Pressemitteilung vom 7. April 2004

Stellungnahme des UFZ zum Emissionshandel-Kompromiss

Bernd Hansjürgens ist gemeinsam berufener Professor des UFZ-Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, an der er Volkswirtschaftslehre, insbesondere Umweltökonomik, lehrt. Im UFZ leitet er das Department Ökonomie, Soziologie und Recht. Er ist ausgewiesener Experte in Sachen Emissionshandel und berät in dieser Sache u.a. das Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt.
Anhand einiger Beispiele untermauert er nachfolgend die These: "Der ausgehandelte Kompromiss benachteiligt Unternehmen in den Neuen Bundesländern"

Bernd Hansjürgens

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Der am vergangenen Dienstag zwischen Umweltminister Trittin und Wirtschaftsminister Clement ausgehandelte Kompromiss zum Emissionshandel sieht vor, den Ausstoß an Kohlendioxid zwischen 2005 und 2007 nicht wie geplant auf 488 Mio. Tonnen/Jahr zu senken, sondern nur auf 503 Mio. Tonnen. Wie bekannt erntete dieser Kompromiss zwar erhebliche Kritik von Seiten der Umweltorganisationen, man konnte aber annehmen, dass damit wenigstens die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gerettet und ein vernünftiger Ausgleich zwischen Klimaschutz und Erhalt von Arbeitsplätzen erreicht wurde.

Dass aber die vom Wirtschaftsminister ausgehandelten Begünstigungen eine höchst einseitige Förderung der (west)deutschen Steinkohle- und Stahlindustrie und eine deutliche Benachteiligung der ostdeutschen Wirtschaft mit sich bringt, offenbart sich erst, wenn man das zugrunde liegende Dokument, den "Nationalen Allokationsplan der Bundesrepublik Deutschland 2005-2007", näher studiert.

Denn von einer Berücksichtigung der immensen Vorleistungen, die durch den Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft und die Neuinvestitionen in den 1990er Jahren erbracht wurden (und die es im Übrigen erst ermöglichten, dass Deutschland im Klimaschutz innerhalb Europas das ehrgeizige Reduktionsziel von minus 21% Treibhausgase formulieren konnte), ist so gut wie nichts übrig geblieben. So werden die "frühzeitigen Vermeidungen" von 1990 bis 1995 im neuen "Kompromiss" zwischen Clement und Trittin überhaupt nicht (!) berücksichtigt. Das gleiche gilt im Prinzip für die zwischen 1996 und 2002 erbrachten Vermeidungsleistungen. Bei ihnen wurde der sog. "Erfüllungsfaktor", der angibt, in welchem Ausmaß die Emissionen in der Basisperiode 2000-2002 tatsächlich in Form von Emissionsrechten berücksichtigt werden, gleich eins gesetzt. Damit erhalten die Unternehmen zwar Zertifikate entsprechend dem Umfang der Emissionen in der Basisperiode. Doch ist dieser Vorteil eines Erfüllungsfaktors von 1 als minimal einzustufen. Den enormen Investitionen in frühzeitige Vermeidung von klimarelevanten Treibhausgasen in ostdeutschen Unternehmen wird damit nur völlig unzureichend Rechnung getragen.

Demgegenüber sind die Steinkohleindustrie und die Stahlproduzenten durch den Kompromiss zwischen Clement und Trittin stark begünstigt worden. Für Strom aus neu errichteten Anlagen wurde ein sog. Benchmark (als Durchschnittswert) von 750 g Kohlendioxidäquivalent pro kWh festgelegt. Dieser ergibt sich als gewichteter Durchschnitt der Emissionswerte für die Stromerzeugung in modernen Braunkohle-, Steinkohle und Erdgaskraftwerken und entspricht etwa den Emissionswerten von Steinkohlekraftwerken. Jedoch erhalten Gaskraftwerke, die Brennstoff bedingt einen geringeren spezifischen Emissionswert aufweisen, nur eine Zuteilung gemäß ihrem tatsächlichen Bedarfs. Sie werden im Vergleich zur Steinkohle damit nicht besser gestellt. In dem ursprünglichen Vorschlag von Trittin war noch von einem Emissionswert die Rede, der Gaskraftwerke begünstigt hätte. Die jetzige Kompromissformel bedeutet, dass keine Anreize bestehen, Steinkohlekraftwerke durch Erdgas betriebene Kraftwerke zu ersetzen, sehr wohl aber Braunkohlekraftwerke mit einem höheren Emissionswert gegenüber Steinkohle oder Erdgas benachteiligt werden. Wenn man schon auf die umweltbezogene Forderung nach einer Besserstellung emissionsarmer Verfahren verzichtet und aus Standorterwägungen andere Energieträger als das Erdgas nicht diskriminieren wollte, so fragt sich, warum dann nicht auf anlagenspezifische Benchmarks übergegangen wurde, die mit Blick auf den Energieträger neutral hätten ausgestaltet werden können.

Der Sieg der Stahlindustrie kann darin gesehen werden, dass die in der Stahlproduktion auftretenden Freisetzungen von Kohlendioxid-Emissionen als Prozess bedingt (anstatt thermisch) eingestuft und damit ebenfalls mit dem Erfüllungsfaktor 1 versehen werden.

Im Vorfeld der Verabschiedung des Nationalen Allokationsplans hat es viel Geschrei um die Gesamtmenge an Emissionszertifikaten, die an die Unternehmen zu verteilen sind, gegeben. Der ursprüngliche Plan Trittins, geringere Gesamtmengen zuzulassen und frühzeitige Vermeidungsmaßnahmen zu honorieren, hätte zu einem verringerten Emissionsfaktor geführt. Die jetzt gefundene Regelung mit den insgesamt 15 Mio. t Kohlendioxid (Differenz aus 488 zu 503 Mio.t) entsprechenden zusätzlichen Emissionsrechten stellt die deutschen Unternehmen in ihrer Gesamtheit zwar besser. Die Detailregelungen des Nationalen Allokationsplans gehen jedoch eindeutig zu Lasten der Unternehmen in Ostdeutschland, weil die erbrachten Vorleistungen nicht berücksichtigt werden.

Für Rückfragen ist Prof. Bernd Hansjürgens zu erreichen:
direkt: 0341/235-2517
über die PR des UFZ (Susanne Hufe oder Doris Böhme): 0341/235-2278