- Jugendbeitrag April 2022 -

Unsere Zukunft gehört nicht in Klammern!

Ein Gastbeitrag von Felician Heim (deutsche Jugenddelegation „Voice for Biodiv“)


Die Jugend ist eine der zivilgesellschaftlichen Gruppen, die mit eigenen Vertreter*innen an den Verhandlungen zum neuen Biodiversitätsabkommen teilnimmt. Mit „Voice for Biodiv“ gibt es auch eine deutsche Jugenddelegation, die sich vor Ort gemeinsam mit Jugendlichen der ganzen Welt für ein ambitioniertes Abkommen einsetzt. Doch in Genf haben wir ein starkes Signal an unsere und kommende Generationen vermisst. Es wurden zu viele zentrale Textpassagen in Klammern gesetzt. Das bedeutet, dass sie umstritten sind und später verhandelt werden. Bisher ist im Verhandlungstext jedoch vor lauter Klammern kein ambitionierter Biodiversitätsschutz zu sehen, der eine Trendwende im globalen Artensterben erreichen könnte. Es gab kaum Fortschritte in zentralen Themen wie der Finanzierung oder der Verknüpfung von Natur- und Menschenrechten.  Viele Zahlen, also quantifizierte Zielstellungen, wurden herausverhandelt. Und so müssen die Staaten im Juni in Nairobi „nachsitzen“. Doch es ist unklar, ob dort genügend Jugendliche teilnehmen können, um lautstark die Stimmen der Jugend einzubringen. Voice for Biodiv Das Bild zeigt die Vision der Jugendvertreter*innen von einem Leben in Harmonie mit der Natur. Bild: GBYN / Voice for Biodiv

Ab dem 13. März wurde in Genf streng nach dem extrem eng getaktetem Zeitplan Verhandlungspunkt für Verhandlungspunkt geöffnet. Durch die Zeitnot haben sich die Vertragsstaaten ihre Positionen jedoch nur gegenseitig vorgelesen. Einen richtigen Verhandlungsmodus, bei dem Themen tiefgehend besprochen werden, sich Parteien aufeinander zubewegen und Fortschritte erreichen, fand man dagegen kaum. Und so stehen wir nun an einem Punkt, an dem zwar sehr viele Themen angerissen sind, aber inhaltlich zu kleine Schritte in Richtung eines neuen ambitionierten Biodiversitätsabkommens gemacht wurden.

Insbesondere bei den Digitalen Sequenzinfomationen (DSI) und der Finanzierung sind keine Einigungen in Sicht. Bei letzterem gaben auch die EU und Deutschland keine gute Figur ab. Zwar ist im Koalitionsvertrag festgehalten, dass die Beiträge zum internationalen Biodiversitätsschutz von zur Zeit 500 Millionen Euro „erheblich“ erhöht werden sollen. Doch in Genf hielt sich die deutsche Delegation mit konkreten Zahlen bedeckt. Dabei wären offene Karten gerade beim „Deal-Breaker“ Finanzen so wichtig. Exakte Zusagen würden ein wichtiges Signal senden und hätten das Potential, den Verhandlungen neuen Schwung zu verleihen. Deshalb muss mit Blick auf die Verabschiedung der Haushaltsplanung bis 2025, die im Juni im Bundestag ansteht, klar sein, dass die Bundesregierung ihr Versprechen zeitnah einlöst. Umweltverbände fordern von Deutschland einen Finanzierungsbeitrag von zwei Milliarden Euro. Für uns Jugendliche wäre eine solche Summe das ersehnte Signal: Wir nehmen eure Zukunft ernst!

