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UFZ-Newsletter April 2014

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | April 2014 3 Um das herauszufinden, nutzen die Wissen- schaftler Lysimeter. Das sind eine Art rie- senkübel aus Edelstahl, die an möglichst re- präsentativen Stellen ins Erdreich getrieben werden. Damit stechen die Forscher unge- störte Ausschnitte aus dem jeweiligen Bo- den aus und holen sie an die Oberfläche. Ein solcher Monolith hat typischerweise eine Fläche von einem Quadratmeter und eine Tiefe von zwei Metern, um auch die Wurzel- systeme der pflanzen möglichst vollständig erfassen zu können. Dieser Bodenkosmos im Kleinen wird mit Messtechnik ausge- rüstet und ebenerdig wieder eingegraben. Dann ist er in einer ähnlichen Lage wie ein patient im Krankenhaus: Seine Vitalfunktio- nen werden laufend überwacht. Messgeräte registrieren zum Beispiel seine Temperatur, seinen Wassergehalt und die Konzentration an bestimmten Stoffen wie Nitrat oder Kohlenstoffverbindungen. Die präzisionswaage, auf der das Ganze instal- liert ist, registriert derweil die Wasserbilanz: Jeder regenguss, der im Erdreich versickert, schlägt sich als Gewichtszunahme nieder. Verdunstung von der Oberfläche und Was- serabgabe durch die pflanzen machen den Zylinder dagegen wieder leichter. „Bei einem drei bis vier Tonnen schweren Block können wir Gewichtsunterschiede von zehn Gramm messen“, sagt Hans-Jörg Vogel. Da bleibt so- gar der morgendliche Tau nicht unbemerkt. Und auch das Sickerwasser, das sich auf den Weg in größere Tiefen macht, lässt sich mit einigen technischen Tricks am unteren Ende des Lysimeters erfassen. Per lkW in die Zukunft All diese informationen werden über Han- dynetz oder Glasfaserkabel direkt auf die Computer der Forscher übertragen und dort sofort grafisch umgesetzt. Ungereimtheiten in den Messwerten lassen sich so einfacher erkennen als in umfangreichen Tabellen. Wenn die Daten zum Beispiel auf einen plötzlichen, heftigen Schauer hinweisen, der innerhalb von Sekunden wieder verdunstet, hat die Waage wahrscheinlich keinen echten Niederschlag erfasst. „Dann ist vermutlich eher ein Hase über das Lysimeter gelaufen“, erklärt Hans-Jörg Vogel schmunzelnd. Solche Tücken erkennen er und seine Kolle- gen mittlerweile meist auf Anhieb. Schließ- lich haben sie schon reichlich Erfahrungen gesammelt: in den letzten drei Jahren haben 34 neue Lysimeter-Systeme mit verschie- denen Böden ihre Arbeit für das UFZ auf- genommen und liefern nun viele kleine und große Mosaiksteine, um die Wasserbewe- gungen im Boden besser verstehen und mit Modellen vorhersagen zu können. Ein großes Lysimeter-projekt namens Soil- Can betreiben die Wissenschaftler zum Bei- spiel im rahmen der Forschungsplattform TErENO („TErrestrial ENvironmental Obser- vatories“). Dieses Umweltbeobachtungs- Netzwerk der Helmholtz-Gemeinschaft untersucht unter anderem die Folgen des Klimawandels für den Wasser- und Stoff- haushalt in verschiedenen Böden. Und dazu leisten rund 130 Lysimeter in verschiedenen regionen Deutschlands ihren Beitrag. Einige davon haben die Forscher innerhalb Deutschlands in Gebiete mit anderen Kli- mabedingungen verfrachtet. Zum Beispiel haben sie Bodenmonolithe aus dem Baye- rischen Voralpenland in die deutlich trocke- neren regionen der Eifel oder des Mittel- deutschen Tieflandes gebracht. So können sie mögliche Auswirkungen des Klimawan- dels schon heute untersuchen. „Wir müs- sen nicht warten, bis es in einem Unter- suchungsgebiet tatsächlich wärmer und trockener wird“, erklärt Hans-Jörg Vogel. Stattdessen reist der Bodenblock in eine region, in der schon jetzt die Temperaturen höher klettern und weniger regen fällt. Eine LKW-Fahrt als Zeitreise. von Poren und Pflanzen Wer die Wasserflüsse in einem größeren Gebiet mit Computermodellen beschreiben und vorhersagen will, braucht dazu aller- dings auch informationen über die hydrau- lischen Eigenschaften des Bodens: Wie viel Wasser kann er zum Beispiel aufnehmen und halten? Diese sogenannte Wasserkapa- zität hängt unter anderem von der Struktur der poren und risse ab. Ein grobkörniger Sandboden verhält sich da ganz anders als ein feiner Tonboden, der bei Trockenheit oft risse bekommt. Auch in Sachen Wasserleit- fähigkeit hat jeder Boden seine Eigenheiten, selbst an der gleichen Stelle kann diese in verschiedenen Tiefen ganz unterschiedlich ausfallen. Wie also erfasst man solche Ei- genschaften im Gelände? Auch dabei leisten die Messwerte der Ly- simeter gute Dienste. Dazu müssen die Forscher allerdings ein wenig um die Ecke denken. Wer mit Computermodellen arbei- tet, gibt normalerweise bestimmte Eigen- schaften eines Ökosystems und randbedin- gungen wie Temperatur, Niederschlag und Wind ein. Daraus lässt sich dann errechnen, wie sich das System unter den jeweiligen Umständen verhält. Hans-Jörg Vogel und seine Kollegen aber zäumen das pferd von hinten auf: Die Lysimeter verraten ihnen, wie die Wasserflüsse unter bestimmten Bedingungen ausfallen. Und daraus lässt sich rückschließen, wie der Boden beschaf- fen sein muss, damit die beobachteten Ef- fekte zustande kommen. „Dieses Vorgehen nennt man inverse Modellierung“, erläutert der Forscher. „Damit können wir die hy- draulischen Eigenschaften des jeweiligen Bodens inzwischen schon recht gut ein- schätzen – und je länger wir messen, umso besser werden wir.“ Vergleichen die Wissenschaftler dann noch die Messreihen von Zeiten mit und ohne pflanzen auf dem Acker, können sie auch mehr über den wichtigen Einfluss der Vege- Entnahme eines Lysimeters in der Magdeburger Börde. Um den Einfluss von Klimaänderungen auf den wasser- und Stoffhaushalt von Böden zu untersuchen, wurden viele solcher Bodenmonolithe im Austausch gegen andere in klimatisch unterschiedliche Standorte Deutschlands verfrachtet. (Foto: André Künzelmann/UFZ)

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