- CBD-Kolumne April 2022 - 

Das Ringen um globale Ziele geht in die nächste Runde – und der weitere Fahrplan kristallisiert sich heraus

Bericht von den laufenden CBD-Verhandlungen von Dr. Yves Zinngrebe und Dr. Axel Paulsch


Das Treffen in Genf ist vorbei und wir sind hin und her gerissen: Auf der einen Seite ist das Global Biodiversity Framework (GBF) immer noch ein bunter Salat voller vager Begriffe und geklammerten Textes. Auf der anderen Seite haben wir jetzt mehr Klarheit dazu, dass es ein allgemeines Bemühen um einen solchen Text gibt und ein Scheitern vorerst abgewendet scheint (siehe auch unsere Einschätzung im Beitrag der Riffreporter). In der langen Zeit der COVID-Restriktionen und Online-Meetings war wenig Fortschritt zu verzeichnen und das digitale Format konnte nur sehr beschränkt das Vertrauen in partnerschaftliches Miteinander stärken. Gleichzeitig muss man aber auch sehen, dass spätestens seit der COP14 in Sharm el-Sheikh an dem GBF gearbeitet wird und dass angesichts der anvisierten Laufzeit bis 2030 nun wirklich Druck herrscht, etwas vorzulegen.

Sitzungssaal bei den CBD-Verhandlungen in Genf Die Delegierten verhandelten oft bis spät in die Nacht. Bild: Yves Zinngrebe Gleich zu Beginn warf auch der Krieg in der Ukraine seine Schatten über die Verhandlungen, was auch an vielen Stellen wieder auftauchte, z.B. bei der Wahl von Gremienvertretern für die Region Osteuropa. Prozedural ist anzumerken, dass trotz der Beschwörungen seitens der Chairs, lange initiale Statements wegzulassen, zu Beginn erstmal wertvolle Zeit genutzt wurde, um allgemeine Sichtweisen kundzutun und einen Modus Operandi zu finden. Dabei wurden viele Argumente aus den online-Verhandlungen 2021 einfach wiederholt, ohne dass Kompromissbereitschaft signalisiert wurde.


Das Thema der Finanzierung, sowie das Thema der Digital Sequence-Information (DSI) waren zudem so zentral und gleichzeitig kontrovers, dass hier weiterhin nach Lösungen gesucht wird. Politisch scheint ein Kompromiss möglich. Es braucht hier aber eine Lösung, die wirklich umsetzbar ist (Themenspezial und Gastbeitrag zu DSI).

In der Diskussion der tatsächlichen Formulierung der 21 Ziele des GBF ist man gegen Ende der Genfer Verhandlungen immerhin dazu gekommen, am konkreten Text zu arbeiten. Auch wenn der Text im Moment bei den meisten Zielen vor lauter geklammerten Stellen kaum lesbar ist, sind doch alle Bausteine als Alternativen nebeneinander, sodass man jetzt nach Kompromissformulierungen suchen kann.

Unser Fazit zu den Verhandlungs-Fortschritten: wir sind zwar ernüchtert, aber dennoch vorsichtig optimistisch. Das hat mehrere Gründe: Zum einen haben wir jetzt eine solide Grundlage, um das GBF voranzutreiben. Den Parteien sind nochmal die Positionen der jeweils anderen Seiten klar geworden und sie können nun die Zeit bis zur nächsten Verhandlungsrunde nutzen, um zu Hause zu beraten, ob und welche roten Linien sie aufweichen können, um mit neuem Mandat in die nächste Vorbereitungskonferenz in Nairobi, Kenia, (21. – 26. Juni 22) zu gehen. Zweitens gibt es Dokumente, die schlicht aus Zeitgründen in Genf nicht besprochen werden konnten, die aber grundlegend für die weiteren Verhandlungen sind. Da wird zusätzliche Verhandlungszeit sicher helfen. Drittens wird bis Nairobi weitergearbeitet, Expertengruppen kümmern sich z.B. um DSI und um den Berichtsprozess zu den GBF-Zielen. Also werden bis Nairobi konkrete Texte vorliegen, über die dann verhandelt werden kann. Und nicht zuletzt führt steigender zeitlicher Druck letztlich am ehesten zu Kompromissbereitschaft. Dier Erwartung an Nairobi ist nun, einen möglichst „cleanen“ Text für Kunming vorzubereiten, in dem nur die zentralen, politischen Konflikte noch geklammert sind, die dann bei COP 15 gelöst werden müssen.
Ein anvisierter Termin für die COP15 Ende August bis Anfang September in Kunming, China, ist bislang immer noch nicht bestätigt und hängt wohl noch von COVID-Beschränkungen und geopolitischen Dynamiken ab.

Paulsch und Zinngrebe, mit Masken
Unser Fazit zu den Verhandlungs-Fortschritten: wir sind zwar ernüchtert, aber dennoch vorsichtig optimistisch. Bild: Yves Zinngrebe

Genf hat gezeigt, dass die Abgeordneten zu Gesprächen bereit sind, aber dass ein klares Mandat für ein ambitioniertes Rahmenwerk noch fehlt. Wie in unseren Blog-Texten beschrieben, braucht es Klarheit, was in Kunming erreicht werden soll. Das GBF wird vorgeben, bis wann und wie weit ein Stopp des Verlustes von Arten und Ökosystemen erreicht werden soll. Die politische Ambition, die durch diese fundamentale Zielstellung dargestellt wird, ist dringend nötig, um eben die nötigen Handlungen davon legitim ableiten zu können. Ander gesagt: Solange man nicht weiß, was man will, kann man auch keine Handlungsforderungen ableiten, um dahin zu gelangen. Mainstreaming betont die nötige Politikintegration, die zu einem kohärenten, entschlossenen Handeln nötig ist, kann aber ohne konkrete Definitionen zu einem losen „Buzz-Word“ verkommen. Und zuletzt ist ein GBF nur so viel wert, wie es in der nationalen Umsetzung ernst genommen wird. Das bedeutet, wir brauchen eine klare Verknüpfung von Zielen mit Indikatoren, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten und einen Mechanismus, um die Umsetzung auch zu überprüfen (siehe auch Bericht vom Side Event).

In Nairobi müssen die verhandelnden Parteien mehr Kompromissbereitschaft zeigen und das Wiederholen der altbekannten Positionen muss überwunden werden, sonst nützt auch zusätzliche Verhandlungszeit wenig. Solange, wie in Genf geschehen, einzelne Delegationen zuerst zuhause nachfragen müssen, ob sie in Bezug auf Biodiversitätsverlust und Klimawandel das Wort „Krise“ verwenden dürfen, bleibt der Weg zu einem ambitioniert GBF noch ziemlich weit. Stattdessen braucht es Führung – von Gastgebern, Wortführern oder ehrgeizigen Ländern. Nur so waren auch in der Vergangenheit große Fortschritte zu erreichen.