Pressemitteilung vom 11. Dezember 2008

Europas Tagfalter durch Klimawandel ernsthaft bedroht

UFZ und NABU stellen neuen europäischen Klimaatlas der Schmetterlinge vor

Berlin/Leipzig. Europas Tagfalter sind durch den Klimawandel ernsthaft bedroht. Allein für den Aurorafalter gilt, dass er unter heutigen Bedingungen im Jahre 2080 über 85 Prozent seines Lebensraumes verlieren könnte. Dies zeigt der am Mittwoch erstmals der Öffentlichkeit vorgestellte Klimaatlas der europäischen Tagfalter. Er legt dar, wie die Mehrzahl europäischer Tagfalter auf den Klimawandel reagieren könnte.

Tagfalter Lycaena virgaureae

Der Dukatenfalter (Lycaena virgaureae) ist einer der Schmetterlinge, den die Forscher untersuchten.
Foto: Albert Vliegenthart/Butterfly Conservation Europe (BCE)

download als jpg (1,0 MB)

Tagfalter Boloria selene

In Deutschland kommen derzeit etwa 190 Tagfalterarten vor. Unter dem "Worst-Case-Szenario" würden etwa die Hälfte davon bis 2080 zwei Drittel ihres Lebensraumes verlieren, so sie den Veränderungen nicht hinterher wandern können. Ein Viertel der Arten würde sogar mehr als 95 Prozent des Lebensraumes einbüßen wie zum Beispiel der Braunfleckige Perlmutterfalter (Boloria selene).
Foto: Albert Vliegenthart/Butterfly Conservation Europe (BCE)

download als jpg (1,6 MB)

Tagfalter Phengaris nausithous

Das Verbreitungsgebiet des Dunklen Wiesenknopfes (Phengaris nausithous) wird sich von Zentraleuropa in den Süden Skandinaviens verschieben.
Foto: Dr. Josef Settele/UFZ

download als jpg (0,6 MB)

Nutzungsbedingungen Bildmaterial

Der neue Klimaatlas der Tagfalter Europas ("Climatic Risk Atlas of European Butterflies") zeigt deutlich einen Trend nach Norden im zukünftigen Verbreitungsgebiet vieler europäischer Arten. Unter einem "Worst-Case-Szenario", das von einem durchschnittlichen Temperaturanstieg in Europa von 4,1 °C bis 2080 ausgeht, würden sich beispielsweise für 70 der ca. 300 untersuchten Arten über 95 Prozent des derzeitig geeigneten Klimaareals verschieben. Ein Szenario relativ geringer Veränderung (durchschnittliche Temperaturerhöhung um 2,4°C) würde immer noch den Verlust von über 50 Prozent des derzeitig geeigneten Areals für 147 Arten nach sich ziehen.

"Der Atlas zeigt erstmalig, wie die Mehrzahl europäischer Tagfalter auf den Klimawandel reagieren könnte. Klimaschutz muss endlich ernst genommen werden. Landnutzung und Artenschutz müssen stärker den Erhalt großer und vielfältiger Populationen und zusammenhängender Lebensräume fördern", bekräftigte NABU-Präsident Olaf Tschimpke die Aussagen der Autoren. "Die Art und Weise, in der Tagfalter betroffen sind, gibt uns gute Anhaltspunkte darüber, wie auch viele andere Insekten reagieren dürften - und Insekten machen nicht nur zwei Drittel aller Artenvielfalt aus, sondern sind beispielsweise auch unverzichtbar für erfolgreiche Landwirtschaft", betonte der federführende Autor des Atlasses, Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.

In Deutschland kommen derzeit etwa 190 Tagfalterarten vor. Unter dem "Worst-Case-Szenario" würden etwa die Hälfte davon bis 2080 zwei Drittel ihres Lebensraumes verlieren, so sie den Veränderungen nicht hinterher wandern können. Ein Viertel der Arten würde sogar mehr als 95 Prozent des Lebensraumes einbüßen wie zum Beispiel das Große Wiesenvögelchen oder der Braunfleckige Perlmutterfalter. Unter einem Szenario geringer Veränderung würde bei sonst gleichen Ausgangsbedingungen immer noch ein Viertel der Arten bis 2080 zwei Drittel ihres Klima-Areals verlieren. Schmetterlinge haben durch die Zerstörung von Lebensräumen und durch Veränderungen in der Land- und Forstwirtschaft in den letzten Jahrzehnten bereits starke Verluste hinnehmen müssen. Diese nach wie vor anhaltende Gefährdung wird nun durch die klimatischen Risiken noch verstärkt.

Der Tagfalter-Klimaatlas basiert auf der Arbeit von zahlreichen Wissenschaftlern aus ganz Europa. Der Klimaatlas zeigt aber auch den großen wissenschaftlichen Wert ehrenamtlich erhobener Daten, sind sich UFZ und NABU einig. Der größte Teil der für die Modellierung und Beurteilung der Auswirkungen von Zukunftsszenarien auf die Tagfalter verwendeten Daten aus Deutschland wurde durch die "Bundesarbeitsgemeinschaft Schmetterlinge" des NABU erhoben, dem neben dem vom UFZ betriebenen "Tagfalter-Monitoring-Deutschland" (TMD) größten deutschen Netzwerk ehrenamtlicher Schmetterlingsforscher.

"So alarmierend das Ergebnis ist, gleichzeitig sind wir stolz darauf, dass durch den NABU ein wichtiger Beitrag zum zukünftigen Schutz der Tagfalter geleistet werden konnte", so Olaf Tschimpke. Jetzt sei es an Politik und Landnutzern in ganz Europa, ihre Verantwortung wahrzunehmen und bei den Klimaverhandlungen in Posen und beim EU-Gipfel am 11./12.12. in Brüssel die richtigen Signale für den Klimaschutz zu setzen.

Für Rückfragen:

PD Dr. Josef Settele
Butterfly Conservation Europe & Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Department Biozönoseforschung
Tel: +49 345 558 5320
josef.settele@ufz.de (email bevorzugt und zuverlässiger)

Magnus Herrmann
Referent für Natur- und Artenschutz, NABU Bundesverband
Tel.: 030 -284 984 1618
magnus.herrmann@nabu.de

Volker Wachlin
NABU Bundesarbeitsgemeinschaft Schmetterlinge
Tel. 03834-891922

oder über

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressestelle
Tilo Arnhold
Telefon: (0341) 235 1269
presse@ufz.de

Publikation:

Settele J, Kudrna O, Harpke A, Kuehn I, van Swaay C, Verovnik R, Warren M, Wiemers M, Hanspach J, Hickler T, Kuehn E, van Halder I, Veling K, Vliegenthart A, Wynhoff I, Schweiger O (2008)
Climatic Risk Atlas of European Butterflies, Biorisk 1 (Special Issue)
ISSN 1313-2652 (online), ISSN 1313-2644 (print), ISBN 978-954-642-454-9 (paperback), ISBN 978-954-642-455-6 (hardback), 165x240,
full color edition, recent and modeled (2050, 2080) distribution maps, photo and data on biology and ecology of each species, general chapter on methods of mapping and modeling, references, index, in English.

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).