Sichere Aussagen zu Wechselwirkungen von Umweltfaktoren und Gesundheit kann die Wissenschaft nur treffen, wenn beweiskräftige
Studien mit Hunderten oder gar Tausenden Probanten vorliegen. Im Leipziger Umweltmedizinischen Zentrum laufen zumeist mehrere solcher
Studien, teilweise über viele Jahre. Deshalb kann das UMZ die realen Gefahren zunehmend beim Namen nennen.
Was gefährdet die Kinder wirklich?
UMZ-Studien bringen Licht in komplexes Geschehen
Neben individueller Diagnose und Therapie von Patienten, die an umweltbeeinflussten Erkrankungen leiden, zählen umfangreiche
epidemiologische Studien zu den Aufgaben des Umweltmedizinischen Zentrums Leipzig. Diese populationsbezogenen Untersuchungen zu
Risikogruppen und Risikofaktoren haben im Idealfall wiederum direkten Nutzen für den einzelnen Patienten in der umweltmedizinischen Ambulanz.
In dieser Wechselwirkung, verbunden mit dem sofortigen Übergang neuer Erkenntnisse in die Lehre an der Universität, besteht die
Besonderheit des Umweltmedizinischen Zentrums Leipzig.
Die vier umfangreichsten Langzeitstudien des UMZ sind die Risiko-Neugeborenen-Kohortenstudie "LARS" (Leipziger Allergie-Risiko-Kinder-Studie),
die Schulanfänger-Studie "LISS" (Leipziger Infektions-, Allergie- und Atemwegserkrankungsstudie bei Schulanfängern), die
KIGA-Studie (Untersuchungen zu Atemwegserkrankungen und Allergien bei Kindergartenkindern) und die LISA-Studie (Lebensstil - Immunsystem -
Allergien) mit Neugeborenen.
Die erste der Studien war KIGA. Sie sollte die Frage beantworten, inwieweit das Lebensumfeld der Kinder (Industriegebiet, Gewerbegebiet,
Wohngegend in Parknähe) allergische und Atemwegs-Erkrankungen beeinflusst. Vor allem Messungen der Atemluft und
Fragebogenaussagen bildeten die Datengrundlage. Deutlich sichtbares Ergebnis: der Zusammenhang zwischen verkehrstypischen
Expositionen (Gesundheitsgefährdungen) und allergischen Erkrankungen. Bronchitis hingegen wurde stärker in hausbrandbelasteten
Gegenden festgestellt. Interessant ist zudem, dass die Kinder den gesundheitlich bedeutsamen flüchtigen Verbindungen (VOC) vor allem in
der elterlichen Wohnung ausgesetzt waren, wesentlich weniger hingegen in den Kindereinrichtungen und am wenigsten draußen.
Die Untersuchungen zu LARS bezogen sich auf Allergie-Risiko-Kinder des Geburtsjahrganges 1995. Das Risiko, im späteren Leben eine
Allergie zu bekommen, wurde zur Geburt anhand der Analyse des Nabelschnurblutes, der familiären Belastung und des Geburtsgewichtes
bestimmt. Die Studie widmete sich unter anderem dem Zusammenhang zwischen der Gefährdung durch gasförmige Stoffe und Schimmelpilze im
Innenraum und dem Auftreten von Asthma, Atemwegsinfektionen bzw. Allergien. Bewiesen wurde dabei erstmals, dass wichtige Funktionen des
Immunsystems durch die genannten Belastungen zurückgedrängt werden. Derartige spezielle immunologische Untersuchungen werden von
Wissenschaftlern des Departments Umweltimmunologie - im Jahr 2000 als Nachwuchsforschergruppe gegründet - in Zusammenarbeit mit
Wissenschaftlern des Departments Expositionsforschung und Epidemiologie vorgenommen. Um differenziertere Aussagen zu treffen, wurde u.a.
auch die Sporenkonzentration nach Innenluft des Kinderzimmers und Außenluft unterschieden. Resultat dieser Untersuchung war die
Aufgliederung der einzelnen Pilzsporen in solche, die vorrangig im Innenraum entstehen und solche, die von außen hereingetragen werden.
