Pressemitteilung vom 20. Juni 2012

Neues Wasserentnahmeentgelt für Rheinland-Pfalz auf dem Prüfstand

Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigt umwelt- und ressourcenpolitischen Mehrwert, aber auch verbleibende Schwachstellen

Leipzig. Das neue Wasserentnahmeentgelt in Rheinland-Pfalz fügt sich sinnvoll in die Nachhaltigkeits- und Klimaanpassungsstrategie des Landes ein und ist auch finanzpolitisch ein richtiger Schritt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), die das neue Instrument auf den Prüfstand gestellt hat. Kritisch sehen die Wissenschaftler dagegen, dass bei der Abgabe nach Verwendungszweck unterschieden wird und umfangreiche Ausnahmen gelten. Da Wasserentnahmeabgaben in die Kompetenz der Länder fallen, existieren in der Mehrzahl der Bundesländer sehr unterschiedliche Regelungen. Künftig sei es jedoch wichtig, diese bundesweit anzugleichen. Die UFZ-Forscher hatten bereits 2011 im Auftrag des Umweltbundesamtes eine Studie über die Chancen und Grenzen von Wassernutzungsabgaben in Deutschland vorgelegt. Die aktuelle Untersuchung zu Rheinland-Pfalz wird im August 2012 in der „Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht“ erscheinen.

Hände fangen Trinkwasser auf

Wasserentnahmeentgelte signalisieren den Entnehmern von Wasser aus dem Wasserkreislauf, dass Wasser ein ökonomisch knappes Gut ist.
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Prof. Erik Gawel, UFZ

In einer aktuellen Untersuchungen von Prof. Erik Gawel, Umweltökonom an der Universität Leipzig und Wasserexperte am UFZ, steht das neue Wasserentnahmeentgelt für Rheinland-Pfalz auf dem Prüfstand.
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Lizenz: CC BY 3.0

Der Landtag von Rheinland-Pfalz beschließt heute über die Einführung einer Abgabe auf das Entnehmen von Wasser aus dem natürlichen Wasserhaushalt zum Jahresbeginn 2013. Zwölf andere Länder verfügen bereits über ein solches Wasserentnahmeentgelt. Neben der Erzielung von Einnahmen, die zweckgebunden für wasserwirtschaftliche Zwecke eingesetzt werden, verfolgen diese Entgelte auch das Ziel, Gewässer nachhaltig zu bewirtschaften: Nach dem Vorsorgeprinzip soll auf effiziente Weise verhindert werden, dass Wasserkörper übernutzt werden. „Vorsorgend sparsam und effizient mit unseren Wasserressourcen umzugehen, ist nicht zuletzt wegen des bereits offensichtlichen Klimawandels ein ressourcen- und klimapolitisches Gebot der Vernunft“, erläutert Prof. Erik Gawel, Umweltökonom an der Universität Leipzig und Wasserexperte am UFZ.

Wasserentnahmeentgelte signalisieren den Entnehmern von Wasser aus dem natürlichen Wasserkreislauf - sowie den Käufern wasserintensiver Produkte -, dass Rohwasser ein ökonomisch knappes Gut ist. Diese Knappheit drückt sich etwa in sogenanntem Wasserstress der Ökosysteme aus und darf nicht mit „Wassermangel“ verwechselt werden. „Auch an Mobiltelefonen oder Brot herrscht in Deutschland gewiss kein Mangel“, erläutert Gawel. „Diese Güter tragen aber zu Recht ihren jeweiligen Knappheitspreis.“ Nichts anderes müsse auch für das wertvolle Gut Wasser gelten.

