Pressemitteilung vom 9. Dezember 2005

Heu oder Schmetterlinge?

UFZ-Forscher entwerfen ein Programm, das Naturschutz und landwirtschaftliche Nutzung von Wiesen vereinbar macht

Leipzig. Wissenschaftler des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle (UFZ) haben eine Software entwickelt, die den optimalen Zeitpunkt für das Mähen von Wiesen und notwendige Kompensationszahlungen an Landwirte berechnet, um seltene Schmetterlingsarten besser schützen zu können. Die Software entstand im Rahmen des EU-Projektes MacMan, das sich mit Lebensräumen für bedrohte Tier- und Pflanzenarten beschäftigt. Damit wollen die Wissenschaftler zeigen, dass Naturschutz und landwirtschaftliche Nutzung von Wiesen sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern dass vielmehr der Schutz der Biodiversität in unserer Kulturlandschaft auf eine enge Kooperation mit der Landwirtschaft angewiesen ist.

Paarung von Maculinea nausithous

Paarung von Maculinea nausithous
Foto: André Künzelmann, UFZ

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Feuchtwiese in der Nähe von Leipzig

Feuchtwiese in der Nähe von Leipzig / Habitat des Ameisenbläulings
Foto: André Künzelmann, UFZ

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Der Große Wiesenknopf

Der Große Wiesenknopf Sanguisorba officinalis. Maculinea nausithous und teleius benötigen den Großen Wiesenknopf, um ihre Eier abzulegen.
Foto: André Künzelmann, UFZ

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Es scheint ein Dilemma ohne Ausweg: Mähen die Landwirte ihre Wiesen wie bisher im Mai und August, dann haben die Ameisenbläulinge (Maculinea nausithous und Maculinea teleius) keine Überlebenschance. Denn diese Schmetterlinge legen im Juli ihre Eier an den Großen Wiesenknopf ab. Auf genau diese Pflanze haben sich die Raupen spezialisiert, die aus den Eiern schlüpfen. Fehlt diese Pflanze, dann hat der Ameisenbläuling keine Möglichkeit, seine Eier abzulegen. Wird die Wiese dagegen gar nicht gemäht, dann wuchert sie zu und die Wiesenameisen können nicht überleben. Doch auch die braucht der Ameisenbläuling, denn die Ameisen sorgen dafür, dass die Schmetterlingsraupe überhaupt überlebt und dann im nächsten Sommer zu einem Schmetterling wird, der Eier legt und sich vermehrt. Durch einen chemischen Trick schaffen es die Raupen des Ameisenbläulings, dass die Ameisen sie in ihre Nester schleppen, mitunter wie einen Kuckuck füttern und so über den Winter bringen.

Die Lösung: Wiesen, auf denen seltene Schmetterlinge vorkommen, müssten idealerweise erst spät – also im September – und dann auch nur alle zwei Jahre gemäht werden. Doch auch andere Mahdregimes wären denkbar, die das Überleben der Bläulinge – wenngleich auf niedrigerem Niveau – ermöglichen. Aber weniger Ernte und schlechteres Heu bedeuten für den Landwirt Verluste. Deshalb haben die Wissenschaftler des UFZ mit ihrer Software individuell ausgerechnet, wie viel Ausgleichszahlungen nötig wären, um Landwirte für die schmetterlingsfreundliche Bewirtschaftung zu gewinnen. Die Umsetzung der europäischen FFH-Richtlinie zwingt die Länder dazu, in den kommenden Jahren Managementpläne zum Schutz bedrohter Arten aufzustellen.
Diese doppelte Abhängigkeit von der richtigen Pflanze und der richtigen Tierart macht den Ameisenbläuling so interessant für die Wissenschaft. Da er besonders empfindlich auf Umwelteinflüsse reagiert, können die Wissenschaftler ihn als Alarmsignal nutzen. Wo die Ameisenbläulinge verschwinden, da verändert sich die Natur und auch weitere Arten sind bedroht. Diese Schmetterlinge – wie im Prinzip auch alle Tagfalter zusammengenommen - funktionieren also als Bioindikator. Solche Biodindikatoren sind Bestandteil des Forschungsprojektes MacMan, das sich in den vergangenen vier Jahren mit dem Schutz von Lebensräumen für bedrohte Tier- und Pflanzenarten beschäftigt hat. Dieses Forschungsprojekt wurde von der EU mit 3 Millionen Euro gefördert und vom UFZ geleitet. Am Beispiel von Schmetterlingen, die in weiten Teilen Europas vorkommen und dennoch stark vom Aussterben bedroht sind, wurde untersucht, welche Faktoren zum Rückgang von Arten führen und welche Gegenmaßnahmen möglich sind. Anfang Dezember haben sich über 150 Wissenschaftler aus 20 Ländern in Leipzig getroffen, um die Ergebnisse des Forschungsprojektes zu diskutieren.

Weitere fachliche Information über:

PD Dr. Josef Settele
UFZ-Department Biozönoseforschung
Telefon: 0345-558 5320
E-mail: josef.settele@ufz.de
www.ufz.de/index.php?en=817

oder über

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Pressestelle
Tilo Arnhold / Doris Böhme
Telefon: +49 (0)341 235 2278
E-mail: presse@ufz.de