- Themenschwerpunkt Juni 2021 -

Naturschutzverantwortung endet nicht an den Landesgrenzen

Internationale Naturschutzziele müssen globalisierten Handel berücksichtigen

Ein Artikel von Sebastian Tilch


Vom 11. bis 24. Oktober treffen sich, so Corona es zulässt, mit einem Jahr Verspätung die Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedstaaten des Übereinkommens über die biologische Vielfalt der Vereinten Nationen (CBD). Anlass ist die 15. Vertragsstaatenkonferenz COP-15 im Chinesischen Kunming. Der Erwartungsdruck ist enorm, denn es geht darum, den obersten politischen Rahmen darüber zu setzen, wie lebenswert die Erde am Ende des Jahrhunderts und danach noch sein wird. Doch während die Staaten sich darauf konzentrieren, den Biodiversitätsverlust innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu reduzieren, wird den Auswirkungen der globalen Wirtschaft kaum Beachtung geschenkt. Dabei beuten gerade besonders artenreiche Länder ihre Naturschätze aus, um die Nachfrage anderer Länder zu bedienen. Höchste Zeit also, internationale Verantwortung politisch festzuschreiben und wirksame Regelungen zu treffen.


Deutschland ist bekannt als führende Exportnation. Nach China und den USA liegt es an dritter Stelle weltweit. Weniger bekannt ist, dass es weltweit auch an dritter Stelle der größten Importnationen liegt – ebenfalls nach den USA und China. Laut Weltbank wurden 2018 Waren im Wert von über 1,6 Billionen Euro eingeführt. Damit hat Deutschland großen Einfluss auf weite Teile der Welt – und Umwelt.

Gerade in den besonders biodiversitätsreichen Ländern werden wertvollste Ökosysteme in Agrarflächen verwandelt, um die Nachfrage an Konsumgütern von Menschen in fernen Ländern zu bedienen. So wurde in Südamerika einer aktuellen Studie in Nature Sustainability zufolge der Sojaanbau seit dem Jahr 2000 von 26.400 auf 55.100 Quadratkilometer verdoppelt. Über 80 Prozent davon werden in Brasilien angebaut, das seine Sojaflächen in dieser Zeit verzehnfachte – und dafür weite Teile seiner Wälder abgeholzt hat. 11.000 Quadratkilometer waren es allein 2020. Und das vor allem für den Export. 27 Millionen Tonnen Soja exportierte Brasilien 2017 laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in die EU. China orderte gar 63 Millionen Tonnen. 90 Prozent des Sojas werden für die Tierhaltung genutzt.


Fleischkonsum - Fleischtheke
In den letzten 20 Jahren hat sich der globale Fleischkonsum mehr als verdoppelt. 2018 wurden laut FAO 320 Mio. Tonnen Fleisch konsumiert. 26 % der globalen Landfläche werden als Viehweiden genutzt, 6 % zur Futtermittelproduktion. Nur auf 5 % werden Nahrungsmittel angebaut, die wir direkt verzehren. Bild: Karamo / Pixabay
Der globale Handel ist einer der stärksten Treiber des Biodiversitätsverlustes. Eine Studie von 2012 beziffert den Anteil des internationalen Handels an der globalen Bedrohung von Arten auf 30 Prozent. Eine weitere Studie von 2019 zeigt, dass von den knapp 1000 untersuchten Arten, die durch Landnutzungswandel lokal ausgestorben sind, ein Viertel letztlich dem Handel mit Exportprodukten zum Opfer fiel. Der Konsum von Agrarprodukten in der Europäische Union sei für ein Drittel der globalen Entwaldung verantwortlich. Andere Studien kommen sogar zu einem höheren Ergebnis. Eine drastische Verschlechterung in jedem Fall: Vor nur 17 Jahren waren es noch zehn Prozent der lokalen Aussterbe-Ereignisse, die auf den globalen Handel zurückzuführten waren. Die Agrarprodukte mit dem höchsten Druck auf die Biodiversität weltweit sind Soja, Palmöl, Kaffee, Tee, Kakao, Baumwolle, Tabak und Kautschuk.

