirtschaftlich genutzt. Sie sind für den Laien in der Landschaft vielfach gar nicht mehr als Moorgebiete zu erkennen, vor allem haben sie ihre Funktion als Kohlenstoffsenke verloren. Denn um nutzbar zu sein, wurden die Böden entwässert. Kommt der Torf mit Luft in Berührung, werden jene Zersetzungsprozesse in Gang gesetzt, die bisher unter Luftabschluss nicht zustande gekommen waren. Jahrtausende alter Kohlenstoff wird frei und steigt in die Atmosphäre. Und das bereits seit Jahrhunderten. In Deutschland entweichen laut Umweltbundesamt (UBA) jedes Jahr 43,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus ehemaligen Moorböden – das Dreifache der Emissionen der Stadt Berlin. Das sind immerhin 5,7 Prozent der bundesweiten Gesamtemissionen. Diese Flächen machen nur 7 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus, verursachen aber 36 Prozent aller landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen. Für die Flächen erhalten die zuständigen Landwirte jährlich mehr als 300 Euro pro Hektar als Direktzahlung aus EU-Mitteln. Die daraus resultierenden jährlichen Kosten für die Gesellschaft hat das UBA 2019 auf 2,8 bis 8,6 Milliarden Euro kalkuliert.

„In Deutschland besteht im Bereich organischer Böden ein erhebliches Potenzial zur Minderung der landwirtschaftlichen CO2-Emissionen, schreiben auch Experten des Thünen Instituts in einem Bodenbericht von 2018. „Aus Sicht des Klimaschutzes ist dieses Potenzial in Deutschland [auf Moorböden] größer und auf weit weniger Fläche umzusetzen als Klimaschutzmaßnahmen auf Mineralböden.”

Vergleichszahlen, die die Universität Hannover auf der Grundlage von Werten des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen berechnet hat, machen dies deutlich. Wo ein naturnahes Niedermoor jährlich bis zu 2.600 Tonnen, ein Hochmoor immerhin 1.700 Tonnen CO2 pro Hektar, speichern kann, liegt ein Dauergrünland etwa bei 180 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr. Ein bewirtschafteter Acker speichert gar kein CO2. Um denselben Klimaeffekt mit Umwandlung von Ackerland in Grünland zu erreichen, bräuchte man also fast das 15-fache an Fläche im Vergleich zu wiedervernässten Mooren. Außerdem schätzt das Gutachten auch den Naturschutzwert für Moor-Wiedervernässungsmaßnahmen am höchsten ein.

Moore erzielen die größten Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz

„Wir konnten auf Wiedervernässungsflächen im Land Bremen sehr gut auch die Naturschutzerfolge dieser Maßnahmen nachweisen – bei gleichzeitiger extensiver Beweidung“, erzählt von Haaren. „Der Klimawandel führt dort inzwischen dazu, dass die ausgetrockneten schweren Böden so fest sind, dass Vögel nicht mehr mit ihren Schnäbeln hineinkommen. Sie finden schlicht kein Futter mehr. Auf den wiedervernässten Flächen hingegen haben sich die Vögel quasi gestapelt.“

Derzeit sind mehr als drei Viertel der ehemaligen Moorbodenfläche in land- und forstwirtschaftlicher Nutzung. Rund die Hälfte wird als Grünland genutzt, weitere 19 Prozent als Ackerflächen. Es wird auch nach wie vor Torf abgebaut. Diese landwirtschaftlichen Nutzungen sind nach Wiedervernässung allerdings nicht mehr möglich. Denn maximaler Klimaschutz kommt nur zustande, wenn die Wasserstände beträchtlich angehoben werden, d. h. zu einem mittleren Grundwasserstand von zehn Zentimetern unter Flur.