Für Allergie-Risiko-Kinder, so ist jetzt bewiesen, stellen Innenraumbelastungen mit Schimmelpilzsporen in Abhängigkeit zur Gattung und
gasförmige Schadstoffe Risikofaktoren dar. Dies gilt sowohl für Atemwegsinfekte, also auch für obstruktive (die Bronchien verstopfende)
Atemwegserkrankungen und Sensibilisierung gegenüber Allergenen.
Die LISS-Studie, die Fragebogenaktionen mit Untersuchungen verband, widmete sich vor allem den Wechselwirkungen zwischen
Infektion und Allergie. Hierbei stand neben Atemwegsinfektionen die Infektion des Verdauungstraktes mit dem Heliobacter-pylori-Bakterium im
Mittelpunkt.
Unter vielen Aspekten lassen sich die Ergebnisse der drei Studien auch zusammenfassen. So wurde nachgewiesen, dass die Abnahme der
hausbrandverursachten SO2-Belastung zu einer deutlichen Verringerung der Bronchitis-Erkrankungen bei Kindern geführt hat. Dass andererseits
Verkehrsbelastungen mit allergischen Erkrankungen im Zusammenhang stehen, wurde ebenfalls gezeigt. Gleichzeitig wurde eine stärkere
Belastung im Innenraum durch unterschiedliche Stoffe registriert. Eine Erklärung dafür könnte in den veränderten Heiz- und Lüftungsgewohnheiten
liegen.
LARS und LISS belegen außerdem, dass insbesondere vom Renovieren eine Gefahr für die Kinder ausgeht, an Allergien, insbesondere an
Atemwegssymptomen oder Neurodermitis zu erkranken. Viele Farben, Lacke, Holzschutzmittel und Klebstoffe enthalten flüchtige organische
Verbindungen, die sich für lange Zeit in der Innenraumluft befinden - und das nicht nur in den Zimmern, in denen gemalert wurde oder die neue
Möbel erhielten. Rund ein halbes Jahr dauert es, ehe die Atemluft wieder die Qualität von vor den Verschönerungs-Aktionen erreicht hat.
Die Wissenschaftler fanden außerdem im Nabelschnurblut der Neugeborenen Hinweise dafür, dass der längerfristige Aufenthalt von
Schwangeren in frisch renovierten oder neu eingerichteten Räumen sich ungünstig auf die spätere Entwicklung von Allergiesymptomen
auswirken kann. Dennoch wird bei 60 Prozent der künftigen Eltern in Erwartung des Nachwuchses in der Wohnung und hier insbesondere im
Kinderzimmer renoviert. In 25 bis 30 Prozent dieser Fälle kam es zu erheblichen überschreitungen des Orientierungswertes der 26 flüchtigen
organischen Stoffe, die üblicherweise in Wohnungen gefunden und deshalb als Leitkomponenten herangezogen werden.
"Um begründet vorbeugend wirken zu können", so Professor Olf Herbarth, Leiter des Departments Expositionsforschung und Epidemiologie am
UFZ und Direktoriumsmitglied des Umweltmedizinischen Zentrums, "sind weitere Studien erforderlich. Wir müssen noch mehr Licht in das sehr
komplexe Geschehen bringen. Dazu müssen die Risikofaktoren auch in einer Wertigkeitsskala in Bezug auf Erkrankungen dargestellt werden.
Nur wenn diese Faktoren bekannt sind, können wir die Ursachen von umweltassoziierten Erkrankungen bei der Wurzel packen."
Fachlicher Kontakt
Professor Olf Herbarth
UFZ-Department Expositionsforschung/Epidemiologie
e-mail: olf.herbarth@ufz.de
Telefon: 0341/235-2365
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