Links: Traktor mit Staubfahne bei Angersdorf, südl. von Halle (Saale),  Rechts: Kreisregner in Betrieb, Saudi Arabien. (Fotos: C. Siebert, UFZ)

WatQ2E: Modellierung der Wasserquantität, Qualität und aquatischer Ökosysteme

Plattformprojekt - PP2.2

Mit WatQ2E werden intelligente und nachvollziehbare Modelle entwickelt, deren Ergebnisse dem Schutz von ausreichender Menge und Güte von Wasserressourcen sowie der Funktionalität aquatischer Ökosysteme dienen sollen. Dafür müssen die Modelle in der Lage sein, das aktuelle und zukünftige Verhalten der Ressourcen auf bewirtschaftungsrelevanter Skala zuverlässig abzubilden. Dies erfordert ein mechanistisches Verständnis von Prozessen und Mustern, das aus Beobachtungen gewonnen wird. In dieser Initiative verfolgen wir gemeinsam das Ziel, mit unseren Modellen Antworten auf wissenschaftlich aber insbesondere gesellschaftlich wichtige Fragen unter globalen Veränderungen zu finden.


Hintergrund und wissenschaftliche Herausforderung

Modelle für Wassermenge und -qualität sind leistungsstarke Instrumente zur Analyse der verschiedenen hydrologischen, biogeochemischen und ökologischen Prozesse, die die Wasser- und Stoffflüsse in Einzugsgebieten und Landschaften bestimmen. Um das Verhalten einer Ressource als Reaktion auf sich verändernde Umweltbedingungen im Kleinen bis zum überregionalen Maßstab zu verstehen, müssen die relevanten Prozesse, die zumeist im kleinen Maßstab ablaufen, verstanden und durch unsere Modelle auch auf großer Skala darstellbar sein.
Es mangelt zumeist an zuverlässigen Methoden zur Parametrisierung und Regionalisierung, die es ermöglichen, dass die Modelle (i) auf großer Skala und in verschiedenen räumlichen Auflösungen zuverlässige Simulationen erlauben, (ii) über verschiedene Einzugsgebiete, Regionen und Klimazonen hinweg übertragbar sind, (iii) auch bei geringer Datenverfügbarkeit funktionieren und ganz besonders wichtig für die Bewertung der Zukunft (iv) auch für Zeiträume außerhalb des Kalibrierungsfensters taugen. Hier liegen die größten Herausforderungen, denen wir uns stellen.
Darüber hinaus streben wir die Ertüchtigung der Modelle an, die wichtigen Wechselwirkungen der Ressourcen mit den aquatischen Ökosystemen und deren Funktion möglichst vollständig zu integrieren. In gleicher Weise müssen die Modelle in die Lage versetzt werden, nicht nur die Entwicklung von herkömmlichen (z.B. Nährstoffe) sondern auch die der omnipräsenten neuen Schadstoffe zu simulieren.
Das Ziel der verbesserten Parametrisierung und Regionalisierung der Modelle soll durch die Optimierung der Modelle in Verbindung mit innovativen Monitoring-Methoden im Grundwasser sowie in Flüssen und Seen erreicht werden. Dadurch werden wir in der Lage sein, die Entwicklung der Wassermenge und -qualität sowie die ökologischen Auswirkungen verlässlich zu prognostizieren. .

Elbe bei Havelberg zum Zeitpunkt des Niedrigwassers Sommer 2018. (Foto: C. Siebert, UFZ)
Elbe bei Havelberg zum Zeitpunkt des Niedrigwassers Sommer 2018. (Foto: C. Siebert, UFZ)

Ziele

Nur etwa 2,5% des weltweiten Wassers ist Süßwasser: eine der wichtigsten lebenserhaltenden Ressourcen. Aber nur etwa ein Fünftel davon ist in Form von Grundwasser, Flüssen und Seen verfügbar. Menschliche Aktivitäten und der Klimawandel haben zunehmend schwerwiegende Auswirkungen auf die verfügbare Menge an Wasser, dessen Qualität sowie auf die verbundenen Ökosysteme - auf lokaler, regionaler und sogar globaler Ebene.
Vor diesem Hintergrund wollen wir eine zuverlässige Bewertung des gegenwärtigen und zukünftigen Zustands unserer Wasserressourcen liefern. Dazu müssen wir die verfügbaren Modellierungswerkzeuge (weiter-) entwickeln, so dass sie die wichtigen Prozesse abbilden, die dahinterstehenden Mechanismen nur so komplex wie nötig integrieren, und auf den für das Management der Wasserressourcen relevanten Skalen schnell und präzise agieren können.
Um die wichtigsten Prozesse richtig zu verstehen und einzubetten werden spezielle Prozessstudien durchgeführt, bei denen hochgradig instrumentierte Feldstandorte und komplexe Datensätze (einschließlich Isotopen- und Tracerdaten) aus bestehenden ( TERENO )  und neu entstehenden ( eLTER ) Beobachtungsstellen und Überwachungsplattformen ( MOSES ) genutzt.

