6. September 2002

Heterogenes Schadstoff-Belastungsmuster in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten in Sachsen und Sachsen-Anhalt

Kurzzusammenfassung Ergebnisse

Am 5. September präsentierten und interpretierten UFZ-Wissenschaftler vor der Öffentlichkeit erste Ergebnisse der Probennahmen nach dem August-Hochwasser.
Ein Team von Ökotoxikologen, Hydrogeologen, Gewässerforschern und Analytikern aus dem UFZ hatte ab 19. August an mehr als 45 Stellen an der Freiberger und Zwickauer Mulde, am Unterlauf der Mulde (Bitterfelder Region) sowie an der Elbe zwischen Pirna und Magdeburg Schlamm- und Wasserproben genommen. In den überfluteten Siedlungsgebieten und auf Landwirtschaftsflächen wurden Arsen, Blei und andere Schwermetalle, organische Schadstoffe wie Hexachlorcyclohexane (HCH), Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Dioxine sowie Coli-Bakterien erfasst. Zusätzlich wurden Biotests zur unmittelbaren Prüfung von ökotoxikologischen Schadeffekten angesetzt.

Im Detail zeigen die Ergebnisse, dass durch den Austrag von Sedimenten der Mulde, der Elbe und ihrer Nebenflüsse Schadstoffe remobilisiert und in Schlämmen von einzelnen Probenahmepunkten abgelagert wurden.

Im Mündungsbereich der Müglitz bei Heidenau werden die Arsen- und Blei-Grenzwerte der Bodenschutzverordnung für Wohngebiete überschritten. Am Probenahmepunkt in Siebenlehn an der Freiberger Mulde wurden sehr hohe Konzentrationen von Cu, As, Cd, Pb und Zn gefunden. Hier werden vertiefende Untersuchungen im An- und Abstrom empfohlen. Hohe Konzentrationen (oberhalb des Prüfwertes der BBodSchV für Wohngebiete) von As wurden auch im Schlamm der Zwickauer Mulde an den Probenahmestellen in Glauchau und Schlagwitz ermittelt. Das gleiche gilt für den Bereich der Vereinigten Mulde zwischen Grimma und Eilenburg. Im Mündungsbereich der Mulde wurden an Schwebstoffen im Gewässer die Prüfwerte für As, Pb und Nickel überschritten.
Ein nördlich von Bitterfeld untersuchter Standort (südlicher Ortsrand von Raguhn) zeigt an einigen Probennahmestellen neben dem Einfluss aus dem oberen Muldeeinzugsgebiet ein charakteristisches Belastungsmuster für die Verfrachtung von Altablagerungen der Chemischen Industrie in diesem Gebiet (Spittelwasser-Sediment). Hier fanden sich Cadmium und Dioxin über den BBodSchV-Prüfwerten für Kinderspielplätze, Arsen, Blei und Hexachlorcyclohexan (HCH) sogar über den Prüfwerten der Bodenschutzverordnung für Wohngebiete.

Die von den Schadstoffen ausgehenden möglichen Gesundheitsrisiken hängen von deren Bindungsformen und Bioverfügbarkeit ab. Die biologische Analyse von Wasserproben aus den Gemeinden Raguhn und Jeßnitz zeigt, dass insbesondere die mit Öl-belastetem Wasser zwischenzeitlich überfluteten Gebiete einer Nachuntersuchung bedürfen, um festzustellen, ob und wo die mit der Ölschicht transportierten Schadstoffe in die Oberschicht des Bodens eingedrungen sind. Schadstoffe wie z.B. polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) sind zu einem zwar kleinen aber doch biologisch wirksamen Anteil im Wasser gelöst. Insbesondere die in den Biotests nachgewiesene Dioxin-ähnliche Wirkung wird auch durch PAKs ausgelöst und kann auf diese Weise erklärt werden.
Im Goitsche-See bei Bitterfeld, dessen Flutung das UFZ in den vergangenen Jahren wissenschaftlich begleitet hat, wurde ein starker Nährstoffeintrag registriert. Insbesondere die Phosphor-Konzentration hat sich teilweise verzehnfacht und deutliches Algenwachstum setzt ein.

Für eine definitive Abklärung der unten genannten Maßnahmen zur Säuberung und Entgiftung sollten sich betroffene Anwohner an die zuständigen Landratsämter wenden. Die UFZ-Wissenschaftler empfehlen aus ihrer Sicht in den genannten Bereichen die rasche und vollständige Schlammentfernung aus Keller-, Wohn- und Arbeitsräumen, die überflutet waren.
Kinderspielplätze und Hofanlagen in Grundschulen sowie Kindergärten und Kindertagesstätten in den genannten Bereichen, die mit dem Schlamm überzogen wurden, sollten ebenfalls sorgfältig vom Schlamm bereinigt werden; und zumindest der Sand aus Sandkästen ist auszutauschen. Rasenflächen sollten tief umgegraben werden, soweit dies möglich ist.
Die Empfehlung für Gärten, die im Bitterfelder Bereich der Muldeüberflutungen lagen, lautet: Es sollte die gesamte Freifläche einschließlich möglicher Rasenflächen mindestens komplett tief umgegraben werden, damit die dünne Schlammschicht mit dem weniger belasteten Boden vermischt wird. Proben aus einer Kleingartenanlage in Jeßnitz, in der abgelagerter Schlamm mit Gartenerde aus tieferen Schichten vermischt wurde, zeigt, dass bei durchschnittlicher Belastung ein ausreichender Verdünnungseffekt erreicht werden kann. Die abschließende und definitive Entscheidung über die Herangehensweise obliegt jedoch den zuständigen Fachbehörden.
Wegen der sehr aufwändigen Analytik konnte nur eine begrenzte Probenzahl genommen und ausgewertet werden.

Die Ergebnisse repräsentieren dementsprechend Stichproben und lassen punktuelle Aussagen zu, nicht aber Rückschlüsse auf die Größe der möglicherweise belasteten Areale.

Mit besonderem Hinweis auf Gebiete, in denen Überschreitungen der Prüfwerte für Spielplätze und Wohngebiete (Bundesbodenschutzgesetz) festgestellt wurden, werden die Ergebnisse dem LFUG Sachsen, dem LAU Sachsen Anhalt und anderen zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt. Den Ämtern obliegt dann die vertiefende Untersuchung der so identifizierten Gebiete und die Information der betroffenen Gemeindeverwaltungen. Pauschale Handlungsempfehlungen sind problematisch, solange nicht Ergebnisse großflächigerer Beprobungen vorliegen.

Ergebnisse von Probennahmen aus der Elbe vom UFZ-Forschungsschiff ALBIS liegen zur Stunde noch nicht vor.
Perspektive: Das UFZ wird in Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstitutionen und Fachbehörden diskutieren, ob im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie der Prüfwert der Bodenschutzverordnung für überflutungsgefährdete Siedlungsbereiche stärker als bislang berücksichtigt werden muss.

Kontakt:

Prof. Gerrit Schüürmann, Sektion Chemische Ökotoxikologie, Telefon: 0341 235-2309
Martin Schultze, Sektion Gewässerforschung Magdeburg, Telefon: 0391 8109-101
Dr. Wolf von Tümpling, Sektion Gewässerforschung, Telefon: 0391 8109-101
Dr. Holger Weiß, PB Industrie- und Bergbaufolgelandschaften, Telefon: 0341 235 2060
Dr. Rainer Wennrich, Sektion Analytik, Telefon: 0341 235-2370