- CBD Kolumne Juli 2021 -

Der erste Vorschlag ist auf dem Tisch: Knackpunkte für ein ehrgeiziges GBF

Bericht von den laufenden CBD-Verhandlungen von Dr. Yves Zinngrebe und Dr. Axel Paulsch


Die neuen Ziele der UN-Biodiversitätskonvention CBD sollen als „Global Biodiversity Framework“ (GBF) auf der nächsten Vertragsstaatenkonferenz COP-15 in Kunming (China) beschlossen werden. Wie bereits in unserer Kolumne letzten Monat betont, ist es ein langwieriger Prozess. In der neuesten Mitteilung des COP-Bureaus sieht die Planung vor, die COP 15 im Oktober 2021 mit einem Treffen von Botschaftern zu eröffnen, die eigentlichen Verhandlungen aber erst im April 2022 abzuhalten. Dieser zweite Teil von COP-15 muss ein Präsenzmeeting werden, da die Afrikanischen Staaten beim Subsidiary Body on Implementation (SBI 3) sehr klar gemacht haben, dass sie sich durch Online-Verhandlungen benachteiligt fühlen und sich deshalb immer Einspruch vorbehalten, solange keine physischen Treffen stattfinden. Um abschließende Beschlüsse der Vorbereitungskonferenz der COP-15 (SBSTTA 24) und SBI 3 nachzuholen, ist nun ein Präsenzmeeting im Januar in Genf geplant.

Am Montag den 12. Juli haben die Co-Chairs der Open Ended Workshop Group (OEWG), basierend auf den Ergebnissen von SBSTTA 24 und SBI 3, einen neuen First Draft für das GBF vorgelegt. Dieser soll nun auf einem digitalen Treffen der OEWG (23.8. - 03.09.2021) September weiter verhandelt werden, um so einen Vorschlag für die COP 15 (Final Draft) zu erarbeiten.


Was ist neu am First draft?

Der jetzt vorgelegte First Draft unterscheidet sich vom Updated Zero Draft von August 2020 vor allem dadurch, dass einige der Ziele mit konkreten Zahlen/Prozentangaben ausgestattet wurden:

  • Die Wiederherstellung degradierter Systeme (Meere, Land, Süßwasser) war zuvor nicht klar beziffert, und soll jetzt auf 20 % festgesetzt werden. Die letzten Biodiversitätsziele 2011-2020 (AICHI-Ziele) hatten 15 % anvisiert (Ziel 15) - diese wurden jedoch nicht erreicht.
  • Das Ziel, 30 % der Land- und Meeresfläche zu Schutzgebieten zu erklären, wurde vom Zero Draft in den First Draft übernommen. Die ergänzenden Ansprüche an Schutzgebiete, wie effektives Management, Einbettung in die Umgebung und Vernetzung untereinander, ist fast wörtlich von Aichi-Ziel 11 übernommen. Genau diese Aspekte wurden ja nicht erreicht, müssen also weiterhin gefordert werden.
  • Neu ist, dass die schon bei den Aichi-Zielen geforderte Reduzierung biodiversitätsschädlicher Subventionen (harmful subsidies) jetzt konkret beziffert wird, und zwar auf einen Betrag von 500 Milliarden Dollar jährlich. Eine solche Bezifferung setzt ein Zeichen und macht die Erreichung einfacher messbar.
  • Neu ist auch die konkrete Bezifferung der Finanzen, die an Entwicklungsländer fließen sollen, nämlich 10 Milliarden Dollar jährlich, und die Festlegung eines Mindestbetrags an Ressourcen (200 Milliarden Dollar pro Jahr).
  • Im Ziel mit Klimabezug ist neu, dass der Beitrag zur CO2-Minderung durch “ecosystem based approaches” als konkrete Zahl ausgedrückt ist, nämlich mit 10 Gigatonnen pro Jahr. Auch im Ziel zur Reduzierung der Verschmutzung aus verschiedenen Quellen sind im First draft erstmals konkrete Prozentangaben genannt, z.B. die Überdüngung um 50 % zu drosseln und den Pestizideinsatz um zwei Drittel.
  • Verschmutzung durch Plastikmüll soll komplett unterbunden werden.
  • Im Ziel mit Bezug zur Landwirtschaft wurde die Zahlenangabe zur Steigerung der Produktivität wieder entfernt.