Inhalte und angestrebte Ergebnisse

Diese Ziele und Vorgaben werden in mehreren Teilprojekten angegangen, die auf die unterschiedlichen Kompartimente und die Schnittstellen zwischen ihnen ausgerichtet sind.

Entwicklung eines multiskaligen Wasser Qualitäts Modells (mQM)

mQM ist ein Projekt, das darauf abzielt, eine UFZ-weite Plattform für die Modellierung von Wasserqualitätsvariablen auf bewirtschaftungsrelevanten Skalen bereitzustellen. mQM nutzt die hydrologischen Komponenten des bestehenden mHM-Systems, soll aber durch den modularen Aufbau mit jedem anderen hydrologischen Modell gekoppelt werden können. Die derzeitige Arbeit von mQM konzentriert sich auf die Darstellung der Dynamik agrar-chemischer, gelöster Nährstoffe (zunächst Stickstoff [N], später auch Phosphor [P] und gelöster organischer Kohlenstoff [DOC]) unter Berücksichtigung sowohl biogeochemischer als auch hydrologischer Prozesse im Boden, in der ungesättigten Zone, im Grundwasser und Flussläufen.
Die Prozesse werden mit zunehmender Komplexität konzeptualisiert, beginnend mit einem groben Modell. So wird beispielsweise die Laufzeitverteilung (TTD) des Grundwassers zunächst durch eine pauschale TTD auf einer jährlichen bis monatlichen Zeitskala dargestellt, die später auf eine tägliche Auflösung und schließlich auf ein Modell mit einer räumlich verteilten Grundwasserdarstellung erweitert wird. Ein erster Prototyp eines Modells für Nitrat, das eine TTD-basierte Beschreibung des Untergrunds verwendet, wurde an der Selke entwickelt (Nguyen et al. 2020; WRR).

Konzeptionelles Fliesschema von mQM.
Konzeptionelles Fliesschema von mQM. (Bild: A. Musolff, UFZ)

GrundWasser-Ressourcen Model auf nationaler Skala (GWRM)

Die Veränderungen im Klima und die (nicht nur) damit verbundene Änderung unseres sozio-ökonomischen Verhaltens (städtischer, industrieller und landwirtschaftlicher Verbrauch, regionale Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte, etc.) wird zu einer intensiveren Bewirtschaftung der natürlichen GrundwasserRessourcen unseres Landes führen. Um diese auf nationaler Ebene nachhaltig zu ermöglichen, benötigen wir eine möglichst präzise Einschätzung des aktuellen Zustandes der oberflächennahen GrundwasserRessourcen sowie ihrer möglichen Entwicklung.
Dazu wird eine Serie überregionaler GW-Modelle erstellt, die schließlich zusammengeführt werden, um die relevanten Grundwasserressourcen auf nationaler Ebene aber regional aussagekräftig zu bewerten. Das GWRM soll zur Bewertung und Vorhersage von Grund- und Oberflächenwasserströmen in Bezug auf Menge, Anfälligkeit und Ökosystemleistungen auf Managementebene eingesetzt werden. Dieser Ansatz erfordert die Entwicklung innovativer Parametrisierungsschemata, die auf einer kombinierten Untersuchung von hydrochemischen Proxies, isotopenbasierten Verweilzeitverteilungen und Spektralanalysen von GW-Höhen- und Abflusszeitreihen basieren.
Die angestrebte hohe räumliche Auflösung für ganz Deutschland von einigen hundert Metern erfordert den Einsatz von High Performance Computing (HPC). Die Berechnung der 3D Grundwasserströmung in einem solchen Super-Modell benötigt Software, die darauf abgestimmt ist, z.B. OGS , ein Open-Source-Projekt. Das oberflächige Abflussgeschehen wird mit dem Modellsystem mHM realisiert, welches zugleich die Grundwasserneubildung und die Möglichkeiten zur Simulation zukünftiger Klimaprojektionen ermöglicht.
Mit Hilfe des GWRM sollen Einblicke in die quantitative Entwicklung und die Anfälligkeit der Ressourcen unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Wasserbedarfs von Wasserwerken, Landwirtschaft und Ökosystemen möglich werden, wofür ein Team aus Hydrogeologen, Hydrologen und Software-Entwickler an einer neuartigen Lösung arbeiten, diese Antworten nicht nur zu finden, sondern auch verständlich und aktuell darzustellen sowie zu erläutern.

