- CBD-Kolumne Januar/Februar 2022 - 

Was macht die Verhandlungen zum GBF post 2020 so schwierig?

Bericht von den laufenden CBD-Verhandlungen von Dr. Yves Zinngrebe und Dr. Axel Paulsch


Worum wird derzeit gestritten? Die Co-Vorsitzenden legen eine Zusammenfassung der bisherigen Diskussionen vor.

Das für Januar 2022 in Genf geplante physische Treffen zur Weiterführung der Verhandlungen über den globalen Biodiversitätsrahmen (GBF) wurde auf März verschoben und die Verhandlungen stocken. Nichtdestotrotz haben die Co-Vorsitzenden der entsprechenden Arbeitsgruppe (OEWG) ein neues Papier erarbeitet und in einem Webinar am 01.02.2002 vorgestellt. Es fasst Argumente und Streitpunkte zu den im sogenannten „First Draft“ formulierten 21 Zielen zusammen, die beim online-Treffen der Gruppe im August/September 21 vorgebracht wurden. Das Papier soll die weiteren Verhandlungen erleichtern und die Co-Vorsitzenden machen darin auch Vorschläge, wie Kompromisse gefunden werden könnten.


Im Folgenden soll am Beispiel einiger Ziele schlaglichtartig gezeigt werden, worum derzeit gestritten wird und welche unterschiedlichen Positionen bezogen werden.

Chris Stenger, unsplash Torres del Paine National Park, Chile
(Bild: Chris Stenger, unsplash)
Ziel 1 schlägt unter anderem vor, noch intakte Gebiete und Wildnisgebiete zu erhalten („retaining existing intact and wilderness areas“). Dies wird vor allem von Entwicklungsländern, die noch über nahezu unberührte Gebiete verfügen, als Einschränkung wirtschaftlicher Entwicklungsmöglichkeiten gesehen, da es z.B. bedeuten würde, landwirtschaftliche Nutzflächen nicht weiter (auf Kosten von Wäldern, Grasland oder Feuchtgebieten) auszudehnen. Viele Industrieländer argumentieren, dass die Erhaltung des noch Vorhandenen der wichtigste und am einfachsten zu erreichende Schritt zum Schutz der biologischen Vielfalt ist, verglichen mit Wiederherstellungsmaßnahmen. Eine von den Co-Vorsitzenden eingebrachte Kompromissformulierung wäre „retaining as many as possible….“, die aber die Ambition des Ziels schwächen und Ausflüchte im Sinne von „in unserem Land war es eben nicht möglich“ erlauben würde.

Ziel 5 schlägt vor, dass Ernte, Handel und Nutzung wildlebender Arten nachhaltig, legal und für die menschliche Gesundheit unschädlich sein soll („Ensure that the harvesting, trade and use of wild species is sustainable, legal, and safe for human health.“). Hier hat die Diskussion gezeigt, dass die Ambitioniertheit des Ziels sehr von der Definition der Begriffe „nachhaltig und sicher“ abhängt. Ein Vorschlag der CO-Vorsitzenden ist, die Formulierung umzukehren und die Eliminierung von nicht nachhaltigem, illegalem und unsicherem Handeln zu fordern („eliminate unstustainable, illegal and unsafe harvesting, trade and use of wild species“). Zwar löst diese Formulierung das Definitionsproblem auch nicht, sie klingt aber nach einer konkreteren Handlungsaufforderung und vielleicht wird auch die Dringlichkeit klarer, wenn man statt Sicherstellung der Nachhaltigkeit eine Eliminierung nicht nachhaltigen Vorgehens fordert (z.B. in der Fischerei oder bei der Nutzung von Wäldern).

sergeitokmakov Plastikverschmutzung in Südasien
(Bild: sergeitokmakov, pixabay)
Ziel 7 adressiert Verschmutzung aus verschiedenen Quellen (Plastik, Pestizide, Überdüngung) und hatte in der Vorläuferversion konkrete quantitative Reduktionsziele, die in der jetzigen Formulierung nicht mehr auftauchen und durch Begriffe wie „nicht schädliche Level“ ersetzt wurden. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es durchaus konkrete Schwellenwerte, die nummerische Ziele untermauern würden, und es wird weiter diskutiert, ob diese nicht doch wieder aufgenommen werden sollten.

In Ziel 8 wird der Bezug zum Klimawandel hergestellt, und die Diskussion entzündet sich an der Verwendung bzw. Definition der Begriffe „nature-based solutions“ und „ecosystem-based approaches“. Diese Diskussion wird auch im Kontext der Klimarahmenkonvention geführt. Gegner des Begriffs „nature-based solutions“ befürchten, dass darunter auch Maßnahmen fallen könnten, die zwar klimawirksam, aber nicht biodiversitätsfördernd sind, wie z.B. Aufforstungen in Monokulturen.