„Am ökonomischsten und effizientesten wären Lösungen, bei denen wir großräumig wiedervernässen könnten“, sagt von Haaren. „Dazu benötigen wir Modellberechnungen, wo Stauwehre installiert werden müssten, um das Wasser mit relativ geringem Aufwand wieder in die Fläche zu bekommen. Solche Modelle sind Teil unserer Teamarbeit an der Leibniz Universität Hannover.“

Umdenken wie beim Kohleausstieg

„Wir müssen jetzt von Pilotprojekten hin zu einem Gesamtflächenansatz“, meint auch Jan Peters, Geschäftsführer der Michael Succow Stiftung und Partner im Greifswald Moor Centrum. Seit 1980 seien in Deutschland gerade mal 70.000 Hektar entwässerte Moorflächen wiedervernässt worden, jährlich also rund 1.900 Hektar. Um bis 2050 sämtliche Emissionen aus den entwässerten Moorböden zu eliminieren, müsste allerdings auf rund 50.000 Hektar pro Jahr die Entwässerung beendet und die Wasserstände „flurnah“, also nahe der Geländeoberfläche, angehoben werden. „Allerdings dürfte dies nicht bei allen diesen Flächen möglich sein“, meint Peters. Realistisch seien aber 80 Prozent. Das entspräche immerhin noch insgesamt einer Million Hektar bzw. rund 36.000 Hektar pro Jahr. Würde dies umgesetzt, wären das aber auch gleich 31 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr weniger in der Atmosphäre, was rund einem Drittel der CO2-Emission privater PKW in Deutschland im Jahr 2018 entspricht.

Paludikultur
Wiedervernässte Moore können und sollen mit geeigneten Methoden auch bewirtschaftet werden. Möglich ist die sogenannte Paludikultur, etwa um Reet für Dächer anzubauen. Aber auch Biomasse zur energetischen Nutzung kann auf wiedervernässten Standorten produziert werden. Bild: M_W/pixabay
Um diese aktuell zum größten Teil land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen auch weiterhin bewirtschaften zu können, was laut Peters ausdrücklich das Ziel sein solle, müsse die Art und Weise der Landnutzung auf diesen Flächen völlig neu gedacht und umgestellt werden. Dazu brauche es einen Umstieg von der aktuellen, auf Entwässerung setzenden Landnutzung hin zu einer Nutzung nasser Moorböden. „Diese großflächige Umstellung kommt einer Transformation wie dem Kohleausstieg gleich“.

„Es gibt natürlich viele Betriebe, etwa viehhaltende Betriebe, die viel Geld in Infrastruktur wie Ställe usw. investiert haben. Denen fällt eine solche Umstellung verständlicherweise nicht leicht“, sagt Christina von Haaren. Neben einer vernünftigen Planung unter Einbeziehung der Wasserwirtschaft müssten daher vor allem die Landwirte überzeugt werden. Und dies sei wohl nur über Flächenkäufe im großen Stil möglich. „Ich wünsche mir, dass hierfür großzügig Geld zur Verfügung gestellt wird. Denn jetzt ist es endlich mal da“, sagt die Umweltplanerin.

Doch wenn auch sehr eingeschränkt: Eine landwirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Flächen ist durchaus möglich und auch erstrebenswert. Sie heißt ‚Paludikultur‘. Das Wort entstammt dem Lateinischen „Palus“ – Morast. Ein traditionelles Beispiel ist die Nutzung von Röhricht als Dachreet. Moorgräser und -gehölze wie etwa die Schwarzerle können aber auch als Verpackungs-, Bau- und Dämmstoff, oder in Form von Briketts, Pellets oder Biogas zur Energiegewinnung genutzt werden.