„Telecoupling“ nennen Forschende wie Jens Newig, Professor für Governance und Nachhaltigkeit an der Leuphana Universität Lüneburg das Phänomen. „Biodiversität ist ja im Grunde erst einmal etwas Lokales. Im Gegensatz zu Einflüssen mit ganz globalen Auswirkungen, etwa von CO2-Emissionen, beschreibt Telecoupling spezifische Auswirkungen einer Handlung an Ort A auf das Ökosystem an Ort B, ohne dass gleich der ganze Planet davon betroffen sein muss“. Newig beschäftigt sich mit der Frage, welche Institutionen diese globalen Prozesse wie steuern sollten, damit sie in nachhaltige Bahnen gelenkt werden.

Europas Konsum belastet immer mehr die Natur in anderen Regionen

„Europa lagert seine Umweltschäden in andere Länder aus und streicht die Lorbeeren für grüne Politik zuhause ein“, schreiben die Wissenschaftler Richard Fuchs, Calum Brown und Mark Rounsevell in einem Kommentar in der Zeitschrift Nature vom Dezember 2020. So durften sich Europas Wälder zwischen 1990 und 2014 um 13 Millionen Hektar ausdehnen, einer Fläche so groß wie Griechenland. Im selben Zeitraum wurden für den Konsum in Europa anderswo 11 Millionen Hektar Wald abgeholzt, drei Viertel davon für Ölpflanzen in Brasilien und Indonesien.

Laut des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP lagerten die entwickelten Länder in den Jahren von 2000 und 2011 90 Prozent der durch Konsum von Agrarprodukten erzeugten Naturzerstörungen und 40 Prozent ihrer CO2-Emissionen in andere Erdteile aus. Allerdings nahm im untersuchten Zeitraum der Konsum auch in anderen Weltregionen rasant zu. Tatsächlich überholen die Schwellenländer die Industriestaaten gerade bei der Größe ihres umweltschädlichen Fußabdrucks durch den Konsum.


Agrarfläche - Soja Anbau
Seit 2010 hat Brasilien seine Anbauflächen für Soja verzehnfacht und ist global der Hauptproduzent. In den allermeisten Fällen wurden dafür wertvolle Naturflächen geopfert. Bild: Jestermaroc / Pixabay

Die Schutzziele der CBD beziehen sich nur auf die Natur in den eigenen Grenzen

In den bisherigen Biodiversitätszielen der CBD von 2010 tauchte dieses bedeutende Problemfeld des „Telecoupling“ gar nicht auf. Deutschland war da theoretisch schon weiter. Bereits 2007 beschloss das Bundeskabinett in der Nationalen Biodiversitätsstrategie, dass bis 2020 ein Viertel der importierten natürlichen Ressourcen aus nachhaltiger Produktion kommen sollten. Außerdem sollte die deutsche Industrie in Ökobilanzen alle ihre Umweltauswirkungen vom Rohstoffeinsatz bis hin zur Abfallwirtschaft darstellen – einschließlich der Auswirkungen ihrer Produkte auf die Biodiversität im Ausland.

Die Unternehmen wurden dazu jedoch nicht verpflichtet. Außer Zertifikaten wurden auch kaum Anreize für nachhaltige Produktion gesetzt. Und selbst diese geben keine verbindlichen ökologischen und sozialen Standards für Sojaimporte vor. Zwar gibt es Leitlinien der europäischen Futtermittelbranche, die den Bezug von Soja aus illegaler Entwaldung untersagen, sie bewirken jedoch nur wenig. Von den 3,9 Millionen Tonnen nach Deutschland importiertem Soja im Jahr 2018 können nur rund 22 Prozent als entwaldungsfrei angesehen werden. Auch Umweltbilanzen von Unternehmen sind bis heute eher selten.

Dabei hatte sich die Bundesregierung 2016 in einem Aktionsplan mit den großen Unternehmen darauf geeinigt, dass diese fortan freiwillig ihre Lieferketten offenlegen und selbstständig darauf drängen sollen, dass Zulieferer im Ausland bestimmte Standards einhalten. Sollte dies nicht passieren, würde der Staat gesetzliche Schritte einleiten. Im Zentrum dieser Selbstverpflichtung standen allerdings weniger Umwelt-, sondern vielmehr soziale Aspekte. So sollte für faire Arbeitsbedingungen und Löhne gesorgt sowie Kinderarbeit vermieden werden.