Ziel 16 möchte sicherstellen, dass u.a. Verbraucherentscheidungen verantwortlich getroffen werden können, um z.B. übermäßigen Konsum zu vermeiden. Während dieses Ziel aus Sicht eines Industrielandes mit hohem ökologischem Fußabdruck als höchst dringlich erscheint, argumentieren einige Entwicklungsländer, dass es angesichts der Ernährungslage weiter Teile ihrer Bevölkerung fast zynisch ist, übermäßigen Konsum abschaffen zu wollen und verantwortungsvolle Entscheidungen von Personen zu fordern, die ohnehin keine Wahlmöglichkeiten haben. Hier müssen Formulierungen wie „den nationalen Umständen entsprechend“ oder „soweit zutreffend“ eingebaut werden, um der höchst unterschiedlichen Ausgangssituation verschiedener Vertragsstaaten Rechnung zu tragen.

Bei den Zielen, die sich mit den Rahmenbedingungen zur Umsetzung befassen, insbesondere mit den finanziellen Notwendigkeiten, ist es kaum verwunderlich, dass Entwicklungsländer klare Unterstützungszusagen mit konkreten Beträgen fordern, während die Industrieländer, die diese Zusagen geben müssten, versuchen, eher vage zu bleiben und auch die Verwendung eigener Mittel in allen Ländern anmahnen

In Ziel 19 geht es dabei um die Erhöhung der finanziellen Ressourcen aus verschiedenen Quellen, in Ziel 18 um die Abschaffung biodiversitätsschädigender Subventionen und die Umleitung dieser Mittel in biodiversitätsfördernde Maßnahmen, z.B. in der Landwirtschaft. Für den Umgang mit den Treibern wird es zentral wichtig werden sicherzustellen, dass neben Naturschutzmaßnahmen nicht weiter biodiversitätsgefährdende Praktiken unterstützt werden. In beiden Zielen sind konkrete Werte vorgeschlagen, die aber heftig kritisiert wurden und in ihrer Bedeutung noch von konkreten Definitionen abhängen – was zum Bespiel genau unter „biodiversitätsschädigender Subvention“ verstanden wird. Ob und in welcher Höhe diese konkreten Summen in der Endfassung auftauchen werden, bleibt abzuwarten. Sicher werden die Entwicklungsländer aber einem GBF nicht zustimmen, wenn nicht auch eine Strategie zur Mobilisierung der nötigen Ressourcen verabschiedet wird.

Die härteste Nuss steckt vielleicht in Ziel 13, dass in Bezug auf den Zugang zu genetischen Ressourcen und einen fairen Vorteilsausgleich eigentlich nur wiederholt, was schon im entsprechenden Nagoya-Protokoll steht. Hier steckt der Teufel im Detail: Ziel 13 redet von „all countries“, also allen Staaten, obwohl eine ganze Anzahl von CBD-Mitgliedsstaaten das Nagoya-Protokoll eben nicht gezeichnet hat. Der Biodiversitätsrahmen der CBD soll aber für alle Staaten gelten. Die Frage ist also, ob man hier in der Formulierung differenzieren muss.

DSI Wie umgehen mit digitaler Sequenzinformation (DSI)?
(Bild: geralt, pixabay)
Zweiter Streitpunkt: Wie umgehen mit digitaler Sequenzinformation (DSI)? Einige Staaten fordern, DSI wie genetische Ressourcen zu behandeln und in Ziel 13 explizit zu erwähnen, andere sehen die Freiheit der Forschung gefährdet und beharren auf dem Standpunkt, dass DSI und genetische Ressourcen grundsätzlich verschieden sind und DSI nicht unter das Nagoya-Protokoll fällt. In dieser Diskussion hat auch die separate Arbeitsgruppe während des online-Treffens keine Fortschritte gebracht und das Papier der Co-Vorsitzenden bringt auch keinen alternativen Textvorschlag in Bezug auf DSI, sondern verweist auf die fortlaufende Diskussion.

Fazit: Es gibt noch jede Menge Baustellen und weit auseinanderliegende Positionen, aber wenn bei DSI und den Finanzzusagen ein Kompromiss erreicht wird, werden sich für die anderen Streitpunkte ebenfalls Lösungen finden. Für die Umsetzung des GBF müssen dann ebenfalls noch Bestimmungen getroffen werden, z.B. hinsichtlich der Berichtspflichten und dem Nachschärfen von Zusagen, wenn Staaten hinter Zwischenzielen zurückbleiben. Die konkrete Umsetzung ist dann davon abhängig, in wie weit die nationalen Regierungen und andere private und gesellschaftliche Akteure die Verantwortung annehmen, Ökosysteme als Grundlage unseres Lebens und Wirtschaftens zu schützen.