Konzept der Datenverabrietung im GWRM-Projekt.
Konzept der Datenverabrietung im GWRM-Projekt.
(Bild: T. Kalbacher & K. Rink, UFZ)

Isotopen-basierte Modellierung

Dieses Teilprojekt fördert die Einbeziehung von Isotopendaten in (i) hydrologische Modelle, um Laufzeiten und Fließwege besser einzugrenzen (z. B. stabile Wasserisotope und absolute Alterstracer), und (ii) Wasserqualitäts- und Stofftransportmodelle, um Umsatzprozesse und -raten einzugrenzen sowie Inputquellen zu identifizieren (z. B. stabile Isotope von N und O in Nitrat). Dieses Teilprojekt umfasst mehrere Aktivitäten: 

  • PhD-Projekte zur Ableitung von Laufzeiten für Ereignisse und zur Modellierung der Wasserqualität über verschiedene Skalen und kontrastreiche Einzugsgebiete hinweg
  • Nutzung stabiler Isotopendaten in einfachen Modellen zur Altersbestimmung von Nitrat in einem landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebiet
  • Bayes'sche Mischungsmodelle mit stabilen Isotopen zur Bewertung der Dynamik der proportionalen Beiträge verschiedener Nitratquellen in mesoskaligen Flusseinzugsgebieten
  • Tracer-gestützte, skalenübergreifende ökohydrologische und Wasserflussmodellierung im Einzugsgebiet der Bode unter Verwendung des EcH2Oiso-Modells
  • Nitrat-Isotopenmodellierung zur Bewertung der Denitrifikation in Flussufern

Artesischer Brunnen.
Artesischer Brunnen. (Foto: C. Siebert, UFZ)

Gekoppelte Modellierung von Seen und deren Einzugsgebieten bei möglichst optimaler Komplexität

Beinhalten Fließgewässernetze auch Standgewässer, verändern letztere die Stoffflüsse und die Temperatur des Wassers. Da die meisten Fließgewässer in Kulturlandschaften aufgestaut oder reguliert sind, müssen stehende Gewässer in regionalen Wasserqualitätsmodellen integriert und parametrisiert werden. In diesem Teilprojekt werden wir ein hydrodynamisch-biogeochemisches See-/Speichermodell mit einem einfachen Einzugsgebietsmodell koppeln, um den Rückhalt und Veränderung von Nährstoffen in stehenden Gewässern unter verschiedenen Belastungsszenarien und See-/Speichereigenschaften zu charakterisieren. Ziel ist es, eine vereinfachte Darstellung der Auswirkungen von Staudämmen auf die Biogeochemie der Einzugsgebiete zu erhalten, in denen diese Seen auftreten. Die Beiträge von Wasser und gelösten Stoffen im Einzugsgebiet basieren auf einem datengesteuerten Modellierungssystem und dem bestehenden mHM und dem geplanten mQM (siehe oben).

Sonnenaufgang am Toten Meer mit auslaufendem Tauch-Boot zur Probenahme.
Sonnenaufgang am Toten Meer mit auslaufendem Tauch-Boot zur Probenahme. (Foto: C. Siebert, UFZ)

Modellierung des Transports von Kunststoffen vom Land in die Flüsse und von den Flüssen bis ins Meer

