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UFZ-Newsletter Juli 2015

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | Juli 2015 3 So waren im Jahr 2002 bis zu zwei Drittel des 29 Quadratkilometer großen Steinhuder Meeres in Niedersachsen zugewachsen. Und 2012 eroberte die Pflanze bereits etliche Seen im Raum Nürnberg. Für den Sprung von einem Gewässer zum nächsten genügen ihr schon ein paar kleine Pflanzenstückchen, die an einem Boot oder im Gefieder eines Wasservogels haften. Aus solchen Ablegern können dann im Handum- drehen ganze Unterwasserwälder sprießen. Raus aus dem Wasser! Für die Tierwelt der betroffenen Gewässer muss das keine schlechte Nachricht sein. Denn in den dichten Wasserpest-Wäldern finden Insekten und Fische gute Kinderstu- ben, und der Tisch für Wasservögel ist reich gedeckt. Außerdem geben die Pflanzen beim Wachsen Sauerstoff ab und nehmen Nährstoffe auf, so dass sie der Überdün- gung eines Gewässers entgegen wirken können. Allerdings hat die Sache gleich mehrere ökologische Haken. Zum einen verdrän- gen die konkurrenzstarken Gewächse aus Übersee einheimische Wasserpflanzen wie Hornblatt, Tausendblatt und verschiedene Laichkräuter. Zum anderen gibt es Prob- leme, wenn solche Massenvorkommen im Herbst absterben. Dann entziehen sie dem Gewässer beim Verfaulen den Sauerstoff und setzen die vorher aufgenommenen Nährstoffe wieder frei. Da sie letztere beim Wachsen nicht nur aus dem Wasser gewon- nen, sondern auch aus dem See-Sediment mobilisiert haben, düngen sie dabei das Gewässer. Und das kann zu einer schlechte- ren Wasserqualität und Sauerstoff- mangel in der Tiefe führen. „Es kann also auch aus öko- logischen Gründen sinnvoll sein, die Wasserpest regelmäßig aus einem See zu entfernen“, sagt Andreas Zehns­ dorf. Denn mit dem Pflanzenmaterial könnte man dem Gewässer auch die darin enthaltenen Nähr- stoffe, vor allem Stickstoff und Phosphor entziehen. Wie effektiv eine solche Maß- nahme für überdüngte Seen ist, wollen die Wissenschaftler jetzt untersuchen. Klar ist, dass man ohne Mäh-Aktionen bisher wenig gegen den wuchernden Neuankömmling ausrichten kann – der Einsatz von Herbizi- den ist in deutschen Gewässern untersagt, und natürliche Fressfeinde dezimieren die Bestände nur marginal. Bei der derzeit verwendeten Mähtechnik sehen die Forscher allerdings noch Verbesserungsmöglichkeiten. Denn die Ernteboote, die bisher im Einsatz sind, haben alle das gleiche Problem: Die ab- geschnittenen Pflanzen treiben zunächst im Wasser und werden dann wieder eingesam- melt. „Bei einer Pflanzenart, die aus winzigen Fragmenten neu heranwachsen kann, hat das natürlich erhebliche Nachteile“, erklärt Andreas Zehnsdorf. Gemeinsam mit Exper- ten der Technischen Universität Dresden und der Universität Duisburg-Essen haben er und seine Kollegen daher Pläne für ein Spezial- boot entwickelt. Dieses kann die Gewächse über dem Seegrund abschneiden und direkt an Bord holen. Von dort aus soll das Mähgut dann auf Transportboote verladen und zum Ufer geschafft werden. Was wächst wo? Gewässer, in denen diese neue Technik zum Einsatz kommen könnte, gibt es in Deutsch- land genug. Wie viel des grünen Rohstoffs sich dort ernten ließe, ist derzeit allerdings schwer abzuschätzen. Eine genaue Bestands- aufnahme haben die Seenforscher des UFZ in Magdeburg um Dr. Helmut Rönicke vor einigen Jahren an einem gut 13 Quadratkilometer großen Tagebausee, der Goitzsche bei Bitterfeld, gemacht. Auf festgelegten Strecken haben Taucher dazu Quadratmeter um Quadratmeter unter die Lupe genommen und die Pflanzen- Mengen hochgerechnet. Allein in diesem See wuchsen demnach im Jahr 2004 auf einer Fläche von knapp vier Quadratkilome- tern und bis in fünf Meter Wassertiefe rund 26.000 Tonnen Wasserpest. „Solche detaillierten Berechnungen gibt es für andere deutsche Gewässer nicht“, sagt Andreas Zehnsdorf. Doch die Massenent- wicklungen sind vielerorts nicht zu überse- hen. Und ihre Beseitigung ist teuer. In ganz Deutschland hat die Mahd und Entsorgung von Wasserpflanzen aus naturfernen Fließ- gewässern schon im Jahr 2008 geschätzte 100 Millionen Euro gekostet. Die Seen waren in dieser Rechnung noch gar nicht berück- sichtigt. „Und inzwischen dürfte die Summe noch gestiegen sein, weil sich die Neophyten immer weiter ausbreiten“, meint Andreas Zehnsdorf. Er und seine Kollegen sind gerade dabei, genauere Informationen über das Wasser- pflanzenaufkommen in deutschen Seen und Flüssen zu ermitteln. Dazu haben sie Anfang des Jahres eine Umfrage bei mehr als 800 Seenbetreibern, Verbänden und Behörden gestartet, die sehr großes Interesse an einer sinnvollen Lösung des Problems erken- nen lässt. Per Fragebogen erfassen sie, in welchen Gewässern Mähboote im Einsatz sind, wie oft diese ausrücken, gegen welche Pflanzenarten sie vorgehen, zu welchen Jah- reszeiten welche Mengen Material anfallen und was bisher damit geschieht. Kosmetik und Biogas Etliche verschiedene Nutzungsmöglichkeiten für das Pflanzenmaterial hat das Team der- weil bereits untersucht. „Elodea von hoher Qualität ist zum Beispiel für die Produktion von Naturkosmetik interessant“, sagt Andre- as Zehnsdorf. Immerhin enthält die Wasser- pflanze reichlich hautpfle- gende Substanzen wie das Blatt- grün Elodea-Biomasse enthält die Vitamine E, C, K und B, Chlorophyll und Spurenelemente. Deshalb ist sie als Rohstoff für Naturkosmetik attraktiv. Eine in Zusammenarbeit mit der Leipziger Beti Lue Salbenmanufaktur entwickelte Tagescreme ist inzwischen marktreif. (Foto: André Künzelmann/UFZ) Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | Juli 20153

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