Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

UFZ-Newsletter Februar 2014

8 UFZ-Newsletter | Februar 2014 Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ talen Lebensfragen, sondern vielmehr für den Bau von Kernkraftwerken oder Windrädern, für Reproduktionsmedizin oder dafür, wie man Geldmengenpolitik macht. Es bedarf daher einer breiten gesellschaft- lichen Debatte über diese fundamentalen, ethischen Lebensfragen, die mit so vielen politischen Problemstellungen verknüpft sind. Die meisten Wissenschaftler weisen zwar das technokratische Modell der Exper- tenherrschaft explizit zurück. Umso erstaun- licher ist aber, wie häufig es praktiziert wird und Wissenschaftler ihr gesellschaftliches Mandat durch ihre angeblich alternativlosen politischen Handlungsempfehlungen gehörig überschreiten. Wissenschaftler sind eben auch nur Menschen, die sich freuen, wenn ihnen zugehört wird – vor allem von poli- tischen Entscheidungsträgern. Was ist dann die alternative? Max Weber hat ein Modell vorgeschlagen, bei dem Werte und Fakten klar getrennt werden. Öffentlichkeit und Politik sind dabei für die Werte – also die gesellschaftlichen Ziele – zuständig, die Wissenschaft dafür, in werturteilsfreier Weise die besten Mittel zu identifizieren, um diese gegebenen Zwecke zu erreichen. Er nannte das die „Zweck- Mittel-Rationalität“. Der Schwachpunkt an diesem dezisionistischen Modell ist, dass man Werturteile und Fakten nicht so einfach trennen kann. Zwar ist in unserer Kultur die Ansicht tief verankert, dass Werte etwas Subjektives und Fakten etwas Objektives ob Klimawandel oder energiewen- de – wenn politische entscheidungen getroffen werden müssen, ist wissen- schaftliche Politikberatung gefragt. Was verstehen sie darunter? Eine Definition wissenschaftlicher Politik- beratung ist schwierig, da es so viele verschiedene Formen gibt. Dass Politiker in vielfacher Weise auf wissenschaftliche Expertise zurückgreifen und Wissenschaftler Politikberatung anbieten, ist ein Phänomen der Moderne – und äußerst problematisch, wie bereits der Soziologe und Ökonom Max Weber (1864-1920) erkannte. Er war der Auffassung, dass durch den Aufstieg der Experten ein Ungleichgewicht zwischen der Exekutive und dem Parlament entsteht. Ex- perten haben mit ihren Ratschlägen großen Einfluss auf politische Entscheidungen und Implementierungsstrategien des Regie- rungsapparats. Dadurch hat jedoch das Parlament – und somit das Volk – keine ech- ten Entscheidungsmöglichkeiten mehr. Max Weber sprach sogar von einer Herrschaft der Experten. Denn die Experten entschei- den mit ihren Politikvorschlägen, etwa zum großskaligen Einsatz neuer Technologien, teilweise auch über damit zusammenhän- gende, fundamentale Fragen der Lebensge- staltung von Gesellschaften. Diese Macht der Experten könne, so Weber, schnell in ein „stahlhartes Gehäuse der Hörigkeit“ und folglich in eine Bevormundung der Gesell- schaft führen. Dabei sind Wissenschaftler gar keine Experten für solche fundamen- seien. Aber ist das wirklich so? Was passiert denn beispielsweise, wenn man zwischen alternativen wissenschaftlichen Theorien wählen muss? Sind dann die Fakten alleine ausschlaggebend? Nein, denn Theorien sind durch die empirischen Fakten immer unterbestimmt; eine Entscheidung für eine bestimmte wissenschaftliche Theorie setzt zusätzlich die Annahme bestimmter episte- mischer Werte wie etwa Kohärenz, Konsis- tenz oder die Einfachheit und Schönheit einer Theorie voraus. Diese Werte gelten aber zumeist als objektiv, keinesfalls als bloß subjektive Geschmacksurteile. Zudem impliziert Wissenschaft – selbst wenn es nur um die Beschreibung eines Sachver- haltes geht – oft auch ethische Werturteile. Man denke an ökonomische Begriffe wie „Wachstum“, „Wohlfahrt“ oder „Kosten“. Der US-amerikanische Philosoph John Dewey (1859-1952) hat die Wissenschaftswelt da- her mit der These provoziert: „Ohne Werte keine Fakten.“ Werturteile sind Vorausset- zung für die Feststellung von Fakten. Dies hat fundamentale Konsequenzen. Erstens: Auch das dezisionistische Modell mit seiner scheinbaren Trennung von Fakten und Wer- ten ist als Leitbild der Politikberatung daher nicht brauchbar. Zweitens: Damit verbunden ist, dass Ziele und Mittel nicht so einfach auseinandergerissen werden können. Ein Beispiel: Einige Wissenschaftler empfah- len als vernünftige Zielmarke für globalen Klimaschutz das 2-Grad-Ziel. Es folgten viele wissenschaftliche Untersuchungen, wie Der Wirtschaftswissenschaftler Ottmar Edenhofer ist Direktor des Mercator Research Institute on Glo- bal Commons and Climate Change (MCC) in Berlin sowie stellvertretender Direktor und Chef-Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). An der Technischen Universität Berlin ist er Lehrstuhlinhaber für die Ökonomie des Klimawan- dels. Bekannt wurde Ottmar Edenhofer u. a. durch seine Tätigkeit im Weltklimarat IPCC. (Foto: PIK / Phototek) Der wirtschaftswissenschaftler Ottmar Edenhofer ist Direktor des Mercator Research Institute on glo- bal commons and climate change (Mcc) in Berlin sowie stellvertretender Direktor und chef-Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). An der Technischen Universität Berlin ist er Lehrstuhlinhaber für die Ökonomie des Klimawan- dels. Bekannt wurde Ottmar Edenhofer u. a. durch seine Tätigkeit im weltklimarat IPcc. (Foto: PIK / Phototek) „WisseNsChaFtler müsseN lerNeN, laND- KarteN Der PolitiKoPtioNeN ZU ZeiChNeN; PolitiKer müsseN lerNeN, Diese ZU leseN.“

Übersicht