Lieferkettengesetz soll neben Menschenrechten auch die Natur schützen

Vier Jahre später war jedoch klar, dass freiwillig zu wenig passiert. Lediglich 19 Prozent der involvierten Unternehmen hielten sich an die Abmachung. Also musste der Gesetzgeber aktiv werden: Anfang Juni dieses Jahres hat der Bundestag nun ein Lieferkettengesetz verabschiedet. Im Kern schreibt es den Unternehmen eine Sorgfaltspflicht vor. Sie müssen, abgestuft nach Einflussmöglichkeiten, für die Einhaltung der Menschenrechte, abgestuft nach Einflussmöglichkeiten, auf der gesamten Lieferkette sorgen. Das umfasst ihren eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare Zulieferer. Außerdem müssen sie eine menschenrechtliche Risikoanalyse vornehmen, Möglichkeiten zur Beschwerde einrichten und Aktivitätsberichte abliefern. 2023 tritt das Gesetz in Kraft und gilt zuerst nur für Unternehmen mit über 3000 Beschäftigten und Sitz in Deutschland (was 600 Unternehmen ausmacht). 2024 soll es dann für alle 2891 deutschen Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten gelten.

Umweltverbände hatten darauf gedrängt, über die Menschenrechte hinaus auch den Umweltschutz einzubeziehen. Das ist zwar geschehen, allerdings spielt Umweltschutz nur eine untergeordnete Rolle. „Im parlamentarischen Prozess wurde in letzter Minute § 2 Abs. 3 (Umweltbezogene Pflichten) gestrichen, so dass nur noch das Umweltbezogene Risiko (Abs. 4) erfasst ist. Damit hat das Gesetz an Klarheit im Wortlaut eingebüßt, da der Begriff der umweltbezogene Pflicht nur noch vereinzelt auftaucht, ohne definiert worden zu sein“, sagt die Rechtswissenschaftlerin Elisabeth V. Henn, vom Department für Umwelt- und Planungsrecht am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ. „Trotzdem sind umweltbezogene Risiken unabhängig von menschenrechtbezogenen Pflichten in Bezug auf Quecksilber, gefährliche Chemikalien und Abfälle (im Sinne des Basler-, POP- und Minamata-Abkommens) in die Sorgfaltsprüfung einzubeziehen.“

Henn hatte 2020 mit ihrer Kollegin Jannika Jahn in der Entwicklungsphase des Gesetzes ein Rechtsgutachten im Auftrag des BUND mit dem Titel „Zulässigkeit und Gegenstand umweltbezogener Sorgfaltspflichten in einem deutschen Lieferkettengesetz“ erstellt. Dort hatten die Autorinnen aufgezeigt, dass es ohne weiteres möglich ist, zumindest die sehr präzisen Pflichten bei der Handhabung von Quecksilber, gefährliche Chemikalien und Abfällen aus dem Basler-, POP- und Minamata-Abkommen zum Gegenstand der Sorgfaltsprüfung zu machen.
Die Umweltverbände bemängeln das Gesetz. Es bliebe im Hinblick auf die Umweltsorgfaltspflichten, die Durchsetzungsmechanismen und den Geltungsbereich unzureichend, kommentiert die Deutsche Umwelthilfe. Die Zerstörung von Klima, Wäldern und Artenvielfalt in den Lieferketten deutscher Unternehmen blieben in den allermeisten Fällen folgenlos. Durch die Beschränkung auf direkte Zulieferer fiele zudem ein Großteil der Lieferketten durchs Raster. Und das beträfe meist genau jene Bereiche, in denen die meisten menschenrechtlichen bzw. Umweltverstöße zu erwarten seien: In den Entwicklungsländern mit niedrigen Umweltstandards und Kontrollmöglichkeiten.

