Pressemitteilung vom 6. Februar 2009

Evolution im Schneckentempo vor der Haustür

Europaweites Projekt zum Mitmachen startet im Darwin-Jahr 2009

Berlin/ Halle(Saale). Europas Biologen suchen Tausende Freiwillige, um die Evolution der Bänderschnecken aufzuklären. Durch möglichst viele Beobachtungen von Schneckengehäusen soll untersucht werden, wie sich die Tiere an Klimawandel und Fressfeinde angepasst haben. Am 200. Geburtstag von Charles Darwin, dem 12. Februar, starten das Museum für Naturkunde Berlin, der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die deutsche Version eines neuen europaweiten Mitmach-Projekes. Das "Evolution MegaLab" ist einer der Gewinner des Wettbewerbs "Evolution heute" der VolkswagenStiftung.

Gehäuse der Schwarzmündigen Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) und der Weißmündigen Bänderschnecke (Cepaea hortensis)

Die Schwarzmündige Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) und die Weißmündige Bänderschnecke (Cepaea hortensis) kommen in verschiedensten Lebensräumen in Europa vor und weisen eine hohe Vielfalt an verschiedenen Gehäusen auf.
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Schwarzmündige Bänderschnecke (Cepaea nemoralis)

Europaweit werden im Darwin-Jahr 2009 Freiwillige gesucht, um die Evolution der Schwarzmündigen Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) aufzuklären.
Foto: André Künzelmann/UFZ

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Schwarzmündige Bänderschnecke (Cepaea nemoralis)

Die Schwarzmündige Bänderschnecke (Cepaea nemoralis).
Foto: Al Geer/ Evolution MegaLab

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Nutzungsbedingungen Bildmaterial

"Um die Evolution selbst zu erleben und zu erforschen, muss man nicht nach Galapagos reisen. Evolution findet auch bei uns jeden Tag vor der Haustür statt", sagt Dr. Christian Anton vom UFZ, der das Projekt in Deutschland koordiniert. Eines der allgegenwärtigen und doch oft übersehenen Beispiele: Die Schwarzmündige Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) und die Weißmündige Bänderschnecke (Cepaea hortensis) kommen in verschiedensten Lebensräumen zwischen Norwegen und Spanien vor. Selbst in den Alpen schaffen sie es auf bis weit über 1000 Meter Höhe. Ihre Gehäuse sind gelb, rot oder braun und haben bis zu fünf Bänder. Damit tarnen sie sich in den verschiedensten Lebensräumen vor der Singdrossel, von der sie gefressen werden.

Die Farbe des Schneckenhauses beeinflusst auch die Temperatur der Schnecke. So werden dunkle Schnecken im Licht schneller warm als helle. In kühlen Gegenden sind daher mehr dunkle Schneckenhäuser zu finden. Die Zahl der Bänder und die farbliche Anpassung der Bänderschnecken an Lebensraum und Klima ist ein Beispiel für Evolution. Durch den Klimawandel steigen die Temperaturen. Haben sich die Schnecken bereits angepasst? Sind heute mehr gelbe Schnecken zu finden als früher? Antworten auf diese Fragen erhoffen sich die Forscher von freiwilligen Beobachtern in ganz Europa. "Die Evolution ist nicht abgeschlossen, sondern ein fortwährender Prozess. Wir begegnen ihr ständig und sie erinnert jeden von uns an Wandel und Vergänglichkeit. Wer genau hinschaut, blickt sogar in unsere Zukunft und erkennt den Teil im Ganzen. Die Betrachtung der Bänderschnecke gibt daher Einblick in die Evolution auch unseres Lebens", so der Fernsehjournalist und -moderator Ranga Yogeshwar, der das Projekt unterstützt.

Das Mitmachen bei dem bisher einmaligen Experiment ist ganz leicht: Schnecken suchen, die wichtigsten Merkmale (Farbe, Anzahl der Bänder und Ort des Fundes) notieren und auf der Internetseite www.evolutionmegalab.org eintragen. Gleich danach werden die Daten auf der Karte angezeigt. Nach und nach wird so ein europaweites Bild entstehen, das Evolution nachvollziehbar macht. Die Projektseite bietet neben Hintergrundinformationen auch Tipps zum Mitmachen. Mit ein wenig Glück finden die Teilnehmer auf der Karte mit den historischen Daten einen Fundpunkt in ihrer Nähe. In diesem Fall kann man den alten Fundpunkt untersuchen und entdecken, ob die Evolution aktiv war. Momentan sind erst 200 historische Populationen zu sehen. Weitere 700 werden in den nächsten Wochen folgen. Die Forscher hoffen, dass im Darwin-Jahr 2009 möglichst viele weitere Daten über die kleinen Schleimer mit den bunten Gehäusen dazu kommen werden.
Tilo Arnhold

Weitere Informationen:

Dr. Christian Anton
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Theodor-Lieser-Str. 4
06120 Halle
Telefon: 0345-558-5310
Dr. Christian Anton
christian.anton@ufz.de

oder über

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressestelle
Tilo Arnhold
Telefon: (0341) 235 1269
presse@ufz.de

Weiterführende Links:

Forschungsprojekt
www.evolutionmegalab.org

Schwarzmündige Bänderschnecke:
de.wikipedia.org/wiki/Cepaea_nemoralis

Weißmündige Bänderschnecke:
de.wikipedia.org/wiki/Cepaea_hortensis

Darwin-Jahr 2009:

weiterführende wissenschaftliche Publikationen:
R.A.D. Cameron, B.M. Pokryszko (2008): Variation in Cepaea populations over 42 years: climate fluctuations destroy a topographical relationship of morph-frequencies. Biological Journal of the Linnean Society, 95, 53-61.
http://dx.doi.org/10.1111/j.1095-8312.2008.01042.x

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

Das Museum für Naturkunde Berlin, seit Januar 2009 Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, ist mit über 30 Millionen Sammlungsobjekten und einem Museum mit 6.600 Quadratmetern Ausstellungsfläche das größte deutsche Naturkundemuseum und eines der fünf größten weltweit. Im Zentrum der Forschungen an heutigen wie ausgestorbenen Lebensformen stehen Fragen zur biologischen Vielfalt und zu den Ursachen morphologischer und genetischer Vielgestaltigkeit der Organismen auf der Erde. 2009 würdigt das Museum Leben und Werk Charles Darwins mit der großen Sonderausstellung "Darwin - Reise zur Erkenntnis", die am 12. Februar feierlich eröffnet wird. Ein umfangreiches Rahmenprogramm, welches eine Vortragsreihe, wissenschaftliche Kongresse, Film- und Theaterabende, sowie museumspädagogische Programme beinhaltet, wird die Ausstellung begleiten.

Der NABU ist mit rund 450.000 Mitgliedern und Förderern einer der größten Umweltverbände Deutschlands. Er unterhält eigene Forschungsinstitute und betreibt Umweltbildung. Seit 1899 realisiert er konkrete Naturschutzprojekte und meldet sich zu Wort, wenn die Natur einen Anwalt braucht. Der NABU beteiligt sich an behördlichen Naturschutzverfahren und begutachtet Eingriffe in die Natur, um Umweltschäden zu vermeiden und Lösungen vorzuschlagen. Der NABU ist in rund 1.500 lokalen Kreisverbänden und Gruppen in ganz Deutschland organisiert und vornehmlich ehrenamtlich tätig.