Ebenfalls zur Energiegewinnung hat die Bundesregierung im Februar angekündigt, Photovoltaikanlagen auf wiedervernässten ehemaligen Moorböden fördern zu wollen. Der Synergieeffekt für den Naturschutz wird hier allerdings angezweifelt. Es sei zwar gut und richtig, Moorstandorte aus der ackerbaulichen Nutzung zu nehmen und wiederzuvernässen, kritisiert etwa der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Wildtier Stiftung Klaus Hackländer. Doch der Bau von Photovoltaikanlagen auf diesen Standorten würde nicht nur den positiven ökologischen Effekt der Wiedervernässung zunichtemachen, sondern auch die Funktion der Moorböden als Kohlenstoffsenke einschränken. „Moore und die für dieses Ökosystem typischen Pflanzen- und Tierarten brauchen Licht zum Wachsen und CO2-Speichern, das sie unter eine Photovoltaikanlage nicht mehr finden.“

PV-Anlagen
Die Bundesregierung will künftig auch Photovoltaikanlagen auf wiedervernässten Moorböden fördern und so den Klimaschutzeffekt der Flächen noch steigern. Damit könnte jedoch der Effekt für den Artenschutz verloren gehen. Bild: Stux/pixabay

Christina von Haaren sieht Freiflächenphotovoltaik auf Wiedervernässungsflächen nicht ganz so kritisch. Zumindest an solchen Stellen, wo nicht komplett wiedervernässt werden könne, wäre die Maßnahme denkbar und auch effizient. Denn die Photovoltaik schlüge schon jetzt sämtliche Energiepflanzen in Effizienzfragen, Tendenz steigend.

Naturnahe Wälder als zweitbeste Option

Und was ist mit Bundesländern, die kaum Moorböden haben? Nach Christina von Haarens Meinung sollten sich diese auf die Ausweisung neuer Naturwälder konzentrieren. Denn Wälder schneiden den Berechnungen des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen zufolge auch relativ gut ab: Immerhin 500 Tonnen CO2 pro Hektar speichert dieses Ökosystem im Jahr. Darüber hinaus wäre auch Grünlandextensivierung und -neuetablierung ohne Pflegeumbruch sinnvoll. Wesentlich dabei wäre aber, dass es anspruchsvolle Maßnahmen wären, die ohne das nun verfügbare Extra-Geld aus dem Aktionsplan nicht gemacht würden. Auch Investitionen in Stadtnatur seien nötig. Gänzlich ausschließen würde sie nur anspruchslose Maßnahmen wie etwa Humusanreicherung in Ackerböden, die eigentlich zur guten fachlichen Praxis gehören.

„Beim Wald ist die Frage, wie hart er vom Klimawandel betroffen wird“, sagt Thomas Hickler, Professor für Quantitative Biogeographie am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) und der Goethe-Universität Frankfurt. Schließlich seien die Sterblichkeit von Bäumen seit 2018 stark angestiegen. Noch gäbe es allerdings keine verlässlichen Modellierungen, wie sich die Kohlenstoffspeicherung im Wald verändern wird. Außerdem sei ein wichtiger Aspekt, was mit dem Holz aus den Wäldern passiert. „Wenn es genutzt werden soll, wirken Bäume nur dann langfristig als Senke, wenn es nicht verbrannt sondern verbaut wird.” Hickler und sein Team haben auch modelliert, was passiert, wenn man den Wald einfach wachsen lässt. Da aber kaum Daten darüber verfügbar seien, wie wirklich alte Wälder bei uns Kohlenstoff aufnehmen, weil es solche Wälder bei uns schlicht nicht mehr gibt, seien die Projektionen hierzu sehr unsicher.

Hahn auf - Geld marsch?

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger sieht im Aktionsplan potenziell eine große Chance für den Naturschutz. Die angekündigten vier Milliarden Euro böten endlich den Spielraum, tatsächlich etwas zu bewegen. „Dieses Geld muss jetzt fließen“, sagt er in einer Pressemitteilung. Darum ginge es jetzt vor allem um angepasste Strukturen, die eine schnelle und flächendeckende Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen des Aktionsprogramms ermöglichen. „Eine reine Förderung größerer Einzelprojekte wie in anderen Bundesprogrammen wird dafür nicht ausreichen - Bundesländer und Kreise müssen aktiv eingebunden werden.”

