- Gastbeitrag Januar/Februar 2022 -

Meeresschutzgebiete: Nur gemeinsam stark

Wie eine effektivere Gestaltung, Umsetzung und Verwaltung von Meeresschutzgebieten gelingen kann

Ein Gastbeitrag von Ute Jacob


Weltweit sind mehr als 15.000 Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas - MPAs) ausgewiesen, die zusammen rund 7 Prozent der Meere abdecken. Es besteht kein Zweifel daran, dass MPAs – sofern sie optimal gestaltet und verwaltet werden – ökologische, wirtschaftliche und soziale Vorteile bringen können und entscheidend für die Erhaltung der marinen Artenvielfalt, die Regeneration überfischter Fischbestände sowie die Eingrenzung der Folgen der Klimaerwärmung sind. Wie kann eine effektivere Gestaltung von Meeresschutzgebieten erreicht werden?

Aktuelle Meeresschutzgebiete der Welt
Aktuelle Meeresschutzgebiete der Welt (CC-BY 4.0). Bild: Böckmann/Boell-Stiftung (Meeresatlas)

Im Jahr 2019 hat der Wertbiodiversitätsrat (IPBES) sein Globales Assessment vorgelegt, mit besorgniserregenden Zahlen: 2,2 Millionen Arten gibt es in den Meeren, 200 Millionen Menschen leben von der Fischerei und in etwa 1 Milliarde Menschen nutzen Fisch als primäre Eiweißquelle. Gleichzeitig sind rund eine Million Pflanzen- und Tierarten vom Aussterben bedroht, 40 Prozent der Meere sind schon schwerwiegend verändert. 50 Prozent der Korallenriffe sind seit 1870 verschwunden, die Mangroven sind um 25 Prozent reduziert, Seegraswiesen nehmen um 10 Prozent pro Jahr ab und 33 Prozent der Riffkorallen, Haie und Säugetiere sind vom Aussterben bedroht. Um diesen Trends entgegen zu wirken, haben sich mehr als 50 Länder unter dem Banner der High Ambition Coalition (HAC) for Nature and People zusammengeschlossen und sich verpflichtet, bis 2030 30 Prozent der Erde sowie der Ozeane zu schützen (HAC 30x30). In der letzten Woche gab Portugal die Einrichtung des größten Meeresschutzgebiets in Europa bekannt. Das neue Schutzgebiet erstreckt sich über 2.677 Quadratkilometer im Bereich der Selvagens-Inseln im Nordatlantik. Die Einrichtung solcher Schutzgebiete bringt uns dem HAC Ziel näher.


In Deutschland sind mit dem Inkrafttreten der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen in Nord- und Ostsee sechs Naturschutzgebiete (NSG) seit dem 22.09.2017 unter Schutz gestellt.


Problematisch bleibt allerdings, dass die Einrichtung der MPAs nicht global gleichen Vorgaben folgt, und sowohl die Definition von „Schutz“ und „Nutzen“ innerhalb der MPAs und die Erwartungen an deren Erfolg sehr vielschichtig sind. In manchen MPAs ist keinerlei menschliche Nutzung zugelassen, in vielen anderen, wie etwa den deutschen MPAs, sind diverse Nutzungen weiterhin möglich. Und welche Gebiete der Meere wollen wir schützen?


Die CBD definiert hier Gebiete als schützenswert, die als „geografisch oder ozeanografisch abgegrenzt gelten und für eine oder mehrere Arten bzw. Populationen eines Ökosystems oder für das Ökosystem als Ganzes wichtige (Biodiversitäts- und Ökosystem-)Leistungen erbringen, verglichen mit anderen umgebenden Gebieten oder Gebieten mit ähnlichen ökologischen Merkmalen“ (CBD 2008). Gleichzeitig sollte darauf geachtet werden, dass diese als EBSAs bezeichneten Gebiete (siehe auch das aktuelle Themenspezial) eine nötige Repräsentativität erfüllen. Es sollten also Gebiete einbezogen werden, die die Gesamtheit der „verschiedenen biogeografischen Unterteilungen der globalen Ozeane und regionalen Meere repräsentieren, die in angemessener Weise die gesamte Bandbreite der Ökosysteme, einschließlich der biotischen Vielfalt und der Vielfalt der Lebensräume dieser Meeresökosysteme, widerspiegeln" (CBD 2008).

