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UFZ-Newsletter April 2014

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | April 2014 7 Daten bzw. Studien als auch der Grad ihrer Übereinstimmung mit ein. Am 31. märz wurde Teil ii des iPcc-Be- richts der Öffentlichkeit vorgestellt. Wie wirkt sich denn nun der klimawandel auf terrestrische Ökosysteme aus? Das Kapitel, in dem es um die Folgen des Klimawandels für die terrestrischen Ökosys- teme und Binnengewässer sowie die Anpas- sungsmöglichkeiten für Menschen, Tiere und pflanzen geht, hat 153 Manuskriptseiten. Die lassen sich nicht in drei Sätzen zusam- menfassen. Aber ich will versuchen, einige wichtige Dinge anzureißen. Unter anderem zeigen die Ergebnisse sehr deutlich, dass die Zukunft der terrestrischen Ökosysteme nicht nur vom Klimawandel abhängt, sondern von einer reihe von Faktoren, die miteinander interagieren und deren Bedeutung sich im Verlaufe der Zeit verschiebt. Zum Beispiel können wir mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass momentan – und auch in den nächsten Jahren – nicht das Klima die Hauptbedrohung für unsere Ökosysteme ist, sondern dass vor allem Landnutzung (inklusive isolation und Fragmentierung) und Umweltverschmutzung für den Hauptstress sorgen. Klar ist, der Klimawandel wird diese Situation zunehmend verschärfen und noch viel mehr an Einfluss gewinnen. Was diese Erkenntnis für die Diskussionen um den Ausbau der Biomasseproduktion im Zuge der reduktion von Treibhausgasen bedeutet, wird spannend und bedarf sicher- lich einer sehr ausgewogenen Lösung. Denn würden wir voll auf Biomasse setzen, um CO2 einzusparen, könnten wir vielleicht das Klima leichter in den Griff bekommen, aber die biologische Vielfalt würde so dramatisch schrumpfen, dass wir uns auf diese Weise unserer Lebensgrundlage berauben. Stichwort invasive Arten. Welche rolle spielt der klimawandel bei deren verbrei- tung? Entgegen landläufiger Meinungen kann die invasion gebietsfremder Tier- und pflanzenarten in den meisten Fällen nicht dem Klimawandel zugeschrieben werden, sondern ist in erster Linie der gewachsenen Mobilität der Menschen geschuldet. Erst dann, wenn die Tiere oder pflanzen schon an einen anderen Ort verfrachtet sind, kommen die klimatischen Bedingungen ins Spiel und sorgen für ihr Überleben oder auch ihr Verschwinden. Wir Menschen finden diese „ungewollte“ Artenverbreitung oft problema- tisch, weil sie einheimische Arten verdrängt, uns gesundheitlich beeinträchtigt (Stichwort Ambrosie und Allergien), ökonomische Biodiversität. Über 200 Wissenschaftler aus 35 Ländern waren daran beteiligt. Die ipCC- Arbeitsgruppe ii dagegen erhielt schon beim ersten Entwurf rund 20.000 Kommentare von zirka 560 Gutachtern. Jede regierung der 195 UN-Mitgliedsstaaten sowie hunderte Experten konnten ihre Einschätzung dazu ab- gegeben, ob der Stand der Forschung ange- messen dargestellt ist. Allein in dem Fachge- biet, das unser Kapitel 4 betrifft, erscheinen wöchentlich Dutzende von wissenschaft- lichen Studien. Die größte Gefahr für uns war deshalb, etwas Wichtiges zu übersehen. Der ipCC-Bericht ist eben ein weltumfassendes projekt. Das macht sich auch in der Kommu- nikation bemerkbar. Nicht nur, dass rund um die Uhr Kommentare per Email eintreffen. Auch verschiedenste Wissenschaftskulturen prallen dabei auf einander. ich hätte mir vorher nie vorstellen können, dass wir über die interpretation von Begriffen wie z.B. Kul- turlandschaft so intensiv diskutieren würden. Aus meiner Sicht ist der ipCC-report die größte wissenschaftliche Gemeinschaftsleis- tung derzeit. der iPcc war vor einigen Jahren vor allem in den medien mit Schlagzeilen über einem Zahlendreher und durch die veröffentlichung von internen mails. Wie hat das die