„Das ist gerade tatsächlich ein großes Problem“, meint Christina von Haaren. „Die Naturschutzbehörden alleine können so viel Geld gar nicht verteilen. Darauf sind die gar nicht vorbereitet”. In den 2000er Jahren seien in vielen Bundesländern die Naturschutzbehörden stark abgebaut worden. Da es aber um großflächige Strukturänderungen in der Landschaft ginge, müssten hier sowieso viele betroffene Verwaltungen Hand in Hand arbeiten. Natürlicher Klimaschutz ist also eine Querschnittsaufgabe, und damit etwas, was in den Verwaltungsstrukturen mit ihren bislang stark abgegrenzten Zuständigkeiten erst einmal gelernt werden muss.

Für die Flächenbereitstellung gut aufgestellt und auch personell ausreichend ausgestattet wären aus Christina von Haarens Sicht die Flurbereinigungsbehörden. Diese seien auch entsprechend qualifiziert und von den Landwirten akzeptiert. Für großräumige Wiedervernässungsprojekte müsse natürlich aber auch die Wasserwirtschaft ins Boot geholt werden. „Die haben eine sehr große Verwaltung, die man jetzt auch braucht“, sagt von Haaren. Hier müsse man jetzt ganz neue Ziele setzen. „Zuerst wurde ja alles entwässert, in der jetzigen Situation könne wir uns das aber gar nicht mehr leisten. Also könnte man das Wasser aus meiner Sicht nun wieder zurückholen.“

Sollte es Deutschland in den kommenden vier Jahren trotz aller Schwierigkeiten gelingen, Renaturierungen auf land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen erfolgreich zu etablieren und so die Treibhausemissionen des Agrarsektors zu senken, könnte das Land zum Paradebeispiel der internationalen Natur- und Klimaschutzpolitik werden. Denn auch in der internationalen Naturschutzpolitik sollen die Synergien von Natur- und Klimaschutz vorangebracht werden. So lautet Ziel 8 des aktuellen Entwurfs des Globalen Biodiversitätsrahmenwerks (First Draft) des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt (CBD).

Ziel 8: „Minimierung der Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt, Beitrag zur Abschwächung und Anpassung durch ökosystembasierte Ansätze, Beitrag von mindestens 10 Gigatonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr zu den globalen Klimaschutzbemühungen und Gewährleistung, dass alle Anpassungsbemühungen negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt vermeiden.“

Auch wenn vier Milliarden Euro für den Klimaschutz viel erscheinen, im Vergleich zu den entstehenden Schäden durch die Klimaerwärmung ist es wenig. Aktuelle Untersuchungen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zeigen, dass durch Klimawandelfolgen in Deutschland seit 2000 in Deutschland jährlich im Schnitt mindestens 6,6 Milliarden an Kosten entstanden sind. Diese Summe dürfte sich mit jedem weiteren Jahr des Verharrens im Status Quo erhöhen.

Projektschild "Bunte Biomasse" in blühender Wiese
Projektschild in Bunter Biomasse. Bild: Christian Kemnade

Lesetipp:

Landnutzung neu denken, das ist auch die Maxime im Kooperationsprojekt „Bunte Biomasse“, das Simon Hein und Andreas Kinser (Deutsche Wildtier Stiftung) in unserem

Gastbeitrag: Bunte Biomasse als Vielfalt-fördernder Energieträger

vorstellen. Das Projekt will Alternativen zur Mais-Monokultur zur Energiegewinnung aus Biomasse aufzeigen. Ertragreiche, mehrjährige Wildpflanzenmischungen können Nahrung und Habitate für z.B. Vögel und Insekten geschaffen werden. Gleichzeitig wird so Stickstoff im Boden gebunden, der Bodenabtrag durch Erosion verringert und die Bodenfeuchte erhalten. Und ganz nebenbei wird die Landschaft bunt.