Interne Kollaboration am UFZ: Brückenschlag zwischen Sozial- und Ingenieurwissenschaften

Willkommen bei unseren internen Kooperationsaktivitäten am UFZ. Unser Department hat sich zum Ziel gesetzt, die Kluft zwischen Sozial- und Ingenieurwissenschaften zu überbrücken, um innovative Forschung und Lösungen voranzutreiben. Unser Fokus auf interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht es uns, komplexe Herausforderungen durch einen umfassenden und integrierten Ansatz anzugehen. Diese Website dient als Plattform für den Austausch von Erkenntnissen, Strategien und die Präsentation der einzigartigen Kooperationen des Departments BEN, die zur Forschungslandschaft am UFZ beitragen.

Projektbeschreibung:

Am UFZ zielen unsere Kooperationsaktivitäten darauf ab, die Forschung zu erneuerbaren Energien und die neuartige Nutzung nachwachsender Rohstoffe in biobasierten technischen Konzepten zu beschleunigen. Wir sind bestrebt, innovative Bioraffineriekonzepte voranzutreiben und sicherzustellen, dass unsere Arbeit nicht nur zur Nachhaltigkeit beiträgt, sondern auch praktische Anwendungen vorantreibt. Die Arbeit der Abteilung BEN trägt dazu bei, die Nachhaltigkeit dieser Konzepte durch fortschrittliche Modellierungs- und Bewertungsmethoden zu erreichen, wobei die technischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen umfassend bewertet werden. Wir haben die planetarischen Grenzen und die SDGs als Rahmen für die Bewertung der Transformationsprozesse in den Bereichen Energie und Bioökonomie festgelegt, um sicherzustellen, dass unsere Entscheidungen datengesteuert und wirkungsvoll sind. Darüber hinaus konzentrieren wir uns auf die regulatorischen Rahmenbedingungen, die für die Transformation der Bioökonomie erforderlich sind, und nutzen regionale Erfahrungen, um die Nutzung der lokal verfügbaren Ressourcen zu optimieren.

Gegenwärtig sind die folgenden Aktivitäten aktive Kooperationen innerhalb des UFZ:

In den letzten Jahren hat die Integration von Ökobilanzen in die frühen Phasen der Prozessgestaltung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese Abkehr von den traditionellen Praktiken ist auf die Notwendigkeit zurückzuführen, die potenziellen Umweltauswirkungen technischer Konzepte von Anfang an zu verstehen. Gate-to-Gate-LCA-Ansätze haben sich als unverzichtbare Instrumente erwiesen, die entscheidende Einblicke in die Umweltauswirkungen technischer Konzepte in der Phase der Prozessgestaltung liefern. Diese Erkenntnisse ermöglichen es den Beteiligten, ökologische Brennpunkte frühzeitig zu erkennen und zu entschärfen und so die Entwicklung nachhaltigerer Technologien zu fördern.

Gate-to-Gate-LCA-Aktivitäten ebnen auch den Weg für umfassende Lebenszyklusansätze, die als Entscheidungsgrundlage dienen, wenn Technologien in den kommerziellen Maßstab übergehen. Dazu gehören Überlegungen zur Auswahl von Rohstoffen, zur Marktidentifizierung und zur Infrastrukturplanung. In Anerkennung der Bedeutung des Lebenszyklusdenkens für die regionale Entscheidungsfindung hat die Abteilung BEN die Modelle RESPONSA (REgional SPecific cONtextualised Social life cycle Assessment) und HILCSA (Holistic and Integrated Life Cycle Sustainability Assessment) entwickelt. Mit ihrer Hilfe soll durch die Integration interdisziplinärer Ansätze aus dem Ingenieurwesen, der Wirtschaftsmodellierung und den Sozialwissenschaften eine umfassende Sichtweise der Nachhaltigkeitsbewertung erreicht werden.

Diese Zusammenarbeit zwischen TB4 und TB6 zielt auf die Bewertung von Technologien im Frühstadium, die am UFZ entwickelt werden, unter Verwendung einer Toolbox von LCA-Methoden. Das Projekt wird die Gate-to-Gate-Prozessentwicklung optimieren und ganzheitliche Bewertungen von zukünftigen Wertschöpfungsketten durchführen. Die LCA-Aktivitäten sollen den TB4-Partnern, die an der technologischen Entwicklung beteiligt sind, Feedback geben und ein gemeinsames Verständnis von Systemdenken vermitteln, um die Innovation im Bereich der Bioökonomie zu beschleunigen.