„Die Gründe für die Eingrenzung der umweltbezogenen Pflichten liegen vordergründig im allgemeinen Völker-, Umweltvölker- und Welthandelsrecht”, sagt Henn. “Menschenrechtsstandards wurden in multilateralen Verträgen von Staaten sehr genau festgeschrieben und durch die zuständigen Gerichte präzisiert. Für umweltvölkerrechtliche Verträge ist dies nicht der Fall.“ So sei etwa die CBD nicht hinreichend präzise und ihre Umsetzungsstrategien vornehmlich “soft-law”. Diese grundlegenden Unterschiede zwischen Menschenrechts- und Umweltabkommen seien genauso wenig wie WTO-rechtliche Vorgaben ein absolutes Hindernis für eine völkerrechtskonforme Regulierung umweltbezogener Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. “Sie erfordern allerdings einen erheblichen Präzisierungsaufwand für den Gesetzgeber. Für diesen Aufwand haben die Zeit und der politische Wille nicht gereicht”, sagt die Juristin.

Nimmt die Europäische Union die Unternehmen stärker in die Verantwortung?

Perspektivisch könnten die für Unternehmen geltenden Regelungen in der Lieferkette indes strenger werden. Die Europäische Union diskutiert derzeit sowohl eine Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette als auch eine Verordnung zu sogenannten Entwaldungsrisikoprodukten wie Soja. Nach Vorstellung einer Mehrheit des EU-Parlaments soll die Verordnung deutlich strengere Maßstäbe setzen als das gerade von der Bundesregierung beschlossene Gesetz. So sollen die Sorgfaltspflichten für europäische Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte auch kleine und mittlere Unternehmen umfassen. Die Verordnung könnte für alle Marktteilnehmer, auch deutsche Unternehmen, Sorgfaltspflichten in der Lieferkette von Produkten etablieren, die mit Entwaldung in Verbindung stehen. Die EU-Abgeordneten fordern zudem strenge Haftungsregeln.

Das sind allerdings nur die Positionen des EU-Parlaments. Die EU-Kommission erarbeitet derzeit einen Verordnungsentwurf, der dann mit dem EU-Parlament und EU-Rat diskutiert werden muss. Das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Henn geht von mindestens zwei Jahren aus.
„Die Nachhaltigkeitsstandards der EU sollten für alle Produkte gleichermaßen gelten, egal ob aus Importen oder einheimischer Produktion“, empfehlen dazu Fuchs et al. (2020) in ihrem Artikel. Auch wenn die EU die Standards nicht anderswo durchsetzen kann: sie könne doch verlangen, dass Importwaren ihren Vorschriften entsprechen. Dazu müssten ein klares Zertifizierungs- und Kennzeichnungssystem entwickelt und entsprechende Zollkontrollen personell und finanziell ausgestattet werden. Dies könne dann externe Produzenten dazu ermutigen, ihre Standards auf EU-Niveau anzuheben; einige Landwirte in Brasilien täten dies bereits.


Agrarfläche - Soja Anbau
Die Firma Tailorlux aus Münster entwickelt, gefördert durch die DBU, ein Markierungsverfahren für Bio-Baumwolle, bei dem die Fasern bereits in der Mühle so markiert werden sollen, dass sie später mit einem Spektrometer wiedererkannt werden können. So soll die Echtheit der Biobaumwolle garantiert werden. Ein weiteres DBU-Projekt testet eine Rückverfolgungsmethode ohne Markierung. Foto: Tailorlux

Ansätze, wie die Rückverfolgung der Herkunft von Produkten praktisch aussehen könnte, werden derzeit schon entwickelt. So testet die Firma Agroisolab, unterstützt durch die Deutschen Stiftung Umwelt (DBU), gerade technische Analyseverfahren um nachzuvollziehen, ob wirklich Biobaumwolle drin ist, wo Biobaumwolle draufsteht. Weltweit wird auf 32 Millionen Hektar Baumwolle angebaut. Obwohl dies nur rund 3,2 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ausmacht, werden dabei 25 Prozent der weltweit eingesetzten Bekämpfungsmittel gegen Insekten versprüht. Im Zentrum der neuen Methode stehen spezifische chemischen Signaturen der Baumwolle, die Aufschluss über ihre Anbauregion geben sollen. Dafür testen die Entwickler die Stabil-Isotopen-Methode, die bereits vielfach erprobt ist. Mit deren Hilfe wird die Isotopen-Zusammensetzung ausgewählter Elemente wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff analysiert. Die wesentliche Frage ist dabei, ob die Signaturen der Baumwolle die üblichen Verarbeitungsprozesse überstehen.

