Pressemitteilung vom 12. Januar 2012

Größte Seevogelart ändert ihre Nahrungssuche durch den Klimawandel

Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen im Südpolarmeer

Paris / Leipzig. Wanderalbatrosse haben ihre Nahrungssuche in den letzten Jahrzehnten den veränderten Windverhältnissen auf der Südhalbkugel angepasst. Die Luftströmungen dort haben an Intensität zugenommen und sich nach Süden verlagert. Dadurch ist das Futter für die Albatrosse schneller von den Brutkolonien aus erreichbar. Die Vögel verbringen somit jetzt weniger Zeit mit der Nahrungssuche. Zudem habe sich der Bruterfolg verbessert und die Tiere hätten in den letzten Jahrzehnten um durchschnittlich ein Kilogramm an Gewicht zugelegt, schreibt ein internationales Forscherteam in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins SCIENCE. Diese positiven Folgen des Klimawandels könnten jedoch von kurzer Dauer sein, wenn die prognostizierten Klimaszenarien eintreten und sich die Windmuster der Antarktis weiter verschieben, warnen die Forscher.

Forscher bringen Sender an Albatros an

Forscher rüsten einen Wanderalbatros auf den Crozet Inseln mit einem Sender aus, um dessen Flüge untersuchen zu können.
Foto: David Gremillet/CNRS

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Wanderalbatros im Flug

Wanderalbatrosse verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in der Luft. Sie haben sich bestens an die rauen Windbedingungen in den antarktischen Gewässern angepasst. Auf der Suche nach Nahrung legen sie tausende Kilometer um ihre Brutinseln im Südpolarmeer zurück.
Foto: Paul Tixier/CNRS

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Für ihre Studie hatten die Biologen Daten zur Dauer der Nahrungssuche und zum Bruterfolg der letzten 40 Jahre sowie zur Ernährung und Gewicht der letzten 20 Jahre von Wanderalbatrossen (Diomedea exulans) auf den Crozetinseln ausgewertet. Die Inselgruppe liegt zentral im südlichen Indischen Ozean - etwa in der Mitte zwischen Madagaskar und der Antarktis. Sie gehört zu den Französischen Antarktisgebieten und befindet sich im stürmischsten Teil des Südpolarmeeres. Die neuen Erkenntnisse sind Ergebnis einer Zusammenarbeit des französischen Nationalen Zentrums für wissenschaftliche Forschung (CEBC-CNRS) und des deutschen Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ).

Dank miniaturisierter Tracking-Geräte konnten die Forscher die Nahrungssuche der Albatrosse im Umkreis von bis zu 3500 Kilometern um die Brutkolonie verfolgen. Dabei zeigte sich, dass sich die Nahrungssuche mit den Windverhältnissen in den letzten zwei Jahrzehnten verändert hat. Im Durchschnitt fliegen die Wanderalbatrosse jetzt schneller als in den 1990er Jahren in weiter südwärts gelegene Gebiete. "Das führt dazu, dass sie schneller Nahrung aufnehmen können, kürzer in der Luft sind und damit eher am Nest zurück sind. Dadurch hat sich der Bruterfolg verbessert", erklärt Dr. Henri Weimerskirch vom französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CEBC-CNRS). Überrascht waren die Forscher, dass die Weibchen und Männchen in den letzten zwei Jahrzehnten durchschnittlich ein Kilo zugenommen haben, was rund einem Zehntel des Körpergewichts entspricht. Dies könnte nicht nur ein Resultat des häufigeren Wechselns beim Brüten und Füttern sein, sondern auch eine Anpassung an den Klimawandel: Mit zunehmenden Gewicht können die Vögel besser mit Sturm umgehen.

"Die Population der Wanderalbatrosse ist auf den Crozetinseln durch die Langleinenfischerei in den nördlicheren Gewässern zurückgegangen. Früher sind viele Weibchen an den kilometerlange Leinen mit Fischköder umgekommen", berichtet Dr. Maite Louzao Arsuaga, die vom 2009 bis 2011 am UFZ an der Modellierung der Albatrossflugbewegungen geforscht hat. "Durch die veränderten Windverhältnisse suchen die Weibchen jetzt aber zunehmend im Süden nach Nahrung, wo diese Art der Fischerei bisher nicht so verbreitet ist. Dadurch hat sich die Population leicht erholt." Allerdings rechnen Klimaszenarien für 2080 damit, dass sich die Westwinde noch weiter in Richtung Südpol verschieben werden. Dann müssten die Wanderalbatrosse wieder weiter fliegen, um optimale Segelbedingungen zu finden. Ob die Erholung der Population lange anhält, ist daher fraglich.

Die Gesamtpopulation des Wanderalbatros wird weltweit auf rund 8.000 Brutpaare geschätzt. Bei allen Populationen wurde in den letzten 25 Jahre ein teilweiser Rückgang registriert. Die Art ist hauptsächlich durch Beifang bei der Langleinenfischerei gefährdet. Aber auch das Einschleppen fremder Arten wie Ratten oder Katzen bedrohen die Brutkolonien. Daher ist es wichtig, die Monitoringprogramme zur Bestandsentwicklung auf dem Meer fortzusetzen sowie wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dass sich der Lebensraum der Wanderalbatrosse über den Zuständigkeitsbereich mehrerer regionaler Fischerei-Managementorganisationen erstreckt, erschwert den Schutz der bedrohten Art zusätzlich.

