Pressemitteilung vom 28. Oktober 1998

Tagung im UFZ vom 30. Oktober bis 1. November

Lebensraumzerstörung, Wüstenbildung und gesellschaftliche Spannungen

Seine neuesten Forschungsergebnisse stellt der Arbeitskreis Wüstenökologie, in dem sich vor einem Jahr circa 75 deutsche Wissenschaftler verschiedener Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen haben, vom 30. Oktober bis 1. November im Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle vor.

Die im Arbeitskreis Wüstenökologie vertretenen Wissenschaftler haben sich die Aufgabe gestellt, durch den Austausch ihrer Forschungsergebnisse gemeinsam die Erforschung von Wüstenökosystemen als unverzichtbare Grundlage für eine langfristige sozial und ökologisch tragfähige Nutzung von Lebensräumen in den Trockengebieten dieser Erde voranzubringen. Auf der Leipziger Tagung werden nun unter anderem Arbeiten zur Erhaltung der Bodensubstanz in Wüstengebieten, zur Entwicklung ökologisch langfristig tragfähiger und ökonomisch profitabler Beweidungssysteme, zum Schutz der Biodiversität, zur Verbesserung von Bewässerungssystemen sowie zum Verständnis von ökosystemen in Trockengebieten vorgestellt.

Warum müssen wir uns in Deutschland mit diesen Problemen beschäftigen? Die Welt ist inzwischen so stark vernetzt, dass gravierende wirtschaftliche oder ökologische Probleme nicht mehr lokal beschränkt bleiben, sondern Schockwellen um die ganze Erde senden können. Trockengebiete und Wüsten nehmen fast 2/3 der Landoberfläche der Erde ein. Konflikte, wie zwischen Syrien und der Türkei oder Israel und seinen arabischen Nachbarländern, aufgrund von Wasserrechten beeinflussen auch die Politik in Deutschland. ökologische und Wirtschaftsasylanten spielen eine große Rolle in politischen Diskussionen. Die Ausbreitung von Wüsten in Südeuropa hat Auswirkungen auf den europäischen Agrarmarkt. Ganze Kulturen sind in der Vergangenheit aufgrund der Ausbreitung von Wüsten untergegangen.

Aus diesen Gründen besteht nicht nur auf der Ebene der EU ein Schwerpunktprogramm "Trockengebiete" sondern hat die UN auch ein Wüstensekretariat in Bonn eingerichtet. Lösungen zu den angesprochenen Problemen zu finden, ist nicht einfach, insbesondere, wenn Nutzungsformen entwickelt werden sollen, die den extremen und schwer vorhersagbaren Schwankungen der Umweltbedingungen in Trockengebieten angepasst sind. Sie erfordern ein gutes Verständnis der wesentlichen Prozesse, die Wüstenökosysteme steuern.

Wüstenbildung - ein zentrales Problem globaler Umweltveränderungen Wüsten bedrohen den Lebensraum von Millionen von Menschen und die wirtschaftliche Entwicklung riesiger Landflächen auf dieser Welt. Die Ausdehnung von Wüstengebieten gehört zu den zentralen Problemen globaler Umweltveränderungen, die nicht nur für die betroffenen Regionen Auswirkungen haben, sondern weltweit zu sozialen und politischen Spannungen führen. überweidung von Savannen, Abholzen von Savannenbäumen und Wäldern, bodenzerstörende Anbau- und Erntemethoden stellen treibende Ursachen für tiefgreifende Veränderungen dar, die aus produktiven Savannen erst empfindliche Halbwüsten und schließlich nackte Erde entstehen lassen. Der organischen Stoffe beraubt, verliert der Boden seine Fruchtbarkeit und seine Fähigkeit, Wasser zu binden: die Wüsten breiten sich aus. Dieser Prozess wird als Desertifikation bezeichnet. Mit dieser Ausdehnung von Wüstengebieten werden auch den Menschen in den betroffenen Regionen die Lebensgrundlagen entzogen. Die Verschärfung der Lebenssituation führt zu einem Kampf über die verbliebenen natürlichen Güter und insbesondere zu einem Kampf um Wasserrechte. Parallel zu diesem Kampf entstehen erhebliche gesellschaftliche und politische Spannungen, die sich zu kriegsähnlichen Konflikten ausweiten können (z.B. um Wasserrechte: Israel - Palästina; Türkei - Irak - Syrien; Bangladesh - Indien). Gleichzeitig steigt die Zahl der politischen und wirtschaftlichen Flüchtlinge, die in sichereren Zonen wie Mitteleuropa eine neue Heimat suchen. Gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit in den Industrieländern werden solche heimatlosen Menschen nicht selten als Ventil für ungelöste hausgemachte Probleme verwendet (Ausländerfeindlichkeit).

Nicht nur arme Entwicklungsländer sind unmittelbar von Landzerstörungen und der damit verbundenen Ausbreitung von Wüsten betroffen. Auch reiche Länder wie Australien und europäische Mittelmeerländer leiden darunter. So werden alleine in Westaustralien die Kosten für die wichtigsten Maßnahmen zur Kontrolle dieses Prozesses auf knapp 2 Milliarden DM geschätzt, und die Lebensgrundlagen von mehr als 500.000 Menschen sind betroffen! Bereits zu Beginn der 90er Jahre trat am östlichen Rand der australischen Wüstengebiete eine Notstandssituation auf, und große Gebiete mussten von der Armee mit Wasser versorgt werden.

Andererseits existieren auch zahlreiche alte Wüsten und Trockengebiete auf unserer Erde, an die sich eine Vielfalt hochspezialisierter Tier- und Pflanzenarten angepasst hat. Deren Studium kann uns wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie Lebewesen mit den extremen Bedingungen in Trockengebieten zurechtkommen, und uns Ansatzpunkte liefern, wie der Ausbreitung der Wüsten entgegengewirkt werden kann und wie ökologisch angepasste Landnutzungen in Trockengebieten entwickelt werden können. Die Untersuchung von Indikator-Arten und der Biodiversität insgesamt liefert uns frühzeitig Hinweise auf schleichende Veränderungen in Trockengebieten, die den dort lebenden Menschen langsam die Lebensgrundlage entziehen. Sie liefern außerdem ein Verständnis, welche Prozesse für die Degradation der Lebensräume in Trockengebieten verantwortlich sind.

Ihre UFZ-Ansprechpartner für inhaltliche Fragen sind:

Prof. Dr. Christian Wissel
Leiter der Sektion Ökosystemanalyse
Telefon: 0341/235-3245

Dr. Klaus Henle
Leiter des Projektbereiches Naturnahe Landschaften und Ländliche Räume
Telefon: 0341/235-2519