Pressemitteilung vom 19. Juni 2013

Einzigartiges Langzeitexperiment zum Klima- und Landnutzungswandel gestartet

Anlage in Bad Lauchstädt wird wichtige Informationen für Wissenschaft, Landwirtschaft und Naturschutz liefern

Leipzig. Wissenschaftler können ab sofort die Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme in einem neuen einzigartigen Freilandlabor untersuchen. Hartmut Möllring, Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt, übergab am Mittwochnachmittag die Anlage in Bad Lauchstädt an das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
Die Global Change Experimental Facility (GCEF) besteht aus 25 überdachbaren und weiteren 25 nicht überdachbaren Experimentalflächen, in denen die künftigen Veränderungen in verschiedenen Landnutzungen simuliert werden. Die Anlage mit einer Gesamtfläche von rund sieben Hektar, die etwa zehn Fußballfeldern entsprechen, ist eines der weltweit größten Langzeitexperimente dieser Art und wird mindestens fünfzehn Jahre laufen. Die Ergebnisse sollen zum Beispiel dem Umwelt- und Naturschutz sowie der Landwirtschaft helfen, sich besser an den Klimawandel anpassen zu können. Finanziert wurde die GCEF mit über vier Millionen Euro als Ausbauinvestition der Helmholtz-Gemeinschaft durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie die Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen.

Symbolischer Start des einzigartigen Langzeitexperiments GCEF

Symbolischer Start des einzigartigen Langzeitexperiments GCEF:
v.l.n.r: MinDirig Wilfried Kraus (Bundesforschungsministerium), Hartmut Möllring (Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt), Dr. Martin Schädler (wissenschaftlicher Koordinator der GCEF) und Prof. Dr. Georg Teutsch (Wissenschaftlicher Geschäftsführer des UFZ)
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Festakt zur Eröffnung der Langzeitexperiments GCEF

Festakt zur Eröffnung der Langzeitexperiments GCEF
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Klimaszenarien rechnen damit, dass bis Ende dieses Jahrhunderts in Mitteldeutschland die Temperaturen ansteigen und vor allem im Sommerhalbjahr weniger Niederschläge fallen werden. Um diese Faktoren möglichst realistisch nachstellen zu können, wurden in Bad Lauchstädt normale Ackerflächen mit einer Stahlkonstruktion überbaut, die über elektronisch schließbare Dächer und Seitenwände verfügt. Wie in einem Gewächshaus können die Wissenschaftler so bei Bedarf nachts die Temperatur um bis zu drei Grad erhöhen und im Herbst den ersten Bodenfrost mehrere Wochen hinausschieben. Zudem lässt sich dadurch Regen von den Flächen abhalten oder per Beregnungsanlage zusätzliches Wasser versprühen. „Die Anlage ist keine Klimakammer, in der die Bedingungen konstant gehalten werden. Wir helfen lediglich ein wenig nach und verschieben die Parameter. Schließlich werden Temperatur und Niederschlag auch in Zukunft stark schwanken, nur eben auf einem anderen Niveau als heute“, unterstreicht Dr. Stefan Klotz, Experte für ökologische Langzeitexperimente am UFZ.

Die Anlage in Bad Lauchstädt ist bei weitem nicht das erste Experiment, in dem der Klimawandel simuliert wird. Aber sie ist in dieser Art einmalig, da sie mit größeren zeitlichen und räumlichen Dimensionen arbeitet. Jede der Parzellen ist 16 mal 24 Meter groß. Das ist groß genug, um sie mit Landmaschinen bearbeiten zu können und lässt auch genug Puffer am Rand, um Randeffekte möglichst gering zu halten. Zum Vergleich sind zu den jeweils fünf Parzellen, in denen der Klimawandel in der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft, bei intensiver und extensiver Graslandnutzung sowie auf Weideflächen simuliert wird, genau identische Parzellen ohne Veränderungen von Temperatur und Niederschlag angelegt. Das ist notwendig, um zu sehen, wie sich die nicht manipulierten Flächen entwickeln. „Wir erhoffen uns daher, die Folgen von Klimawandel und Landnutzung unter recht realistischen Bedingungen beobachten zu können“, erklärt der wissenschaftliche Koordinator der GCEF, Dr. Martin Schädler.