Der Wanderalbatros fasziniert die Menschen seit Jahrhunderten: Mit einer Flügelspannweite von über drei Metern ist er der größte Seevogel der Welt und übertrifft in der Spannweite knapp den Andenkondor (Vultur gryphus). Die eleganten Segler, die die meiste Zeit ihres Lebens in der Luft verbringen, brüten auf Inseln im antarktischen Ozean. Auf der Suche nach Fischen und Kopffüßern wie Tintenfischen legen sie tausende Kilometer zurück. Oft folgen sie dabei Schiffen und ernähren sich auch vom Abfall. Das Gefieder der Wanderalbatrosse wird mit zunehmendem Alter schneeweiß. Bis zu 55 Jahre wurden die ältesten bekannten Wanderalbatrosse. Da die Aufzucht der Jungen ein ganzes Jahr dauert, brüten sie nur jedes zweite Jahr.

Zusätzlich zu den Ergebnissen, die jetzt in SCIENCE publiziert wurden, hat das internationale Forscherteam in einem Artikel im Journal of Applied Ecology besonders wichtige Gebiete für den Schutz dieser Art identifiziert. Diese Studie stellt Karten zur Verfügung, die zur Entwicklung eines künftigen Netzwerkes von Schutzzonen genutzt werden können und auf statistischen Modellen für die geeigneten Lebensräume dieser Indikatorart beruhen. "Weil die Art keine natürlichen Feinde hat und an der Spitze der Nahrungskette steht, eignet sie sich besonders gut als Indikator für den Zustand der marinen Ökosysteme", sagt Dr. Thorsten Wiegand vom UFZ, der die Arbeit von Maite Louzao betreut hat. "Das könnte nicht nur helfen, eine einzelne Art, sondern das ganze Ökosystem Südpolarmeer zu schützen. Außerdem zeigt das Beispiel, dass die von uns entwickelten Methoden zur Modellierung von Lebensräumen breit anwendbar sind und auch für Szenarien des globalen Wandels genutzt werden können."
Tilo Arnhold

Publikation

Henri Weimerskirch, Maite Louzao, Sophie de Grissac, Karine Delord (2012):
Changes in Wind Pattern Alter Albatross Distribution and Life-History Traits. SCIENCE. 335: 221. 13 January 2012
DOI: 10.1126/science.1210270
http://dx.doi.org/10.1126/science.1210270
http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/335/6065/211/DC1

Louzao, M., Pinaud, D., Péron, C., Delord, K., Wiegand, T., Weimerskirch, H. (2011):
Conserving pelagic habitats: seascape modelling of an oceanic top predator. J. Appl. Ecol. 48 (1), 121 - 132
http://dx.doi.org/10.1111/j.1365-2664.2010.01910.x

Die Untersuchungen wurden u.a. vom Französischen Polarinstitut (IEPV), der Prince Albert II de Monaco Fondation, dem Spanischen Bildungs- und Wissenschaftsministerium sowie einem Marie-Curie-Stipendium der EU gefördert.

Weitere Informationen

Dr. Maite Louzao Arsuaga
Instituto Español de Oceanografía, Xixón, Spain (www.ieo.es)
Phone: +34 985 309 807
www.thorsten-wiegand.de/towi_visitors_Maite.html
www.cebc.cnrs.fr/Fidentite/louzao-arsuaga/louzao_arsuaga.htm
www.cebc.cnrs.fr/ecomm/En_ecomm/equip_MLA.html
sites.google.com/site/maitelouzao

Dr. Henri Weimerskirch
Centre d’Etudes Biologiques de Chizé, CNRS
Phone: + 33 (0) 5 49 09 78 15
Dr. Henri Weimerskirch

Dr. Thorsten Wiegand
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1714
Dr. Thorsten Wiegand

Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341 235 1269
presse@ufz.de

Weiterführende Links

Nature of wandering Albatross birds - David Attenborough - BBC wildlife
www.youtube.com/watch?v=TUS8uQnx1VA
www.youtube.com/watch?v=DnQG4zeWDLg

Agreement on the Conservation of Albatrosses and Petrels (ACAP)
www.acap.aq
www.acap.aq/acap-species/view-document-details/1207-wandering-albatross

Wandering Albatross (Diomedea exulans)
www.birdlife.org/datazone/speciesfactsheet.php?id=3952

"Aktion Tod + Leben" (Rattenbekämpfung auf Südgeorgien), von Ines Possemeyer, GEO-Magazin 08/2011
www.geo.de/GEO/natur/oekologie/69518.html?p=1

Ökologische Modellierung am UFZ
www.ufz.de/index.php?de=1444

Marine protected areas for the conservation of marine top predators (MPACONTOP)
www.helmholtz.de/en/research/eu_projects/people/intra_european_fellowships_ief/mpacontop/

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg ungefähr 1.000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 31.745 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).