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UFZ-Newsletter Dezember 2013

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | Dezember 2013 5 hat Global Governance gleichgesetzt mit Kommunismus. Die Teaparties und viele Mil- lionen von Amerikanern glauben das immer noch, denn es fehlt an Aufklärung! Es ist also nicht verwunderlich, dass in vielen Ländern der Welt ein wesentlicher Teil der staatlichen Politik darin besteht, Energie und andere ressourcen so billig wie möglich zu halten. Es fehlt an Beispielen und Erfahrungen mit der machbaren Effizienzsteigerung. Deshalb glaube ich, dass nicht die Länder mit hohem Energieverbrauch neue Technologietrends setzen werden, sondern Länder in Europa und Asien, die schon immer mit Knapp- heiten, rohstoffabhängigkeiten und höheren ressourcenpreisen umgehen mussten. Sie sind überzeugt, dass deutschland mit der Energiewende das richtige tut. Sie plädieren dafür, Energie teurer zu machen. Wie erklären Sie das den Bürgern? Wir brauchen eine Methode der Verteue- rung, die den berechtigten Besorgnissen – besonders der ärmeren Bevölkerungs- schichten – rechnung trägt. Das heißt, wir brauchen einen verlässlichen politischen rahmen, bei dem Produzenten, Händler und Konsumenten, die die Lebensgrundlagen ihrer Enkel nachweislich im Blick haben, einen Vorteil haben, und diejenigen, die den Jetzt-Egoismus (Geiz ist geil) vorziehen, ei- nen Nachteil. Im Kern geht es um ein sozial und wirtschaftlich verträgliches langfristiges Preissignal. Man könnte Preise für Energie und andere relevante rohstoffe in dem Maße teurer machen, wie sich die entspre- chende rohstoffproduktivität im Vorjahr verbessert hat. Gleichzeitig sind sozialpo- litische Kompromisse notwendig, etwa ein langsameres Preistempo für ärmere Bevöl- So gehe es nicht weiter. der Markt allei- ne könne es nicht schaffen. der Zweifel wächst und hat eine neue diskussion über den Sinn von Wachstum und Wohl- stand ausgelöst. Welche richtung nimmt denn nun der Fortschritt? Nach einer relativ vernünftigen Zukunftspla- nung gab es in den letzten dreißig Jahren ei- nen gigantischen Siegeszug der Marktgläu- bigen, bei denen das Jetzt über das Morgen regiert. An das Morgen wird überhaupt nicht gedacht. Die Markgläubigen kämpfen gegen jeden Eingriff des Staates und der öffent- lichen Hand, gegen das Durchsetzen öf- fentlicher Belange, gegen Langfristigkeiten. Das hat sich inzwischen auch in fast allen Ökonomielehrstühlen der Welt durchgesetzt. Doch die Klimasituation und die Erkenntnis, dass Kernenergie als großflächige Lösung ausfällt, zwingen uns, über neue Leitplanken für den Markt nachzudenken. Der Fortschritt soll damit nicht erschwert werden, sondern er soll eine glaubwürdige richtung nehmen. Mein Kandidat für die neue Fortschritts- richtung ist die strategische Erhöhung der ressourcenproduktivität. Können Sie das näher erklären? rein technisch gesehen ist eine Verfünf- fachung der ressourcenproduktivität mach- bar – sei es beim Verkehr, in der Industrie, der Landwirtschaft oder beim Gebäudebau. Es liegt nicht an technischen Barrieren, wenn wir das nicht schaffen. Die Barrieren liegen in der Politik und in Märkten, die die Verschwendung begünstigen. Ich habe sechs Jahre in den USA gelebt und weiß, wie unglaublich festgefügt diese Ideologie – bis auf wenige Ausnahmen – gerade dort ist. Jesse Helms (1921-2008), einer der reaktio- närsten Politiker im Amerikanischen Senat, kerungsschichten oder für althergebrachte traditionelle Unternehmen. Ein solcher sanfter Preispfad wäre mit großen Gewinnen verbunden, weil die knappen Faktoren Ener- gie und Natur produktiver würden. Welche Aufgabe hat die Wissenschaft bei der ökologischen und ökonomischen Wende? Die Verfünffachung unserer ressourcenpro- duktivität ist nicht primär eine wissenschaft- liche Aufgabe. Ich sehe diese primär bei der Ökonomie. Denn wissenschaftlich ist es längst erwiesen, dass man Plusenergiehäu- ser und Elektroautos bauen und Verkehrs- systeme mit geringem Energieverbrauch eta- blieren kann. Dass Landwirtschaft mit einem Fünftel des Wassers funktioniert. Es wird aber nicht gemacht, weil der Markt von einer gnadenlosen Konkurrenz um optimierte kurz- fristige Kosten-Nutzen-relationen beherrscht wird. Mein Ziel ist sehr trivial: Den Nutzen für Europa und die Welt verbessern – zulasten derer, die mit extrem hohen Kosten-Nutzen- relationen das Falsche machen. Und einiges passiert ja bereits: In Deutschland, aber auch in Spanien oder Irland ist der Trend zu erneuerbaren Energien ungebrochen. Der Öko-Trend bei den Nahrungsmitteln wächst. Immer mehr Unternehmen verpflichten sich der Corporate Social responsibility (CSr). Eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft sehe ich bei der Aufklärung. Leider ist unser ebenfalls sehr auf kurzfristigen Erfolg ausge- richtetes Wissenschaftssystem dafür nicht geeignet. Was wir brauchen, sind nicht noch mehr Spezialistentum, Methodenverherrli- chung oder Peer review Veröffentlichungen. Wir brauchen Transdisziplinarität, weil unsere realen Probleme nun einmal nicht disziplinär sind. Das Interview führte Doris Wolst Der vielfach ausgezeichnete Naturwis- senschaftler und Politiker Prof. Dr. Dr. hc. Ernst Ulrich von weizsäcker war von 1991 bis 2000 Präsident des wuppertal Insti- tutes für Klima, Umwelt und Energie. Seit 2012 ist er co-Präsident des club of Rome, co-chair des UNEP International Resource Panel und Ehrenratsmitglied des world Future council. 2010 veröffentlichte er mit einem Autorenteam das Buch „Faktor Fünf: Die Formel für nachhaltiges wachstum“. (Foto: Klaus-Dieter Sonntag) „diE BArriErEN liEgEN iN dEr PoliTiK UNd iN dEN MärKTEN.“

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