Für das immerhin größte westdeutsche Flächen-Nehmerland im Länderfinanzausgleich, das durch verbindliche Maßnahmenprogramme zum Gewässerschutz und die anstehende verfassungsrechtliche „Schuldenbremse“ finanzpolitisch stark gefordert ist, bedeutet die Einführung einer Verursacherabgabe jedoch auch finanzpolitisch einen richtigen Schritt. „Für diese Zwecke Mittel gerade aus einer Verursacherabgabe bereitzustellen, ist legitim und richtig“, stellt Gawel klar. „Lenkung und Finanzierung sind kein Widerspruch, sondern zwei Seiten derselben Medaille: Gerade auch das Zahlenmüssen der Entnehmer hat sinnvolle Lenkungseffekte.“

Rheinland-Pfalz hat insgesamt eine Wasserentnahmeabgabe geschaffen, die sich eng an die bisherigen Länderregelungen anlehnt. Damit dürften kritische Hinweise auf angeblich gefährdete Wettbewerbsfähigkeit von gewerblichen Wasserentnehmern oder mangelnde Tragbarkeit der Belastungen für private Haushalte kaum durchgreifen. „Die Belastungen sind tragbar und bewegen sich im üblichen Rahmen“, betont Gawel. Für private Verbraucher wird von bis zu drei Euro im Jahr für die Trinkwasserversorgung ausgegangen. Das Umweltministerium des Landes rechnet pro Jahr mit etwa zwanzig Millionen Euro Einnahmen aus der neuen Abgabe. Damit könnte jährlich je nach Verwendung des Aufkommens zusätzlich ein Mehrfaches an EU- oder Bundesmitteln für das Land akquiriert werden.

Positiv hervorzuheben sei die Tatsache, dass die Abgabe nur wenige unterschiedliche Abgabesätze, z. B. für Grund- und Oberflächenwasser, vorsehe. Ferner gebe es beachtliche Mengen-Freigrenzen, die „Kleinentnehmer“ von der Abgabepflicht ausnehmen und zugleich bürokratische und ressourcenpolitisch zweifelhafte Härtefallregime anderer Länder vermieden. Ähnlich wie Nordrhein-Westfalen begünstige Rheinland-Pfalz ausdrücklich nicht die gewässerschutzpolitisch problematische bergbauliche Wasserhaltung, die mit Ableitungen von Grundwasser verbunden ist; privilegiert sind allein „Freilegungen“ von Grundwasser. Allerdings wurden in Rheinland-Pfalz auch einige Schwachstellen der bisherigen Länder-Regelungen reproduziert: Dies betreffe etwa die ressourcenpolitisch fragwürdige Vermischung von Wasserentnahme und Wasserverwendung bei der Abgabenerhebung. Ebenso ins Auge fallen die umfangreichen Ausnahmen, etwa der Land- und Forstwirtschaft, die das Verursacherprinzip durchbrechen.

Die Einführung der Abgabe in Rheinland-Pfalz ist ein Schritt in die richtige Richtung, resümiert die Studie. „Eine konsequente Weiterentwicklung des Instruments, insbesondere eine Harmonisierung zwischen den Bundesländern und eine klare Ausrichtung auf den verursacherbezogenen Ressourcenschutz müssen aber auf der rechtspolitischen Agenda bleiben“, fordert Gawel.

Publikation:

Erik Gawel:
Zum Wasserentnahmeentgeltgesetz des Landes Rheinland-Pfalz. In: Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht (LKRZ), 6. Jg. (2012), erscheint im August in Heft 8.
www.lkrz.nomos.de

Weitere Informationen

Prof. Dr. Erik Gawel
Department Ökonomie
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Tel.: 0341-235-1255
Prof. Dr. Erik Gawel (UFZ)

Professur für VWL, insbes. Institutionenökonomische Umweltforschung
Universität Leipzig
Prof. Dr. Erik Gawel (Uni Leipzig)

oder

Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1635

Links

Gesetzentwurf zur Einführung des Wasserentnahmeentgelts
www.landtag.rlp.de/landtag/drucksachen/1158-16.pdf

Grundstein für die Diskussion um zukünftige Wassernutzungsabgaben in Deutschland gelegt (Pressemitteilung vom 3. März 2011)
www.ufz.de/index.php?de=21289

UBA-Projekt "Weiterentwicklung von Abwasserabgabe und Wasserentnahmeentgelten zu einer umfassenden Wassernutzungsabgabe"
www.ufz.de/index.php?de=19085

UBA-Projekt zur Zukunft der Abwasserabgabe
www.ufz.de/index.php?de=30271

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit über 31.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).