Die Einbindung von Interessengruppen und Akteuren ist wichtig für den Erfolg von MPAs


Mit Blick auf die Zukunft müssen standardisierte Indikatoren entwickelt werden, um die Faktoren, die über Erfolg und Misserfolg der MPAs entscheiden, besser bewerten zu können. Beispielsweise werden für bislang oft lediglich biologische und ökologische Indikatoren einbezogen, wie etwa die Biomasse von Fisch. Andere entscheidende Indikatoren, wie zum Beispiel Einflüsse von biophysikalischen, sozialen und ökonomischen Gegebenheiten und von Governance Strukturen oder das Engagement von Interessengruppen und Akteuren werden hingegen selten systematisch gemessen und einbezogen.


Natürlich hängt die Wirksamkeit eines MPA auch von der Durchsetzung der Vorschriften durch die verantwortliche Behörde bei den Interessengruppen und Akteure ab. Eine effektivere Gestaltung, Umsetzung und Verwaltung von MPAs kann erreicht werden, indem man auf Erfolge aufbaut und aus Misserfolgen lernt. Natürlich sind nicht alle Erfahrungen von einem MPA auf ein anderes übertragbar, da die Bedeutung der Faktoren, die die Wirksamkeit eines MPA bestimmen, von der räumlichen Ausdehnung des MPA sowie vom soziokulturellen, politischen und rechtlichen Kontext abhängt, in dem das MPA eingerichtet wird.


Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass wir bei der Erstellung von Indikatoren bzgl. der räumlichen Ausdehnung der MPAs vielversprechende Fortschritte erzielt haben.  Grundlegende Aspekte der Wirksamkeit sowie der Repräsentativität bei der Ausgestaltung von MPAs hingegen sind bisher zu kurz gekommen. Mit Blick auf die Verhandlungen der Weltnaturkonferenz (CBD COP 15) macht die neu ins Leben gerufene „International Partnership on Marine Protected Areas, Biodiversity and Climate Change“ Hoffnung. Sie wurde mit Unterstützung von IUCN und der Marine Alliance for Science and Technology gegründet und will die Rolle von Meeresschutzgebieten als naturbasierte Lösung (NBS) im Kampf gegen den Klimawandel stärken.


Ute Jacob, Profilbild
Bild: Ute Jacob

Dr. Ute Jacob ist Meeresbiologin und arbeitet am Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB) . Sie ist dort für die Verknüpfung von Naturschutz und Forschung zuständig. Sie hat am Globalen Assessment des Weltbiodiversitätsrates IPBES sowie an dem gemeinsamen Workshop Reports des IPCC und IPBES mitgearbeitet und ist die Vorsitzende des Wissenskoordinierungsgremiums von Eklipse .


Korallen
Bild: Joakant / Pixabay

Lesetipp:

Es ist ein Slogan, den der Weltnaturschutzdachverband IUCN 2016 in die Welt setzte: 30 Prozent der Meere sollten bis 2030 unter Schutz gestellt werden. Dieser wurde so prominent genutzt, dass er nicht nur Eingang in die EU-Biodiversitätsstrategie gefunden hat, sondern auch in den aktuellen Entwurf für die internationalen Naturschutzziele der CBD. Ob diese Zahl nach den Verhandlungen bei der Vertragsstaatenkonferenz COP 15 so noch im Beschlussdokument stehen wird, ist alles andere als sicher. Außerdem kommt es sehr darauf an, worauf sie bezogen wird und was die Länder daraus machen.

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Themenschwerpunkt: 30 by 30 - Was bringen mehr Schutzgebiete der Biodiversität in den Meeren?