Methoden
Das KgM umfasst ein breites Spektrum an Methoden u. a. zur Probenahme und Analytik von Pflanzenschutzmitteln, zur Quantifizierung von ökologischen Effekten sowie zur Modellierung der Eintragspfade.
Im Kleingewässer-Monitoring wurden in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt 124 Fließgewässerabschnitte verteilt in ganz Deutschland untersucht (s. Karte unten). Kriterien für die Auswahl dieser Gewässer waren
- eine kleine Einzugsgebietsgröße (i.d.R. < 30 km2)
- ein Gradient hinsichtlich der Intensität landwirtschaftlicher Nutzung des Einzugsgebiets mit Fokus auf vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Standorten
- ein möglichst geringer urbaner Einfluss
- der Ausschluss von Punktquellen (z.B. Kläranlagen)
Repräsentativität der Messstellenauswahl
Die als landwirtschaftlichen klassifizierten Messstellen (> 20 % landwirtschaftliche Nutzfläche im Einzugsgebiet) waren durch einen mittleren Anteil von 76 % landwirtschaftlicher Nutzfläche gekennzeichnet. Eine Analyse kleiner, landwirtschaftlicher Einzugsgebiete auf Bundesebene (Einzugsgebietsgröße < 30 km2) ergab im Mittel 66 % landwirtschaftliche Nutzfläche (s. Verteilungskurve oben). Die im Kleingewässermonitoring untersuchten Gewässer weisen demnach einen leicht überdurchschnittlichen Anteil landwirtschaftlich genutzer Fläche auf.
Hierdurch kommt es jedoch zu keiner Verzerrung des beobachteten Belastungszustandes: So konnte bei Hochrechnung der untersuchten Messstellen auf die landwirtschaftliche Nutzfläche entsprechend des Bundesdurchschnitts ein ebenso großer Anteil an Messstellen mit Überschreitungen der behördlichen Grenzwerte ermittelt werden wie auf Basis aller untersuchten Messstellen. Dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis hat seine Ursache in dem ähnlichen Überschreitungsrisiko bei Messstellen mit mittlerem und hohem Anteil landwirtschaftlicher Nutzfläche im Einzugsgebiet (für Details siehe Supporting Informations von Weisner et al. 2021).
Kurzzeitige Belastungspitzen durch Run-Off nach Starkregen werden mittels Ereignis-gesteuerten Probenehmern erfasst. Neben einfachen Flaschen-Sammlern werden erstmals neu konzipierte automatische Probenehmer eingesetzt, die einen Pegelanstieg melden, Proben aktiv nehmen und kühlen.
Die mittlere Belastung über einen längeren Zeitraum wird mittels ChemCatcher® Passivsammlern erfasst. Zusätzlich werden Bachflohkrebse als lebende Passivsammler gesammelt.
Im KgM-Projekt werden ca. 100 PSM-Wirkstoffe und Metabolite analysiert. Die Wirkstoffliste wurde durch Priorisierung nach wirkstoffbezogenen Absatzmengen und unter Berücksichtigung der gängigen Qualitätsnormen JD-UQN, ZHK-UQN und der RAK-Werte zusammengestellt (Wick et al. 2018).
Die folgende Liste gibt einen Überblick über alle untersuchten Pflanzenschutzmittel und Metabolite.
- Wick A, Scharmüller A, Foit K, Maaßen S, Bänsch-Baltruschat B, Lischeid G, Liess M, Schäfer RB, Keller M (2018): Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pestiziden Teil 2 – Konzeption eines repräsentativen Monitorings zur Belastung von Kleingewässern in der Agrar-landschaft, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau.
Target-Analytik
Die Target-Analytik verschiedener Stoffgruppen erfolgt in Abhängigkeit von den Stoffeigenschaften bzw. der Verteilung zwischen Wasser und suspendiertem partikulärem Material. Die polaren bzw. hydrophilen Substanzen werden durch Direktinjektion der erhaltenen Wasserproben mittels LC-HRMS-System (Department Wirkungsorientierte Analytik) sowie durch LC-MS/MS mit MRM-Detektion detektiert (Department Analytik).
Die hydrophoben Substanzen, welche vermutlich nur geringe frei gelöste Konzentrationen aufweisen, werden in den Extrakten des suspendierten partikulären Materials analysiert. Pyrethroide werden dabei in den Extrakten nach Überführung eines Extraktaliquots in Ethylacetat mittels GC-MS/MS und Negative Chemical Ionisation (NCI) gemessen. Mit den entwickelten Methoden sollen nach Möglichkeit hinreichend niedrige Bestimmungsgrenzen erreicht werden, um die Einhaltung der wirkstoffbezogenen Qualitätsnormen (RAK-Werte, JD-UQN und ZHK-UQN) überprüfen zu können.
