- CBD Kolumne Juni 2021-

Der holprige Weg zum Global Biodiversity Framework

Bericht von den laufenden CBD-Verhandlungen von Dr. Yves Zinngrebe und Dr. Axel Paulsch


Die Entwicklung des Global Biodiversity Frameworks (GBF), also des strategischen Plans der CBD für die Dekade bis 2030, war bislang ein zäher Prozess. Und er scheint sich auch weiter als ein solcher zu gestalten. Dass ein neuer Plan nötig werden würde, war ja durch die zeitliche Begrenzung des letzten strategischen Plans und seiner in Japan 2010 festgelegten Aichi-Ziele bis 2020 vorherbestimmt. Und spätestens seit der Veröffentlichung des Global Biodiversity Outlooks 4 (GBO4) im Jahr 2014 war abzusehen, dass diese Ziele verfehlt werden, was auch der GBO5 (2020) bestätigte. Seit 2018 laufen nun bereits die Vor-Verhandlungen zu einem neuen globalen Biodiversitäts-Zielkatalog. Aber das Ergebnis dieses Prozesses ist auch wenige Monate vor der verschobenen CBD-Vertragsstaatenkonferenz (COP-15) noch mehr als offen.

Holpriger Weg
Bild: Pixabay

Bei der 14. Vertragsstaatenkonferenz der CBD in Sharm el-Sheikh (COP14) wurde eine sogenannte „Open-Ended-Working-Group“ (OEWG) unter der Leitung der Co-Vorsitzenden Francis Ogwal (Uganda) und Basile van Havre (Kanada) etabliert, die entsprechende Zielsysteme erarbeiten soll.
Anfang 2020 wurde von dieser ein „Null-Entwurf“ (Zero draft) für das zukünftige GBF vorgelegt. Im Mai und Juni 2021 haben zwei beratende Untergremien der CBD (SBSTTA-24 und SBI-3*) ihrem Mandat entsprechend online verhandelt, wie der neue Zielkatalog mit Indikatoren und einem Monitoring-Framework hinterlegt und einem Finanzierungsmechanismus unterfüttert werden könnte. Einige Staaten monierten während dieser Sitzungen allerdings, dass es schwierig sei, solche Rahmenbedingungen zu diskutieren, solange die Ziele noch gar nicht feststünden. Es wurde also sehr grundlegend diskutiert und somit ein Fortschritt in Kernpunkten weiter verzögert. Brasilien weigerte sich beispielsweise, den vom Sekretariat der CBD eigens beauftragten Bericht „GBO5“ als Entscheidungsgrundlage anzuerkennen. Als Erklärung wurde angeführt, dass dort zweifelhafte Quellen verwendet worden seien. Nach außen wirkte dies allerdings so, als würde so die Grundlage für ambitionierte Biodiversitäts-Ziele unterhöhlt.

Letztendlich ist ein Fortschritt im Rahmen der SBSTTA- und SBI-Verhandlungen aber auch an den besonderen Bedingungen eines digitalen Formats gescheitert: Die offiziell vom 3.Mai bis 13. Juni 2021 (!!!) dauernden Sitzungen zogen sich über Wochenenden und – je nach Zeitzone – viele Abend-, Morgen- und Nachstunden hinweg. Schlussendlich äußerte Südafrika im Namen der Afrikanischen Staaten, dass sie sich durch schwache Internetverbindungen in den Verhandlungen benachteiligt fühlten und keiner Weiterentwicklung des GBF-Entwurfs zustimmten, solange dieser nicht in einem physischen Treffen verhandelt werden kann. Entsprechend wurden als SBSTTA-Ergebnis lediglich verschiedene Verhandlungspositionen in einem sogenannten Informationsdokument schriftlich festgehalten. Der parallel zu SBSTTA tagende Subsidiary Body for Implementation (SBI) hat zwar Papiere entwickelt und für Beschlüsse auf der COP15 vorbereitet, diese bleiben allerdings ebenfalls sehr vage. Das SBI-Gremium erklärt darin, dass es „mit großer Sorge wahrnimmt“ („notes with deep concern“), wie wenig der strategische Plan der CBD und nationale Biodiversitätsstrategien umgesetzt wurden. Gleichzeitig ermutigt SBI die Vertragsstaaten zu stärkeren Maßnahmen („encourages and invites“). Alle wesentlichen Textpassagen enthalten allerdings deutlich abschwächende Formulierungen, wie „freiwillig“ („voluntary“), „als Orientierung“ („as guidance“) oder „je nach der Situation des Landes angebracht“ („as appropriate“).

Für die Ausarbeitung einer konkreten Zielkatalogs-Beschlussvorlage ist an sich ist aber die OEWG zuständig, die sich Ende August/Anfang September 2021 ebenfalls virtuell treffen wird. Die Co-Vorsitzenden der OEWG sollen nun direkt nach diesem Treffen der Gruppe und spätestens sechs Wochen vor der COP 15 – also direkt nach ihrer nächsten Sitzung – einen neuen Entwurf, den sogenannten „first draft“ als Verhandlungsgrundlage für die für Oktober 2021 geplante COP15 vorlegen. Angesichts der geringen Kompromissbereitschaft einiger Staaten, die sich bei SBSTTA und SBI schon bei Kleinigkeiten gezeigt hat, sind auch für OEWG 3 schwierige Verhandlungen zu erwarten. Einem ambitionierten Entwurf eines neuen Biodiversitäts-Zielkatalogs scheint neben inhaltlichen Differenzen nun auch das digitale Format im Wege zu stehen. Somit steht vor der COP im chinesischen Kunming nach wie vor das gesamte GBF einschließlich seiner Rahmenbedingungen auf der Kippe (oder im Konventionsslang: „in Klammern“). Außerdem sieht es aufgrund der besonders den globalen Süden betreffenden Corona-Entwicklungen nicht danach aus, dass eine entscheidungsfähige physische COP noch in diesem Jahr tagen wird. Und während sich der ohnehin schon sehr träge, globale Prozess weiter und weiter verzögert, geht die Biodiversität weiter verloren.

* SBSTTA-24: 24. Treffen des Subsidiary Body for Technical and Technological Advice; SBI-3: Drittes Treffen des Subsidiary Body for Implementation