RESPONSA

RESPONSA model

HILCSA

HILCSA model

RELCA

RELCA model

Die Erforschung einer maßgeschneiderten erneuerbaren Energieversorgung für Elektrobioraffinerien ist derzeit noch wissenschaftliches Neuland. Es ist daher äußerst attraktiv für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem TB4 und dem TB6. Die Hauptforschungsfrage lautet: Wie können erneuerbare elektrische Energiequellen in eine biobasierte Kreislaufwirtschaft integriert werden? Dies wird am konkreten Beispiel der effizientesten und nachhaltigsten kombinierten elektrochemischen/mikrobiellen CO2-Umwandlung zu Chemikalien in Elektrobioraffinerien untersucht.

Basierend auf einer informellen Zusammenarbeit, die in einer ersten Veröffentlichung [Harnisch und Lehneis, 2023] mündete, wollen wir analysieren, wie die Stromnetze für den Übergang zu einer elektrifizierten biobasierten Wirtschaft verändert werden müssen. Aufbauend auf diesem gemeinsamen Papier analysieren wir nun den Status quo und die notwendigen Entwicklungen einer erneuerbaren Stromversorgung am konkreten Beispiel von CO2-basierten Elektrobioraffinerien. Solche CO2-basierten Elektrobioraffinerien koppeln elektrochemische mit biologischen Prozessen, um CO2 mit Hilfe von elektrischer Energie in wertschöpfende Produkte umzuwandeln. Diese Integration nutzt die besten Eigenschaften beider Prozesse, nämlich die hohe Kinetik elektrochemischer Prozesse und die Erzeugung einer breiten Palette von Produkten im Rahmen biologischer Prozesse, um elektrische Energie und CO2 als Substrate zur Herstellung wertvoller Chemikalien und Rohstoffe zu nutzen [Izadi und Harnisch, 2022]. Darüber hinaus wird diese Aktivität zu elektrischen Energieströmen auch zu einer klaren Synergie mit der bereits bestehenden TB4-TB6-Kollaboration führen, die sich nur mit C-Strömen befasst.

In einem ersten Schritt wird eine maßgeschneiderte erneuerbare Stromversorgung als autarke Inselnetzlösung mit einer PV-Anlage und Pufferspeicher betrachtet, die später auch mit Windenergie [Lehneis und Thrän, 2023] oder mit erneuerbarem Überschussstrom betrieben werden kann. Mit diesem Inselnetz und den daraus resultierenden wissenschaftlichen Erkenntnissen kann eine zukünftige bedarfsgerechte Stromversorgung für eine Bioraffinerie realisiert werden. Damit einher geht eine Analyse des technischen Potenzials und die Bereitstellung von realisierbaren Produkten, Prozessen und deren Daten zu Ausbeuten, Titern, der elektrochemischen/mikrobiellen Reaktionsprozesse einer Elektrobioraffinerie für diese Inselnetzlösung. Um eine verlässliche Datenbasis für eine realistische Stromversorgung aus einem Inselnetz mittels physikalischer Simulationsmodelle zu erhalten, ist es notwendig, die variable Stromerzeugung der PV-Anlage über einen längeren Zeitraum, d.h. mindestens ein ganzes Jahr, zu simulieren, um auch saisonale Schwankungen am (fiktiv) geplanten Standort der Elektrobioraffinerie zu erfassen. Mit Hilfe des am TB6 entwickelten Simulationsmodells und unter Verwendung detaillierter Anlagen- und Wetterdaten kann die Stromerzeugung aus einer PV-Anlage mit hoher zeitlicher Auflösung berechnet werden [Lehneis et al. 2020, 2022]. Der Vergleich der Muster der variablen Stromerzeugung der PV-Anlage und des schwankenden Strombedarfs einer Bioraffinerie zeigt mögliche Engpässe oder ungenutzte Überproduktionen im autarken Inselnetz auf und hilft so, das Anlagendesign und die Größe des Pufferspeichers zu optimieren. Darüber hinaus können diese Erkenntnisse auch genutzt werden, um die elektrochemisch-mikrobiellen Reaktionsprozesse einer Elektrobioraffinerie sehr gut an die energetischen Bedingungen einer solchen Inselnetzlösung anzupassen.