Arbeit am 5. Bericht beeinflusst? Eine der Herausforderungen ist ja, dass die publikationen für den Bericht nach der relevanz und eben nicht nur nach dem renommee des Journals ausgewählt werden. Also wird teilweise auch auf reports von Nichtregierungsorganisationen oder ähnliche Dokumente zurückgegriffen, die keinen Gutachterprozess (peer-review) wie wissen- schaftliche publikationen durchlaufen haben. Das kommt daher, dass es zu bestimmten Themen oder regionen keine anderen Quellen gibt. Hier müssen die Aussagen, ihre Quellen und ihre Verlässlichkeit dann beson- ders gründlich gecheckt werden. Die Gefahr, dass sich ein Fehler einschleicht, ist prinzi- piell immer da, wird aber umso geringer, je mehr Augen darauf schauen. im Gegensatz zu einem normalen peer-reviewten paper haben wir beim ipCC aber nicht nur zwei, sondern hunderte von Gutachtern. Auch von einer gewachsenen Angst vor „Leaks“ habe ich als ipCC-Neuling nichts gespürt. Neu war aber auf alle Fälle bei diesem Sachstandsbe- richt, dass extrem großer Wert darauf gelegt wurde, überall anzugeben, für wie zuver- lässig jede Aussage eingeschätzt wird. in diese Bewertung in Form von sogenannten confidence levels flossen dabei jeweils die Anzahl bzw. Qualität der zugrundeliegenden Schäden verursacht oder, wie im Falle der Waschbären, uns einfach nur lästig ist. Vor dem Hintergrund der Klimaverände- rungen würden wir uns die Artenverschie- bung in andere Lebensräume jedoch wün- schen. Nämlich dann, wenn der Klimawandel die Lebensbedingungen von einheimischen Arten so ungünstig beeinflusst, dass sie aus- wandern müssen, um zu überleben. Unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst bei einem mittleren Szenario der Klimawandel schneller ist als das maximale Tempo, bei dem es für viele Gruppen von Organismen noch möglich wäre, sich auszubreiten oder abzuwandern. Arten, die in eher flachen regionen leben, werden aufgrund der zu überwindenden Entfernungen davon besonders betroffen sein, ebenso Arten mit einem niedrigen Verbreitungspotenzial, d.h. vor allem viele pflanzenarten, Amphibienarten und einige kleine Säugetiere. Natürliche Barrieren wie Gebirge oder Flüsse oder von Menschen- hand geschaffene Hindernisse wie Staudäm- me, Autobahnen oder urbane Siedlungen reduzieren die Möglichkeiten für diese Arten weiter, in passendere Klimazonen zu gelan- gen und erhöhen damit das Aussterberisiko. Was kann man dagegen tun? An den natürlichen Barrieren wird man nicht viel ändern können, aber an den mensch- gemachten – zum Beispiel der Zersiedlung entgegensteuern und bei der Landschafts- planung bewusst auf Durchlässigkeit achten. Ebenso könnte man das Management von Flächen so beeinflussen, dass man die ma- kroklimatische Erwärmung mikroklimatisch ausgleicht, etwa durch höhere Bestände in der Vegetation. Über viele solche „kleinen“ lokalen Maßnahmen könnten wir die Zeit gewinnen, die die Arten in die Lage versetzt, nach und nach dem Klimawandel zu folgen. kommen wir noch einmal zu ihnen. könnten Sie sich vorstellen, beim näch- sten iPcc-Bericht wieder mitzuarbeiten? Also, um ehrlich zu sein, ich kann noch nicht sagen, ob ich mich wieder bewerben würde. Jetzt heißt es für mich erst mal durchatmen und sich wieder der normalen Forschung widmen. Fest steht jedoch, dass ich mein Engagement beim ipCC nicht bereue. Denn für jemanden wie mich, dem es großen Spaß macht, Wissenschaftler zusammenzubringen, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen, ist das auf jeden Fall eine tolle Sache – in Sa- chen projektkoordination ist eigentlich kaum noch eine Steigerung möglich. Und natürlich war es eine große Ehre, dabei gewesen zu sein. Das Interview führten Tilo Arnhold und Susanne Hufe

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