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UFZ-Newsletter Maerz 2015

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | März 2015 7 Prof. Dr. Dietrich Borchardt leitet das Department „Aquatische Ökosystem- analyse“ am UFZ-Standort in Magde- burg, ist Inhaber einer gleichnamigen Professur an der TU Dresden und Sprecher des UFZ-Programm-Topics “Nachhaltiges Management von Wasserressourcen”. Seine Forschungs- schwerpunkte sind ökologische Wir- kungszusammenhänge in Gewässern, Modellierung sowie Integriertes Wasser- ressourcenmanagement (IWRM). e-mail: dietrich.borchardt@ufz.de Wo stehen wir im Gewässerschutz, fünfzehn Jahre nach Inkraft- treten der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie? Sie war mit dem ambitionierten Ziel gestartet, alle Oberflächengewässer und das Grundwasser bis 2015 in einen „guten Zustand“ zu bringen. Die Bilanz vor dem ersten Bewirtschaftungsplan für Deutschland 2010 sah wie folgt aus: Von den rund 9.900 Ober- flächengewässern erreichten nur etwa 10 Prozent dieses Ziel, je ein Drittel wurde ökologisch als „mäßig“ oder „unbefriedigend“ und immerhin ein Viertel als „schlecht“ bewertet. Bei den rund 1.000 Grundwasserkörpern war das Bild positiver: 96 Prozent erreichten den „guten mengenmäßigen Zustand“ und rund zwei Drittel den „guten chemischen Zustand“. Und heute, fünf Jahre später? Die erwarteten Verbesserungen sind marginal: Nur bei zusätzlichen 8,5 Prozent der Oberflächengewässer und zwei Prozent der Grundwasserkörper wird ein „guter Zustand“ erwartet. Mit anderen Worten: „Ausnahmen“ und defizitäre Gewässerzustände auf breiter Front sind die Regel. Warum sind wir so weit von den Zielen entfernt? Wir haben weniger denn je ein Wissensdefizit über den Gewässerzustand, sondern vor allem ein Handlungs- und Umsetzungsdefizit. Bereits nach der Bestandsaufnahme 2004 war klar, dass die Ziele für einen Großteil der Gewässer ohne weitere Maßnahmen bis 2015 nicht erreicht würden. Handlungsfelder waren und sind offensichtlich: der Ausbauzustand der Gewässer mit viel zu kleinen, fragmentierten Gewässerkorridoren; die viel zu hohen Nährstoffbelastungen und die Bodenerosion; die Staure- gulierungen für Wasserkraftnutzungen und Schifffahrt ohne ökologische Abflussdynamisierung; die fehlende Durchgängig- keit für die aquatische Fauna; der oftmals stark eingeschränkte Geschiebetransport sowie nach wie vor zu hohe Schadstoffbe- lastungen in bestimmten Gebieten. Wo wurden die Hausaufgaben nicht gemacht? Die Schlüssel- maßnahmen umfassen eine Reduzierung des Nährstoffeintrags durch die Landwirtschaft, die Verbesserung des hydromorpho- logischen Zustands von Gewässern und der linearen Durch­ gängigkeit sowie den Bau bzw. die Nachrüstung von Kläran- lagen. Es sind also viele Akteure gefragt. Ein Blick auf den Umsetzungsstand der Maßnahmen offenbart: Nur 18 Prozent der Maßnahmen sind abgeschlossen, hingegen 48 Prozent noch in Planung und 27 Prozent noch nicht einmal begonnen. Als Hauptschwierigkeiten haben sich mangelnde finanzielle und personelle Ressourcen, mangelnde Akzeptanz der Maßnahmen und Probleme bei der Flächenbereitstellung erwiesen. Was muss getan werden, um die Ziele bis zum Ende der mög- lichen Fristverlängerung 2027 noch zu erreichen? Im Verwal- tungsvollzug müssen die Synergien mit anderen Handlungsfel- dern, insbesondere dem Hochwasser-Risikomanagement, dem Naturschutz, dem Meeresschutz und der Klimaanpassung sehr viel stärker genutzt werden. Außerdem gilt es, Fehlentwicklun- gen in der Land- und Energienutzung konsequent entgegen zu wirken. So wurde der Flächennutzungsdruck durch den Anbau von Energiepflanzen erheblich verstärkt. Bei den Nährstoffbi- lanzen wurden zudem die Gärrückstände aus der Biogasgewin- nung schlichtweg vergessen, so dass diese heute unkontrolliert auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht werden – mit der Folge, dass in einigen Flussgebieten die Nitratgehalte wieder ansteigen. Mit der Erkenntnis, dass die freiwilligen Maßnah- men zur Reduzierung der Nährstoffüberschüsse in der Land- wirtschaft für die Ziele des Gewässerschutzes nicht ausreichen, müssen endlich Strategien mit wirksameren ökonomischen und rechtlichen Instrumenten entwickelt und umgesetzt werden. Eine wichtige Erkenntnis aus den letzten Jahren ist, dass nur unter Einbeziehung aller Beteiligten nachhaltige Lösungen erar- beitet werden können. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit, etwa über die Auslegung von Planungen, Anhörungen oder Runde Tische ist wünschenswert, braucht jedoch ein klares Mandat und eine professionelle Vorbereitung und Durchführung, um nicht zum Spielball von Interessengruppen oder der Politik zu werden. Und die Wissenschaft? Mehr denn je ist eine integrierte Umwelt­forschung gefordert, um das vorhandene Orientierungs- und Umsetzungsdefizit zu überwinden. Wesentliche Heraus- forderungen sind bessere Umweltindikatoren für gesunde Gewässer und deren Ökosystemleistungen, das Aufklären von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen für multiple Stressoren und Kompartiment übergreifende Wasser- und Stoffflüsse. Mehr denn je sind Antworten gefragt nach den Prioritäten von Maßnahmen, nach deren Kosteneffizienz und wirksameren ökonomischen und rechtlichen Instrumenten. Foto:AndréKünzelmann,UFZ Standpunkt: Europas Gewässer in „gutem Zustand“ – ein realistisches Ziel oder zum Scheitern verurteilt? Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | März 20157

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