Elektrobiotechnologie als Baustein für die Bioökonomie

Literaturhinweise:

Harnisch, F.; Lehneis, R. The power grids need to be made ready for a circular and bio-based economy. Next Sustainability 2023, 2, 100010. https://doi.org/10.1016/j.nxsust.2023.100010

Izadi, P; Harnisch, F. Microbial | electrochemical CO2 reduction: To integrate or not to integrate?. Joule, 2022, 6, 935 – 940. https://doi.org/10.1016/j.joule.2022.04.005

Lehneis, R.; Thrän, D. Temporally and Spatially Resolved Simulation of the Wind Power Generation in Germany. Energies 2023, 16, 3239. https://doi.org/10.3390/en16073239

Lehneis, R.; Manske, D.; Thrän, D. Generation of Spatiotemporally Resolved Power Production Data of PV Systems in Germany. ISPRS International Journal of Geo-Information 2020, 9, 621. https://doi.org/10.3390/ijgi9110621

Lehneis, R.; Manske, D.; Schinkel, B.; Thrän, D. Spatiotemporal Modeling of the Electricity Production from Variable Renewable Energies in Germany. ISPRS International Journal of Geo-Information 2022, 11, 90. https://doi.org/10.3390/ijgi11020090

Der potenzielle Beitrag fortschrittlicher Biotechnologien zu Netto-Null-Produktionssystemen wird durch die Modellierung der Wettbewerbsfähigkeit ausgewählter Biotechnologien (TB4) für die Ressourcenbasis in verschiedenen Bioökonomieszenarien für Deutschland bis 2050 analysiert. Um den Beitrag fortschrittlicher Biotechnologien zu einer zukünftigen Netto-Null-Wirtschaft zu analysieren, modellieren Forscher in TB6 die Wettbewerbsfähigkeit ausgewählter Biotechnologien (TB4) für die Ressourcenbasis in verschiedenen Bioökonomie-Szenarien für Deutschland bis 2050. Die Modellierung erfolgt mit BENOPTex, das ursprünglich entwickelt wurde, um die zukünftige Rolle von Biomasse/Bioenergie im Rahmen der Energiewende in verschiedenen Szenarien in Deutschland zu identifizieren [Millinger et al., 2022; BENOPT].

Das Modell wird derzeit erweitert, um auch die wichtigsten Sektoren der Bioökonomie abzubilden. Die Herausforderung bei der Modellierung fortgeschrittener Biotechnologien mit niedrigem TRL besteht darin, vorherzusagen, wann, zu welchen Kosten und auf welchem Leistungsniveau die Prozesse kommerziell verfügbar sein werden. Eine Idee ist, Bandbreiten in verschiedenen Szenarien zu verwenden, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen (Kosten/Effizienz) diese Biotechnologien Marktpotenzial haben. Die Modellergebnisse könnten somit Ziele für die Entwicklung von Biotechnologien liefern.

Die Modellierung von Szenarien ist jedoch notwendig, wenn es um zukünftige techno-ökonomische Veränderungen geht. Zur Definition von Szenarien für Klimaemissionspfade und Landnutzung, die in TB4, TB5 und TB6 gemeinsam bewertet werden, wurde daher ein Expertenworkshop Bioökonomie mit Teilnehmern aus ganz Deutschland durchgeführt. In Gruppenarbeiten und Diskussionen wurden Treiber und Narrative der Bioökonomie gewichtet, priorisiert und klassifiziert. Im Ergebnis bestand Konsens darüber, dass zukünftige Bioökonomie-Szenarien die folgenden wichtigen, aber unsicheren zukünftigen Entwicklungen abdecken sollten: (1) Verbrauch und Endenergiebedarf, (2) Produktion und technologischer Fortschritt sowie (3) die Verfügbarkeit von Biomasseressourcen unter dem Einfluss von Klimawandel und Ernährungsumstellung [Chan et al., 2022].

Neben den Erkenntnissen zu den Beiträgen der Biotechnologie sollen die Modellergebnisse auch zur Gestaltung eines Ordnungsrahmens für die Bioökonomie beitragen und mit den Handlungsempfehlungen des Bioökonomierates abgestimmt werden [Bioökonomierat, 2023].

Literaturhinweise:

Millinger, M., Tafarte, P., Jordan, M., Musonda, F., Chan, K., Meisel, K., Esmaeili Aliabadi, D. (2022):
A model for cost- and greenhouse gas optimal material and energy allocation of biomass and hydrogen. SoftwareX 20 , art. 101264 10.1016/j.softx.2022.101264

Chan, K., Millinger, M., Schneider, U.A., Thrän, D. (2022): How diet portfolio shifts combined with land-based climate change mitigation strategies could reduce climate burdens in Germany
J. Clean Prod. 376 , art. 134200 https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2022.134200

Bioökonomierat (2023): Bioökonomie nachhaltig umsetzen! Erste Handlungsempfehlungen des Bioökonomierats zur Umsetzung der Nationalen Bioökonomiestrategie, https://www.biooekonomierat.de/media/pdf/arbeitspapiere/2023-06-07_boer_erste_Handlungsempfehlungen_ Biooekonomie_nachhaltig_umsetzen_Langfassung.pdf?m=1702479108&