Grundsätzlich wird eine Transformation zu nachhaltigen Produktions- und Konsummustern aber nur funktionieren, wenn alle - Firmen wie Konsumenten - mitgenommen werden. Auf der Ebene der internationalen Handelspolitik, etwa im Rahmen von Freihandelsabkommen, sieht Governance-Forscher Newig durchaus Möglichkeiten, Nachhaltigkeitsklauseln unterzubringen, wenn man wollte. Allerdings sieht er auch die Gefahr, dass die Industriestaaten hier als neokolonialistisch bewertet würden, wenn sie Entwicklungsländern Produktionsmethoden aufzwingen. Von daher sei aus seiner Sicht die Welthandelsorganisation WTO der geeignetste Rahmen.


Neue CBD-Biodiversitätsziele sehen Regelungen zum globalen nachhaltigen Handel vor

Um nachhaltige Produktion weltweit auf die Tagesordnung der WTO zu bekommen, ist es sicherlich hilfreich, wenn sich alle UN-Mitgliedstaaten schon einmal im Rahmen der CBD auf solch ein gemeinsames Ziel geeinigt haben. Das wird auch kommen. Im aktuellen Entwurf für die neuen Biodiversitätsziele, dem sogenannten Zero-Draft, der bei der COP-15 in Kunming diskutiert und verabschiedet werden soll, setzen sich die Mitgliedstaaten das Ziel 14:

„Wirtschaftssektoren in Richtung nachhaltiger Praktiken zu reformieren, auch entlang ihrer nationalen und transnationalen Lieferketten, und bis 2030 eine Reduzierung der negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt um mindestens [50 %] zu erreichen.“

Die Weltnaturschutzunion IUCN kritisiert an dieser Formulierung zum einen, dass nicht alle Auswirkungen vermieden werden sollen und das Startdatum im Unklaren bliebe. Außerdem müsse dort, wo Schäden unausweichlich seien, eine Kompensierung verlangt werden. Sie schlägt entsprechend folgende Umformulierung vor:

"Ab 2020 Reform der Wirtschaftssektoren in Richtung nachhaltiger Praktiken, auch entlang ihrer nationalen und transnationalen Lieferketten, mit dem Ziel, bis 2030 alle negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu stoppen.“

‘Business for Nature’, eine globale Vereinigung von Wirtschafts- und Naturschutzorganisationen sowie zukunftsorientierten Unternehmen, empfiehlt eine stärkere Ansprache des produktiven Sektors, um diesen stärker in den Umsetzungsprozess einzubinden. Die Initiative schlägt entsprechend folgende Formulierung für Ziel 14 vor:

„Bis 2030 sollte eine Reduzierung der negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt um mindestens [50 %] erreicht werden, indem sichergestellt wird, dass die Produktionspraktiken und Lieferketten nachhaltig sind, u. a. durch die Entwicklung und Umsetzung nationaler, regionaler und globaler Aktionspläne für alle produktiven Sektoren und ihre nationalen und transnationalen Lieferketten, um den Übergang zu einer nachhaltigen, gerechten und naturfreundlichen Wirtschaft zu schaffen, die den Wert der biologischen Vielfalt internalisiert.“

„Die Umsetzung der Ziele und Maßnahmen der Strategie kann jedoch nicht durch Zwang erreicht werden. Sie hängt in hohem Maße davon ab, die verschiedenen Akteure von der Dringlichkeit der Zielerreichung und der Umsetzung der Maßnahmen zu überzeugen“, schreibt die Bundesregierung in ihrem 5. Nationalen Bericht zur Umsetzung der CBD-Beschlüsse von 2014.

