I N T E R V I E W Überraschend, dass Herr Fritz den radikalen Schnitt, den Sie vornehmen wollten, nicht als persönliche Kritik begriffen hat. Er wusste doch, dass die Zeiten sich geändert hatten. Er hat mich sogar beneidet um die neuen Möglichkeiten, die sich in den ersten Jahren meiner Amtszeit eröffneten, dank der Einführung der Programmorientierten Förderung (POF) bei Helmholtz und von Globalhaushalten und des Paktes für Forschung und Innovation (PFI), der uns regel- mäßig steigende Budgets brachte. Das hatte Peter Fritz alles nicht gehabt. Außerdem hatte ich das Glück, dass mein erster Aufsichtsratsvorsitzender, ein BMBF-Unter- abteilungsleiter, von Anfang an verstanden hatte, worum es ging, und mir volle Rückendeckung gegeben hat. Leider war das mit der Unterstützung bei einigen seiner Nach- folger als Aufsichtsratsvorsitzende nicht immer so. Zu sagen, die alten Themen haben sich überlebt, ist das eine. Aber die neuen Arbeitsschwerpunkte des UFZ, lagen die einfach so auf der Hand? Ich finde: ja. Wir sind keine Klimaforscher, aber wir untersuchen den Impact des Klimawandels auf die Landnutzung, auf die Biodiversität und aufs Wasser, auf Wälder und urbane Räume, auf Menschen und ihre Gesundheit. Und wir bleiben nicht bei der Feststellung und Modellierung künftiger Veränderungen, wir entwickeln Anpassungsoptionen für das Leben in den Landschaften Mitteleuropas, die in 30 Jahren so aussehen werden wie heute Südspanien. Das ist unsere Missionsorientierung. Und es müssen komplexe Systemlösungen sein. Also nicht nach dem Motto: Wenn es wärmer wird, müssen die Leute sich mehr Klimaanlagen kaufen, sondern wie kann unter veränderten Klimabedingungen Landwirtschaft so funktionieren, dass sie nachhaltig ist und zugleich be- zahlbare und gesunde Produkte für die Menschen liefert? Dafür müssen wir Ökologie, Ökonomie und Soziologie zusammendenken. Was bedeutete das für die Zusammenarbeit im UFZ? Vor allem musste ich denen, die da friedlich vor sich hin- geforscht haben, auf die Füße treten. Ich habe viele neue 4 Leute geholt, zum Glück ging das fast ohne Blutvergießen. In den ganzen ersten Jahren gab es, glaube ich, nur ein oder zwei Arbeitsgerichtsprozesse. Parallel habe ich die 15 vorhandenen großen und oft allzu starren Sektionen in 38 Departments aufgeteilt. Das hat das UFZ in Bewe- gung gebracht, plötzlich sind da viele kleinere, wuselige, teilweise auch wilde Einheiten entstanden mit motivierten Leuten an der Spitze, die vorher in der zweiten Reihe unsichtbar gewesen waren. Das war Schritt eins. Der war aber notwendig, um Schritt zwei, die eben beschriebene neue Programmatik, hinzubekommen. Was haben Sie den neuen Departmentleiter:innen gesagt? Ich habe ihnen gesagt: Es gibt drei Arten, mich glücklich zu machen. Die erste: Du schreibst zwei Nature-Paper pro Jahr. Die zweite: Du holst im Jahr eine Millionen Euro Drittmittel. Die dritte: Du sitzt alle zwei Monate im Büro eines Ministers oder einer Ministerin, und dein wissen- schaftlicher Rat wird befolgt. Mancher mag das etwas zu platt finden, aber so ticke ich: Wissenschaftlichkeit, Drittmittel oder politischer Einfluss. Oder eine vernünftige Mischung von allem. „Wuselig“ und „wild“ statt „starr“. Hört sich fast so an, als hätten Sie ein Führungsproblem gegen ein neues eingetauscht. Ein bisschen stimmt das, aber ich musste erstmal die Performance hochbringen. Am Anfang meiner Amtszeit bewegten wir uns im Helmholtz-Vergleich ziemlich weit hinten, später haben wir die großen Helmholtz-Zentren bei den Top-Publikationen pro Kopf eines nach dem anderen überholt – was ein unfairer Vergleich war, weil zu deren Köpfen zählt zum Beispiel auch die eigene Feuer wehr. Aber wir haben uns auch den kleineren Zentren an der Spitze immer weiter angenähert. Als ich ans UFZ kam, gab es jedes Mal einen Preis für eine Veröffentlichung in Nature oder Science. Heute haben wir davon 30 Stück im Jahr, da können Sie natürlich nicht mehr jedes Mal den großen Pokal ausreichen. Um die nötige Konvergenz habe ich mich später gekümmert. Da hat mir die Einführung der POF bei Helmholtz natürlich in die Hände gespielt.