Prozess-Graphik: Weg zum post-2020 GBF
Die 21 Ziele des ersten GBF-Entwurfs ("First Draft")

Natürlich entspricht dieser First draft noch keinem Verhandlungsergebnis sondern nur einer Verhandlungsgrundlage. Es ist zu erwarten, dass um die Zahlen noch massiv gestritten werden wird.

Insgesamt scheint der First Draft eine Weiterentwicklung der Aichi-Ziele: Es werden indirekte Treiber wie Konsum, Wertschöpfungsketten, Ernährung, oder Verschmutzung konkret angesprochen. Die Verbindung zu Klima wird durch das Mitigationsziel (Target 8) oder durch das Target 11 zur Anpassung an extreme Klima-Events und „nature’s contributions to people” gesucht. Grundlegende Herausforderungen, wie Mainstreaming (target 14) oder harmful subsidies (target 18) waren schon in den Aichi-Zielen angesprochen worden, werden aber jetzt - nach sehr geringen Fortschritten in den Bereichen - noch direkter adressiert.

Allerdings bleibt nach wie vor in den Grauzonen der Begrifflichkeiten ein extrem großer Verhandlungsspielraum. Die Tragweite der Ziele wird davon abhängen, wie „schädliche Subventionen”, „nicht nachhaltige Wertschöpfungsketten”, Integration in „alle Politiken, Regulationen und Pläne”, oder die zu reduzierende „Verschmutzung” definiert und erfasst werden. Das die Ziele begleitende Monitoring-Framework schlägt hier erste Indikatoren vor. Diese bleiben jedoch sehr generell und es ist unklar, wie hier eine Verantwortlichkeit und daraus resultierende Initiativen zur Umsetzung damit sichergestellt werden können.


Wie kann Verantwortung bei der Umsetzung sichergestellt werden und welche Rolle spielt Deutschland?

Die Verantwortlichkeit für die Umsetzung ist seit der Gründung der CBD „differenziert”. Entwicklungsländer sollen bei der Umsetzung globaler Ziele von Geberländern unterstützt werden. Die Äußerungen einiger Länder während SBSTTA 24 und SBI 3 lassen allerdings auch die Interpretation zu, dass die Länder nur bereit sind, etwas umzusetzen, wenn sie dafür finanziert werden. Eine solche Darstellung stellt wiederum in Frage, ob durch eine Finanzierung nur ein „Projekt-basiertes” Engagement unterstützt wird, oder ob dabei wirkliche Maßnahmen und Veränderungen unterstützt werden. Die Deutsche Regierung hat jedenfalls darauf reagiert. Kanzlerin Angela Merkel hatte während des Nationalen Dialogs angekündigt, die deutschen Entwicklungsgelder bis 2026 auf 6 Mio. € aufzustocken (https://www.bmu.de/pressemitteilung/nationaler-dialog-zum-schutz-der-weltweiten-biodiversitaet-im-bundesumweltministerium/ ). Auch Umweltministerin Svenja Schulze stellte klar, dass, neben dem 30-Prozent-Schutzgebieteziel, der Bedeutung von Wiederherstellung und der Berücksichtigung lokaler Initiativen, besonders die Finanzierung im Mittelpunkt stünden.

Die Frage bleibt, wie sichergestellt werden kann, dass dies auch zur Umsetzung kommt. Die EU hat ja bereits vor der Verkündung des GBF eine ehrgeizige Biodiversitätsstrategie vorgelegt. Diese wird allerdings von relevanten Umsetzungspolitiken wie der Gemeinsamen Agrarpolitik weitestgehend ignoriert. Auch wenn einige Länder aus dem Globalen Süden Hilfe bei der Umsetzung benötigen - eine erfolgreiche Zielerreichung scheint jedenfalls nur wahrscheinlich, wenn sich alle Länder auch verantwortlich fühlen, diese umzusetzen.