Non-Target-Analytik
Die oben beschriebene Target-Analytik der ausgewählten PSM-Wirkstoffe wird ergänzt durch eine Non-Target-Analytik. Hintergrund dafür ist, dass in Oberflächengewässern tausende Chemikalien aus verschiedenen anthropogenen, aber auch natürlichen Quellen eingetragen werden, so dass aquatische Ökosysteme zeitlich und räumlich variablen, komplexen Substanzgemischen ausgesetzt sind. Von diesen Substanzgemischen wird im Rahmen der Target-Analytik oft nur ein Bruchteil erfasst und quantifiziert. Mit Hilfe von Ansätzen der Non-Target-Analytik ist es dagegen möglich, simultan einen großen Teil dieser komplexen Stoffmischung zu erfassen (Krauss et al., 2010). Ziele der Non-Target-Analytik der Wasserproben mittels LC-HRMS sind die Erkennung typischer Belastungsmuster für Abflussereignisse sowie die Identifikiation bisher unbekannter Substanzen in diesen Ereignissen. Aus den Ergebnissen lassen sich Chemikalien priorisieren, welche über das PSM-Spektrum der Target-Analytik hinausgehen und die bei erhöhter Relevanz zur Aufnahme in zukünftigen Monitoringprogrammen vorgeschlagen werden können.
Passivsammler
Neben der beschriebenen ereignisbasierten Beprobung und Analytik werden außerdem an allen Messstellen Passivsammler ausgebracht und analysiert (Department Ökologische Chemie, Department Analytik). Die polaren PSM-Wirkstoffe werden durch Chemcatcher erfasst, wobei die im Chemchatcher akkumulierten PSM-Mengen mithilfe von publizierten Sammelraten (Münze et al. 2015, Moschet et al. 2015) auf mittlere Gewässerkonzentrationen und im Abgleich mit den Ereignisproben auf Spitzenkonzentrationen umgerechnet werden können. Fehlende Kalibrierdaten sind auf Basis einer Literaturrecherche bzw. in Laborversuchen zu bestimmen. Für unpolare PSM-Wirkstoffe (Pyrethroide und Organophosphate) werden Sorb-Stars eingesetzt. Beim Sorb-Star ist zusätzlich die Ermittlung von Verteilungskoeffizienten Silikon-Wasser in Laborexperimenten erforderlich.
- Kraus UR, Theobald N, Gunold R, Paschke A (2015): Prüfung und Validierung der Einsatzmöglich¬keiten neuartiger Passivsammler für die Überwachung prioritärer Schadstoffe unter der WRRL, der MSRL und im Rahmen von HELCOM und OSPAR. Texte 25/2015, Umweltbundesamt (Hrsg.), Dessau-Roßlau, ISSN 1862-4804.
- Moschet C, Vermeirssen ELM, Singer H, Stamm C, Hollender J (2015): Evaluation of in-situ calibration of Chemcatcher passive samplers for 322 micropollutants in agricultural and urban effected rivers. Water Research 71, 306-317.
- Münze R, Orlinskiy P, Gunold R, Paschke A, Kaske O, Beketov MA, Hundt M, Bauer C, Schüürmann G, Möder, M and Liess, M (2015): Pesticide impact on aquatic invertebrates identified with Chemcatcher® passive samplers and the SPEARpesticides index. Science of The Total Environment 537, 69-80.
Die Messung von Einzelstoffen mit analytischen Verfahren erfordert eine Vorauswahl an zu untersuchenden Stoffen. Somit wird häufig nicht die gesamte Breite der Umweltbelastung mit organischen Schadstoffen erfasst. Komplementär verwenden wir daher effektbasierte Testverfahren, um die Gesamtheit der organischen Schadstoffbelastung zu ermitteln.
Mit einer SPE- bzw. LVSPE-Extraktion werden zunächst alle organischen Schadstoffe aus einer Probe isoliert und in Testlösungen resuspendiert. Anschließend werden akute Effekte dieser Lösungen mittels Toxizitätstests in vivo an Algen, Daphnien und Fischen gemessen. Durch Fraktionierung der isolierten Schadstoffe und erneute Tests können relevante Schadstoffe identifiziert werden (Effect Directed Analysis). Zusätzlich dienen in vitro Tests mit Reportergenen als Proxy für chronische Effekte und geben Hinweise auf umweltrelevante Wirkmechanismen.
Wir untersuchen Effekte auf die aquatische Lebensgemeinschaft auf verschiedenen biologischen Ebenen.
Der SPEARpesticides Bioindikator quantifiziert den Anteil sensitiver Wirbellosen-Arten und zeigt somit pestizidspezifische Änderungen in der Artengemeinschaft. Die Zusammensetzung des Epiphyton wird ebenso untersucht wie die Gemeinschaft der Destruenten.
AFLP-Marker geben Auskunft über den Einfluss von Pestiziden auf die genetische Diversität von Bachflohkrebsen. Daneben wird die Performanz und Stresstoleranz von Bachflohkrebsen aus belasteten und unbelasteten Standorten verglichen. Blatttaschen offenbaren Effekte auf die biologische Abbaurate.
Zusätzlich werden zahlreiche abiotische Umweltfaktoren untersucht, um bspw. zwischen den Effekten von eingeschwemmten Pestiziden und hydraulischem Stress nach Starkregen zu differenzieren.
Physikochemische Parameter wie Temperatur, Leitfähigkeit und Sauerstoff werden mit Datenloggern über mehrere Wochen minutengenau erfasst. Die mittlere Strömungsgeschwindigkeit wird durch das Auswaschen von Gipskartuschen erhoben. Desweiteren setzen wir Sonden zur Trübungsmessung ein und testen Schöpfproben auf Schwermetalle. Somit wird ein umfassender Vergleich der Wasserqualität an den Standorten möglich.
Text folgt in Kürze.