Flüsse sind die entscheidenden Verbindungswege zwischen Plastikquellen an Land und den Ozeanen, während das Ausmaß des Exports von Plastikmüll eine Kombination aus Eintrags- und Transportprozessen ist. Dieses Projekt befasst sich mit beiden getrennt: 1) Einträge (Land2River) und 2) Transport in Flüssen (River2Sea). Der erste Teil konzentriert sich auf die Bereitstellung eines Systems für die Synthese von Informationen über punktuelle und diffuse Quellen für Kunststoffe aller Größen in Flüssen, während der zweite Teil sich mit der Entwicklung (und Umsetzung) eines Modellierungskonzepts für den Transport von Plastikmüll in Flusssystemen beschäftigt.
Wir werden den graphenbasierten (netzwerkbasierten) Modellierungsansatz nutzen, der den Mikroplastiktransport inklusive Rückhalte- und Remobilisierungsprozessen unter stationären Bedingungen berücksichtigt. Diese sind entscheidend für die zuverlässige Darstellung des Kunststofftransports bei Extremereignissen wie Hochwasser, die oft einen großen Teil der Gesamtfracht innerhalb einer kurzen Zeitspanne mobilisieren. Das übergeordnete Ziel dieses Teilprojekts ist die zeitlich gut aufgelöste Quantifizierung des Eintrags aus punktuellen und diffusen Quellen, um Hotspots besser beschreiben zu können, an denen Plastikmüll in die aquatische Umwelt gelangt und letztlich in die Ozeane transportiert wird, die die größte Senke für Plastikverschmutzung darstellen. Außerdem werden wir den Transport in Flüssen besser quantifizieren, und zwar sowohl in Bezug auf die Frachten (relevant für die Bewertung der globalen Kunststoffströme) als auch in Bezug auf die Konzentrationen, die für die ökotoxikologische Bewertung relevant sind, und auf die Transportzeiten (relevant für die Bewertung der Auswirkungen von Altlasten).

Konzeptgraphik des Projektes.
Konzeptgraphik des Projektes. (Bild: C. Schmidt, UFZ)

Ereignisbezogene Kalibrations- und Validierungsansätze

Traditionell wird die Güte von Niederschlags-Abfluss-Modelle mit Hilfe von Kennzahlen bewertet, die die Übereinstimmung zwischen kontinuierlichen beobachteten und simulierten Abfluss-Zeitreihen ausdrücken (z.B. Nash-Sutcliffe-Effizienz), wobei ignoriert wird, dass die Prozesse, welche die Abflussereignisse maßgeblich bestimmen zwischen verschiedenen Niederschlags-Abfluss-Ereignissen variieren können. In Zusammenarbeit mit dem GFZ erweitern wir den traditionellen Ansatz, indem wir die Leistungsfähigkeit der N/A Ereignismodellen von Ereignis zu Ereignis neu bewerten. Die jeweilige ereignisbezogene Leistungsfähigkeit der Modelle wird dann mit der Fähigkeit von Modellen in Beziehung setzen, überhaupt verschiedene hydrologische Situationen darzustellen. Die Entschlüsselung der hydrologischen Situation, die durch die gegebene Modellstruktur gut nachgeahmt werden kann, wird helfen, Modellstrukturen mit optimaler Komplexität zu identifizieren.

Sandsturm über dem Toten Meer und Sediment-Plum durch ein flash-flood Ereignis im Hinterland.
Sandsturm über dem Toten Meer und Sediment-Plum durch ein flash-flood Ereignis im Hinterland. (Foto: C. Siebert, UFZ)

Modellierung aquatischer Ökosysteme in Flüssen

Die systematische Identifizierung von Hotspots der Eutrophierung in Flüssen, die durch anthropogene Einflüsse verursacht werden, ist der Schlüssel zur Minderung der derzeitigen und potenziellen Risiken beeinträchtigter aquatischer Ökosysteme. Eine umfassende Berücksichtigung der komplexen Rückkopplung von geomorphologischen, hydrologischen, biogeochemischen und anthropogenen Bedingungen ist notwendig, um die ökologische Dynamik von Algengemeinschaften auf der Ebene des gesamten Flusseinzugsgebiets zu simulieren. Vor allem bei größeren oder datenarmen Flusseinzugsgebieten sind Modelle zur Simulation der Algendynamik auf Basis riesiger Prozessgleichungen ungeeignet, da die Daten für die Kalibrierung und Überprüfung fehlen.
Dieses Teilprojekt hat zum Ziel, ein einfaches Modell für die gekoppelte Algen-Nährstoff-Dynamik (CnANDY) auf der Ebene eines Flussnetzes zu verbessern, um damit die Diagnose der Eutrophierung und die Bereitstellung von Überwachungs-/Bewirtschaftungsstrategien mit einer minimalen Menge an erforderlichen Daten zu erleichtern.

Fließschema des Projektes.
Fließschema des Projektes. (Bild: Soohyung Yang, UFZ)