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Ein Atemzug und ein ganzer Cocktail von Substanzen durchströmt die Lunge - darunter nicht wenige Schadstoffe. Welche das im konkreten Fall sind und wie konzentriert sie eingeatmet werden, kann das Labor für Humanexpositionsuntersuchungen im UMZ ermitteln und mit dem Umfeld des Patienten in Verbindung bringen.


Blick in die Luft

Labor für Humanexpositionsuntersuchungen im UMZ analysiert Schadstoffe in der Atemluft

Da sich der Mensch hierzulande und heutzutage rund 90 Prozent der Zeit in Innenräumen aufhält, gehört die Erfassung der dort herrschenden Luftzusammensetzung zu einer der wichtigsten Aufgaben des Umweltmedizinischen Zentrums Leipzig. Doch Luft ist nicht problemlos unters Mikroskop oder in andere Analysegeräte zu legen. Deshalb bedarf es zwischen der Vermutung von Schadstoffen im Raum und der klaren Aussage über deren Qualität und Quantität einer ganzen Reihe von Zwischenschritten. Diese werden im Labor für Humanexpositionsuntersuchungen gegangen, das seitens des UFZ im Umweltmedizinischen Zentrum Leipzig integriert ist.

Zuerst einmal müssen die Schadstoffe "eingesammelt" werden. Dies geschieht mithilfe eines Passivsammlers, der vier Wochen lang in der Wohnung des Patienten angebracht wird. Wichtigster Bestandteil dieser Apparatur ist ein Aktivkohleplättchen etwa in der Größe eines Zwei-Euro-Stückes. Aktivkohle ist reiner Kohlenstoff. Aufgrund ihrer porösen Struktur besitzt sie eine sehr große Oberfläche, auf der sich Moleküle anlagern können (Adsorption ). Auf diesem Plättchen sammeln sich im Laufe der vier Wochen auch die Schadstoffe, die es zu analysieren gilt. Wieder ebenso dicht verpackt wie beim Transport in die Wohnung wird der Passivsammler dann in das Labor gebracht, wo es seine "Begegnungen" preisgeben wird.

Eine zweite Methode der Probenentnahme ist die "aktive" Sammlung von Luft (Luftansaugung). Das geschieht mittels einer äußerlich an eine Fahrradluftpumpe erinnernden Apparatur. Die zu untersuchende Luft wird hier durch ein Adsorbens gesaugt, das ähnlich des Aktivkohleplättchens eventuelle Schadstoffe festhält. Diese schnellere Methode wird vor allem in Akutfällen angewandt, in denen keine Zeit für eine vierwöchige Messung mit dem Passivsammler ist. "Auch wenn beide Entnahmemethoden auf dem gleichen Grundprinzip beruhen, sind die ermittelten Ergebnisse nicht problemlos miteinander vergleichbar", erläutert die Chemikerin Martina Rehwagen. "Im Moment sind wir dabei, durch Parallelanwendung die Vor- und Nachteile beider Verfahren zu ermitteln."

Sind die Schadstoffe festgehalten, gilt es, sie zu bestimmen und die Intensität ihres Vorkommens zu messen. Dazu werden die Sammler mit Lösungsmittel gefüllt und geschüttelt. Später wird das die Schadstoffe beinhaltende Lösungsmittel im Gaschromatographen bei 250 Grad Celsius verdampft. Was bleibt, ist ein die Schadstoffe tragendes Gas. Und dieses Gas wiederum wird durch eine 60 Meter lange Säule geschickt. Diese Säule allerdings ist hauchdünn und zu einer untertassengroßen Spirale zusammengewickelt, die bequem im Gaschromatographen Platz findet. Beim Absolvieren der 60-Meter-Strecke entmischen sich durch die Wechselwirkung mit der Säulen-Innenbeschichtung dessen Bestandteile. Am Ende kommen die im Gas enthaltenen Stoffe säuberlich nach ihrem Molekulargewicht bzw. Siedepunkt sortiert heraus. Das kann Martina Rehwagen auf ihrem Bildschirm verfolgen. Große Peaks auf dem Chromatogramm markieren die am stärksten vertretenen Substanzen, winzige Spitzen die zwar bestimmbaren, aber kaum messbaren Stoffe. Anhand dieses Diagramms können die Chemiker errechnen, in welcher Konzentration welche Substanz in der Raumluft des Patienten vorhanden war. So sind zum Beispiel Konzentrationen in Millionstel Gramm pro Kubikmeter und geringer nachweisbar. Rund 120 Komponenten - sowohl chemische als auch biogene - umfasst das Standard-Suchprogramm dieses Analyseweges. Den Medizinern, Toxikologen und Chemikern obliegt es dann, die Gesundheitsgefährdung, die von diesem eingeatmeten Cocktail ausgeht, einzuschätzen.

Unabhängig von der Bearbeitung konkreter Fälle, ist das Labor auch an epidemiologischen Studien beteiligt, so zum Beispiele an der LISA+-Studie, die über mehrere Jahre nach den Ursachen von kindlichen Atemwegserkrankungen und Allergien forscht. "Eines der interessantesten Ergebnisse dieser Untersuchung", so Martina Rehwagen, "ist die Tatsache, dass in den meisten Fällen die Luft in allen Zimmern einer Wohnung ähnlich belastet ist. Es ist also falsch zu glauben, wenn nur im Arbeitszimmer ein neuer Fußbodenbelag verklebt oder nur im Wohnzimmer geraucht wurde, bleibt das Kinderzimmer von Schadstoffen verschont. Das haben unsere Messungen widerlegt."


Fachlicher Kontakt
Martina Rehwagen
UFZ-Department Expositionsforschung und Epidemiologie
e-mail: martina.rehwagen@ufz.de
Telefon: 0341/235-2365