Pressemitteilung vom 24. April 2001

Bakterien im Einsatz gegen saures Wasser

In Deutschland gibt es mehr als 200 Bergbaurestseen. Durch die Schließung vieler Braunkohletagebaue seit 1990 entstehen derzeit in den neuen Bundesländern weitere 120 Seen, insbesondere in Mitteldeutschland und der Lausitz.

Bergbaurestsee

Das Wasser vieler dieser Seen ist mit pH-Werten um 2,5 bis 3,5 extrem sauer und enthält große Mengen an Eisen und Sulfat - bedingt durch die Schwefelhaltigkeit der Braunkohle und der sie umgebenden Erdschichten. Summiert ergeben diese schwefelsauren Wässer zirka drei Kubikkilometer, was in etwa der Wassermenge des Starnberger Sees entspricht. In Deutschland stellen sie eines der schwerwiegendsten aktuellen Umweltprobleme dar.

Viele der Seen, insbesondere in der Lausitz, sind schon seit Jahrzehnten sauer und bieten deshalb keinen Lebensraum für Fische oder andere höhere Organismen. Nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand ist es bisher gelungen, solche sauren Bergbaurestseen zu sanieren und so für Fischhaltung und Freizeitgestaltung wieder nutzbar zu machen. Das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle hat sich in Zusammmenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen in einem langfristigen Forschungsvorhaben das Ziel gesteckt, eine Neutralisierung mit möglichst einfachen und kostengünstigen Verfahren zu erreichen.

Um den Stand der derzeitigen wissenschaftlichen Arbeiten zu zeigen findet am Montag, dem 7. Mai am Restloch 111 bei Plessa (Lausitz) ein Pressegespräch vor Ort statt. Der wissenschaftliche Geschäftsführer des UFZ, Prof. Peter Fritz, sowie eine ganze Reihe von beteiligten Wissenschaftlern und Kooperationspartnern stehen dort zur Beantwortung Ihrer Fragen zur Verfügung. Treffpunkt für alle Interessierten ist die Gaststätte "Zum Goldenen Born" im Grünewalder Lauch, um 12.45 Uhr. Von da an ist ein Transfer zum Restloch 111 organisiert. Die direkte Anreise mit privatem PKW ist schwierig, da die Forststraßen nicht für den öffentlichen Verkehr frei sind und vorab eine Anmeldung erfolgen muss.

Einfach und kostengünstig, aber wie? Die Wissenschaftler wollen ihr Ziel durch die Anregung natürlicher säureverbrauchender Prozesse im See selbst erreichen, indem sie den säurezehrenden Mikroorganismen organische Substrate als Nahrung zur Verfügung stellen. Solche "sanften" Verfahren haben gegenüber der chemischen Entsäuerung, wie beispielsweise mit Soda, den Vorteil, dass sie nachhaltig sind. Das heißt, auch die weiterhin aus der Umgebung in den See sickernde Säure kann "abgefangen" werden.

In zahlreichen Laborversuchen konnten die Wissenschaftler eine optimale Substratkombination und Dosierung ermitteln. So gelang es ihnen, eine mit saurem Seewasser und Sediment gefüllte 1,5 Meter hohe Glassäule innerhalb von einem Jahr komplett zu neutralisieren. In einem zweiten Schritt werden nun seit 1998 verschiedene Substratvarianten direkt im See in Experimentalanlagen, den sogenannten Enclosures mit 2 Metern Durchmesser, getestet. Auch hier setzte die biologische Neutralisierungsreaktion ein. Allerdings dauert der Prozess länger als im Labor, was auf die größeren Mengen zu neutralisierender Säure und die Einflüsse von Wind und Wetter zurückzuführen ist. Aufgrund der bislang vorliegenden Daten gehen die Forscher von einer Sanierungsdauer für diesen See von mindestens 8 Jahren aus.

Um die im See ablaufenden Prozesse noch besser verstehen zu lernen und besser Einfluss nehmen sowie kontrollieren zu können, starten die Forscher in den kommenden zwei Jahren Versuche in zwei - mit einem Durchmesser von 30 Metern wesentlich größeren - Enclosures. In eine der beiden Experimentalanlagen wird dabei ein Reaktor eingebaut, in dem das saure Wasser unter kontinuierlicher Zuführung von Nährlösung durch einen Strohballen gepumpt wird, der als Reaktionskörper dienen soll. Die ganze Anlage wird über Solarzellen und eine Windkraftanlage - unabhängig von äußerer Energiezufuhr - arbeiten.

Am Ende dieser Versuche erhoffen sich die Wissenschaftler ein Verfahren, mit dem der komplette See saniert werden kann und das natürlich auf anderen Fälle weltweit übertragbar ist.

Finanziert wurde die bisherige Forschung vom Bundesforschungsministerium (BMBF), der Lausitzer und Mitteldeutschen Braunkohlen-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) sowie über den Strategiefonds der Helmholtz-Gemeinschaft (HGF). Neben dem UFZ sind zahlreiche Forschungseinrichtungen beteiligt, so das GKSS-Forschungszentrum Geesthacht, die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF), das Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) und die Brandenburgisch-Technische Universität Cottbus.