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UFZ-Newsletter Oktober 2016

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | Oktober 2016 3 in Wisconsin dagegen erlebte 1993 einen Alptraum. Der gefährliche Darmparasit Cryptosporidium parvum gelangte durch ein Leck im Filtersystem der Kläranlagen ins Trinkwassersystem. 400 000 Menschen kämpften tagelang mit Durchfall, Fieber und Bauchkrämpfen, 70 starben.  Auch wenn dieses Szenario nur sehr selten passiert: Es kommt vor – lokal und punk- tuell. Denn schon wenige Krankheitskeime im Trinkwasser können ausreichen, um beim Menschen eine Infektion auszulösen. Deshalb liegt laut Trinkwasserverordnung der Zielwert bei null koloniebildenden Einheiten (0 KBE) in 100 ml Trinkwasser. Mögliche Keime überhaupt zu finden, ist nicht einfach. Der klassische Nachweis – Kultivierung Der klassische Weg, Krankheitserreger im Wasser nachzuweisen, ist die Kultivierung. Die Prozedur ist aufwendig: An bestimmten Stellen werden Wasserproben entnommen. Diese werden dann im Labor auf verschiede- ne Nährmedien in Petrischalen aufgetragen und in einen Inkubator gestellt. Dann heißt es warten. Es vergehen mindestens 18 Stun­ den, bis sich eine sichtbare Erregerkultur entwickelt hat. Viel Zeit, in der viel Trinkwas- ser durch die Leitungen fließt. Zu viel Zeit, um rechtzeitig angemessen zu reagieren, die Bevölkerung zu informieren und Abhilfemaß- nahmen einzuleiten. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor kommt dazu: Je nach Größe eines Wasserbetriebs ist nur eine gewisse Anzahl an mikrobiologischen Routine-Untersuchungen im Jahr vorgeschrie- ben. Werden in einem Gebiet etwa täglich bis zu 1.000 Kubikmeter Trinkwasser – ge- nug für mehr als 8.000 Menschen – produ- ziert, muss der Wasserversorger jährlich vier Routine-Untersuchungen durchführen. Dabei wird aber nur auf drei Indikator-Bakterien – das bereits erwähnte Escherichia coli, En- terococcus faecalis und Pseudomonas aeru- ginosa – geprüft. Ob sich in der Probe noch andere Bakterien, Viren oder auch Protozo- en befinden, bleibt somit offen. „In der Regel sagt man, dass diese Tests ausreichen, um eine mikrobiologische Kontamination des Wassers nachzuweisen oder auszuschlie- ßen“, sagt Dr. Daniel Karthe, der das Projekt EDIT am UFZ koordiniert. „Wenn sich aber andere Erreger als die Indikatororganismen im Wasser befinden, werden sie durch die Routine-Tests nicht erkannt. Insofern wiegen wir uns da in einer falschen Sicherheit.“ Negative bakteriologische Befunde sind also keine Nachweise für Virenfreiheit. Und Untersuchungen auf pathogene Viren finden in Deutschland so gut wie nicht statt. Der neue Ansatz – Hygiene-Online- Monitoring Für ihren neuen Ansatz, Bakterien und Viren im Trinkwasser zu überwachen, benötigen die Wissenschaftler im Normalfall zunächst etwa einen Kubikmeter Wasser, also 1.000 Liter. Es bedarf dieser großen Wasser- mengen, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten. Denn: Schon wenige pathogene Mikroorganismen oder Viren im Wasser können gesundheitsgefährdend sein. Schritt 1: Die 1.000 Liter Wasser werden von einer CUF-Einheit – einer Cross-Flow- Ultrafiltration – auf 20 Liter konzentriert. „Das kann man sich wie einen Filter vorstel- len, durch den das Wasser durchfließt. Nur dass wir am Ende nicht das Filtrat, also das gefilterte Wasser, untersuchen wollen, sondern die Rückstände am Filter“, erklärt Karthe. Schließlich wollen die Forscher mög- liche Bakterien, Keime oder Viren nachwei- sen. Mit weiteren Filtrationsverfahren wird das Wasser immer weiter konzentriert. Bis zu einem Volumen von einem Milliliter dau- ert es 90 bis 105 Minuten – je nachdem, ob es sich um Trink- oder Rohwasser handelt. Schritt 2: Da selbst ein Milliliter für die später eingesetzte molekularbiologische Nachweismethode noch viel zu viel ist, re- duzieren die Forscher das Volumen nun bis auf etwa fünf Mikroliter und extrahieren die Nukleinsäuren der Pathogene aus dem Pro- benkonzentrat. „Unser Ziel ist, dass wir die Konzentration der potenziell vorhandenen EDIT Gemeldete Ereignisse mikrobiologischer Kontamination bei größeren Trinkwasser- versorgern im Jahr 2010 Berücksichtigt sind Wasserversorger, die mehr als 5000 Einwohner beliefern oder mehr als 1000 m³ pro Tag für den menschlichen Gebrauch liefern. Durch kleinere Versorger bediente Gebiete sind weiß dargestellt, da sie statistisch nicht erfasst wurden. Kartographie: Niklas Rehkopp, Daniel Karthe Datengrundlage: BMG & UBA 2011 km 0 400 200 100 0 1 bis 2 3 bis 5 6 bis 10 11 bis 15 16 bis 20 21 bis 25 26 bis 50 über 50 EDIT heißt ausgeschrieben „Entwick- lung und Implementierung eines Anrei- cherungs- und Detektionssystems für das Inline-Monitoring von wasserbürti- gen Pathogenen in Trink- und Rohwas- ser“. Dr. Daniel Karthe, Geograf und Ge- wässerforscher am UFZ in Magdeburg, leitet das Projekt, das seit 2013 mit drei Millionen Euro vom Bundesministe- rium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wird. Es ist Teil der Förder- maßnahme INIS, mit der das BMBF „In- telligente und multifunktionelle Infra- struktursysteme für eine zukunftsfähige Wasserversorgung und Abwasserent- sorgung (INIS)“ schaffen will. Daniel Karthe und seine Kollegen aus München, Freiburg, Karlsruhe, Darm- stadt, Senftenberg und Ilmenau haben mit EDIT neue Geräte und Verfahren entwickelt, mit denen zukünftig konti- nuierlich und zuverlässig die Trinkwas- serhygiene überwacht und schneller als bisher Krankheitskeime erkannt werden können. Sie setzen auf molekularbiolo- gische Methoden aus der Medizin. Weitere Informationen: www.ufz.de/index.php?de=40108 Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | Oktober 20163 0400

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