Gemessen und verarbeitet werden viele der Informationen, welche die Global Change Experimental Facility in den nächsten Jahren liefern wird, durch ein im UFZ entwickeltes drahtloses selbstorganisierendes Sensornetzwerk. Eine Art WLAN-Netzwerk, in dem sich viele kleine Stationen zur Messung von Feuchtigkeit und Temperatur in Luft oder Boden sowie der Strahlungsintensität befinden, das die aufgenommenen Werte in digitale Daten umwandelt, und über Router in die projekteigene Datenbank einspeist. „Wir befinden uns hier auf einem echten Hightech-Versuchsfeld“, so Koordinator Schädler. Die Dinge, die für den Betrachter sichtbar sind, sind nur ein Teil der hochmodernen Technik. Denn sie steckt überwiegend im Boden vergraben oder schwirrt als Daten durch die Luft.

Die GCEF soll mindestens 15 Jahre laufen, damit die Forscher Entwicklungen und Unterschiede in der Tier- und Pflanzenwelt und im Boden dokumentieren können. Den laufenden Betrieb wird das UFZ finanzieren. Spezielle Forschungsprojekte werden über Drittmittel finanziert. „Mit der GCEF bietet das UFZ eine hervorragende Infrastruktur – nicht nur für Wissenschaftler aus der Helmholtz-Gemeinschaft oder dem Deutschen Biodiversitätsforschungszentrum iDiv, sondern auch für viele internationale Forschergruppen“, ist Prof. Georg Teutsch, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des UFZ, überzeugt.

Die GCEF wurde auf dem rund 43 Hektar großen Gelände der Versuchsstation Bad Lauchstädt errichtet, die bereits jetzt experimentelle Basis für verschiedenste Forschergruppen am UFZ von Mikrobiologen bis zu Modellierern ist. Die Infrastruktur reicht von Klimakammern- über Warmhaus- und Kalthausexperimenten bis hin zu Manipulationsversuchen im Freiland. Die Versuche dienen dem besseren Verständnis der komplexen Beziehungen zwischen Boden, Pflanzen und Atmosphäre. Insbesondere werden Einflussgrößen simuliert, die sich aus dem Landnutzungswandel, den klimatischen Veränderungen und der Veränderung der Artenpools ergeben. Hartmut Möllring, Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt, betont: "Mit der GCEF beginnt eine neue Ära von Langzeitversuchen am traditionellen Forschungsstandort Bad Lauchstädt. Im internationalen wissenschaftlichen Wettbewerb wird das Experiment als Impulsgeber die Region auf den Feldern der Klima-, Landnutzungs- und Biodiversitätsforschung noch bekannter machen. Für den Wissenschaftsstandort insgesamt bedeutet dies eine weitere Aufwertung." Seit über 100 Jahren laufen hier bereits Versuche wie der sogenannte „Statische Düngeversuch“, der zu den zehn ältesten Dauerversuchen der Welt gehört und Einblicke in Bodenprozesse bei langfristig konstanter Landnutzung gibt. Zeitskalen, um die es auch beim Klimawandel geht.
Tilo Arnhold / Susanne Hufe

Weitere Informationen

Dr. habil. Martin Schädler, Dr. Stefan Klotz
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-5307, -5302
Dr. habil. Martin Schädler
Dr. Stefan Klotz

oder über

Tilo Arnhold / Susanne Hufe (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1635, -1630

Weiterführende Links

GCEF - Global Change Experimental Facility www.ufz.de/gcef

Versuchsstation Bad Lauchstädt
www.ufz.de/index.php?de=15278

Dauerversuch „Statischer Düngungsversuch“ Bad Lauchstädt
www.ufz.de/index.php?de=16763

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 34.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).