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UFZ-Newsletter Dezember 2013

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | Dezember 2013 7 Nachwuchswissenschaftlerin: dr. Annelie Wendeberg dept. Umweltmikrobiologie e-mail: annelie.wendeberg@ufz.de Leuna interessant, immerhin gibt es allein in Europa rund 20.000 solcher Schadensfälle“, so Annelie Wendeberg. Das Forscherteam besteht aus sechs Mit- arbeitern am UFZ und aus Kollegen an der schwedischen Universität Uppsala. Die Fragen, die es stellt, betreffen vor allem die Geschwindigkeit, mit der die Mikroben das Petroleum in unschädliche Stoffe umwan- deln. Um diesen Prozess möglicherweise zu beschleunigen, muss man alles über dessen Akteure wissen: Wie viele Organismen be- völkern welche Bodenschicht? Wie sieht ihr Erbgut aus? Was regt ihren Stoffwechsel an, was bremst ihn? Inwieweit sind sie manipu- lierbar? Um dies zu ermitteln, entnehmen die Forscher in drei bis neun Metern Tiefe einen Bohrkern. Dieser wird unter Sauer- stoffausschluss vor Ort scheibchenweise vermessen und aufgeteilt, dann am UFZ auf Mikroorganismen untersucht. „Davon ausgehend, dass der durch die Kontaminati- on herrschende Sauerstoffmangel im Boden die biochemischen Abläufe verlangsamt“, erläutert Annelie Wendeberg, „müssen wir einen Weg finden, den Mikroorganismen mehr Sauerstoff anzubieten. Das einfache Hineinblasen von Luft funktioniert nicht. Wir versuchen es etwa mit künstlichen Grund- wasserschwankungen, durch die wir errei- chen können, dass die in der Kapillarzone eingeschlossenen Luftbläschen zyklisch mit den Schadstoff abbauenden Bakterien in Berührung kommen.“ Wenn Annelie Wendeberg über diese Unter- suchungen spricht, wenn sie die Gelände- karte mit dem Beprobungspunkten oder die Geräte ihres Labors erklärt, dann erscheint klar – sie ist hundertprozentig Forscherin. Kennen Sie die Story, in welcher der Wolf dem rotkäppchen das Klopapier klaut, weil er Durchfall hat? Können Sie auch nicht kennen, denn der Ärmste lebt und leidet in den Gute-Nacht-Geschichten, die Annelie Wendeberg ihren beiden Kindern erzählt. Sherlock Holmes kennen Sie natürlich. Aber haben Sie schon gelesen, wie der als einziger entdeckte, dass der zum Fundort einer Choleraleiche beorderte Bakteriologe Dr. Kronberg eine verkleidete junge Frau ist? Vermutlich nicht, denn der roman „The Devil‘s Grin“, in dem das alles passiert, ist bislang noch ein E-Book Geheimtipp. Es sei denn, Sie kennen Dr. Annelie Wendeberg und wissen um deren nächtliche reisen in die stinkenden Kanäle des Victorianischen London. Genaugenommen ist das für die Umweltmikrobiologin keine fremde Welt. Auch bei ihrer täglichen Forschungsarbeit geht es nicht um Veilchenduft. Sie unter- sucht mit der von ihr geleiteten Helmholtz- Hochschul-Nachwuchsgruppe „Mikrobielle Ökosystem Services“ den Boden von Leuna. Mit dem Bau der raffinerie vor rund 80 Jahren und vor allem nach deren Bombardie- rung im zweiten Weltkrieg waren Tausen- de Tonnen Schadstoffe, hauptsächlich Petroleum, in den Boden eingedrungen und hatten die natürliche Gemeinschaft von Mi- kroorganismen vollkommen verändert. Die meisten Arten wurden von der Wucht der für sie giftigen Substanzen ausgerottet. Einige überlebten das Desaster nicht nur, sondern entdeckten Petroleum als ihre Leibspeise. „Dort setzt unsere Arbeit an. Wir untersu- chen zurzeit hauptsächlich die Mikroorga- nismen, die Schadstoffe in Grundwasserö- kosystemen abbauen. Das ist nicht nur für Eine, die noch viel vorhat: Ab 2015 steigt sie in die tiefe Biosphärenforschung ein, ergrün- det die Erde 500 und mehr Meter unter der Oberfläche, will zu Fracking und zum Lagern von radioaktivem Material forschen. Aber kaum erzählt sie vom Schreiben, von all den recherchen für das Eintauchen in ferne soziale Umstände, in Wissenschafts- historie, dann ist klar – sie ist hundertpro- zentig Schriftstellerin. Und auch die hat noch viel vor: Die deutsche Übersetzung von „The Devil‘s Grin“, Teufelsgrinsen, kommt im Februar auf den Markt. Und ihre romanhel- din wird in weiteren Fällen ermitteln. Also zweimal hundertprozentig? Wie geht das? Annelie Wendeberg lehnt sich zurück, schlingt ihre langen Haare um die Hand und lässt sie wieder auf die Schultern fallen. „Tags arbeite ich hier und nachts schreibe ich“, erklärt sie ihre scheinbar problemlose Zeiteinteilung. Einen Konflikt zwischen For- schung und Dichtung sieht sie keinesfalls. „Die Wissenschaftler erwarten, dass sich alle anderen für ihre Arbeit interessieren. Aber warum sollten die? Wir müssen selber auf die Leute zugehen und spannende Geschichten erzählen“, so das leidenschaft- liche Plädoyer der Autorin. „Das kann ein Krimi sein, aber eigentlich beginnt es doch schon damit, dass man das eigene Tun in verständlichen Worten erklärt.“ Und auch das tut sie, etwa in ihrem Blog SCIENCEZEST bei SciLogs. Marlis Heinz Sie lebt in zwei welten – aber in jeder hundertprozentig: die Umwelt-Mikro- biologin Dr. Annelie wendeberg. (Foto: André Künzelmann, UFZ) U F Z - N A c h W U c h S W i S S E N S c h A F T l E r i N UNd NAchTS iN loNdoNS STiNKENdEN KANälEN

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