Agrarfläche - Soja Anbau
Die Mitgliedsstaatenkonferenz der CBD (hier 2018) beschließt voraussichtlich im Oktober neue Ziele zum Schutz der biologischen Vielfalt bis 2030. Die Fernwirkung des Handels und Konsums auf Lebensräume in anderen Regionen der Welt (Telecoupling) muss hier dringend berücksichtigt werden. Bild: IISD/ENB | Franz Dejon

Allerdings scheint die Überzeugungsarbeit der Bundesregierung bisher nicht besonders vorangekommen zu sein. „Seit Jahren spricht man in der Biodiversitätspolitik von „Mainstreaming”, was bedeutet, dass der Naturschutz als gemeinsames Ziel aller beteiligten Politikressorts etabliert werden muss”, sagt Yves Zinngrebe. „Bisher ist der Biodiversitätsschutz nach wie vor Sache der Umweltressorts. Die anderen Ressorts wie etwa das Finanz- oder Wirtschaftsministerium kommen höchstens dann ins Spiel wenn es heißt: „Was kostet dieser Schutz”? Und dann wird Geld zur Verfügung gestellt, während man an anderer Stelle mit wesentlich mehr Geld das Gegenteil fördert."


Nachhaltige Produktionsziele bei gegenteiliger Förderpraxis werden nicht funktionieren

So stellte die Bundesregierung laut Umweltbundesamt 2012 allein für Subventionen im Verkehrs- und Energiesektor 57 Milliarde Euro zur Verfügung. Förderungen für Land- und Forstwirtschaft wurden hier nicht berücksichtigt, da sie schwer zu erfassen seien. Dazu kommen weitere Förderungen aus den Bundesländern.

Diese Praxis abzuschaffen, war bereits 2010 als AICHI-Ziel 3 formuliert worden, gehört aber zu den am wenigsten umgesetzten CBD-Zielen. In ihrem Bericht zur Umsetzung der Ziele (Global Biodiversity Outlook 5) von 2020 schreibt die CBD, nur wenige Länder hätten überhaupt damit angefangen, zu untersuchen, welche Subventionen dies beträfe.
Im aktuellen Entwurf der CBD wurde dieses Ziel als Ziel 17 wieder aufgegriffen:

„Bis 2030 die für die Biodiversität schädlichen Anreize umleiten, umfunktionieren, reformieren oder abschaffen, einschließlich [X%] Reduzierung der schädlichsten Subventionen, um sicherzustellen, dass Anreize aus öffentlicher und privatwirtschaftlicher Hand entweder positiv oder neutral für die Biodiversität sind.“

„Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg von Ziel 17 ist allerdings, was ein Konsumland als nicht-nachhaltig betrachtet”, sagt Yves Zinngrebe. Das beeinflusse dann entsprechend die Normen im Produktionsland. Entsprechend wichtig sei in diesem Zusammenhang auch Ziel 15 das im aktuellen Zero-Draft zu nachhaltigen Konsummustern aufruft:

Ziel 15. Bis 2030 nicht nachhaltige Konsummuster beseitigen und sicherstellen, dass die Menschen überall den Wert der biologischen Vielfalt verstehen und schätzen, verantwortungsvolle Entscheidungen treffen, die der Vision der biologischen Vielfalt 2050 entsprechen, unter Berücksichtigung der individuellen und nationalen kulturellen und sozioökonomischen Bedingungen.

In der Vorbereitungsveranstaltung des Bundesumweltministeriums zur COP-15 am 17. Juni sagte Kanzlerin Angela Merkel: Dass Deutschland sich zuletzt neuen Biodiversitätszielen verschrieben habe, liege ihr persönlich sehr am Herzen. Deshalb stelle die Bundesregierung seit mehreren Jahren jährlich 500 Millionen Euro für den globalen Schutz der biologischen Vielfalt zur Verfügung. Die Finanzierung des Naturschutzes ist wichtig, gerade wenn es um das Management von Schutzgebieten geht. Ohne verbindliche Standards gegenüber den Hauptakteuren bei der Nutzung der biologischen Ressourcen zu setzen, wird der rasante Verlust der intakten Ökosysteme jedoch nicht zu stoppen sein. Auch nicht bis 2050.