Aktion vor dem Plenarsaal zum Thema „menschenrechtsbasierter Ansatz“ Aktion vor dem Plenarsaal zum Thema „menschenrechtsbasierter Ansatz“. Bild: Voice for Biodiv Besonders gespannt verfolgten wir gemeinsam mit anderen Jugenddelegierten aus den verschiedensten Ländern auch den Abschnitt 21 zum sogenannten „menschenrechtsbasierten Ansatz“. Der Gedanke ist einfach: Nur wenn Menschenrechte, insbesondere die Rechte von Indigenen und lokalen Gemeinschaften, gewährleistet sind, kann auch die Natur effektiv und legitim geschützt werden. Biodiversitätsschutz und Menschenrechte sind also eng verknüpft und müssen unbedingt im neuen Rahmenwerk gemeinsam verankert werden. Doch in Genf fand keine eingehende Diskussion dazu statt, mehrmals wurde die Thematik verschoben.

Das führt dazu, dass die Delegierten nun „nachsitzen“ müssen: Wegen der geringen Fortschritte wurden weitere Verhandlungen im Juni in Nairobi angesetzt. Das stellt die Zivilgesellschaft, die durch Vertreter*innen von NGOs, Indigenen, Frauen, der Jugend und der Wissenschaft repräsentiert ist, vor große Herausforderungen. Ob beispielsweise Jugendvertreter*innen ebenfalls zahlreich teilnehmen können, ist aus finanziellen und organisatorischen Gründen fraglich. Zwar ist die Jugendbeteiligung im Kontext der CBD allgemein sehr vorbildlich. Aufgrund der kurzfristigen Anberaumung des Treffens besteht trotzdem die Gefahr, dass wichtige Zukunftsentscheidungen in Nairobi ohne Partizipation von ausreichend Jugendvertreter*innen  und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen getroffen werden.

Als die Delegierten am letzten Tag das Konferenzgelände verließen, liefen sie an einem großen Gemälde vorbei. Dieses hatten Jugenddelegierte während der Zeit in Genf gemalt. Es zeigt unsere Vision von einer Welt, in der die Menschheit in „Harmonie mit der Natur lebt“ – ganz so, wie es von der Biodiversitätskonvention als Ziel bis 2050 formuliert ist. Diesen Ausspruch gilt es nun bei den nächsten Verhandlungen mit Leben zu füllen und damit sicherzustellen, dass unsere Zukunft nicht in Klammern gesetzt bleibt!

Informationen zur deutschen Jugenddelegation: https://www.naju.de/f%C3%BCr-jugendliche/biodiv-delegation/

Infos zum Global Youth Biodiversity Network (GYBN), der weltweiten Dachorganisation der Jugend bei den Verhandlungen zur CBD: https://www.gybn.org/


Felician Heim
Felician Heim
Bild: Voice for Biodiv

Felician Heim

Felician Heim (21) verfolgt als Teil der deutschen Jugenddelegation „Voice for Biodiv“ die Verhandlungen zur CBD. Er studiert Geographie und Umweltnaturwissenschaften mit Schwerpunkt Klimatologie in Freiburg. Nach dem Abitur arbeitete er ein halbes Jahr in einer Affenschutzorganisation im peruanischen Regenwald. Mit einem Hintergrund bei Fridays For Future verfolgt er insbesondere die Verknüpfung von Klima- und Biodiversitätsschutz in den Verhandlungen.


Flaggen verschiedener Nationen in Genf
Bild: Magdalene Trapp

Lesetipp:

Am 29. März 2022 ist eine weitere Verhandlungsrunde zu dem neuen globalen Biodiversitätsabkommen in Genf zu Ende gegangen – leider nur mit einem Zwischenergebnis. Für Ende Juni ist ein Anschlusstreffen in Nairobi angesetzt, auf dem man sich hoffentlich auf Ziele einigt, die den Verlust von Arten und Lebensräumen global zu stoppen und umzukehren vermögen. Deutschland und die EU sollten als Vorbild auftreten.

Weiterlesen im...

Gastbeitrag: Wie kann Deutschland ein Scheitern des neuen globalen Biodiversitätsabkommens verhindern?

Siehe auch:

Sondernews: Trotz Austausch und Annäherung in Genf: wenig konkreter Fortschritt in Beschlussvorlagen für CBD COP-15