Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

UFZ-Newsletter Maerz 2016

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | März 2016 11 erneuerbaren Energien zumindest in einigen Ländern wie auch in Deutschland immer weiter zunimmt. Ich denke, dass es inner- halb der nächsten 20 Jahre eine Revolution bei den Energiesystemen geben wird. Damit löst sich dann das Klimaproblem von allein. Was umfasst in Ihren Augen eine verant- wortungsvolle Rolle von Wissenschaft in der Klimapolitik? Wissenschaft kann erst mal nur informieren. Papst Franziskus hat ja erklärt, Politik und Wirtschaft müssen nach den heute verfüg- baren besten wissenschaftlichen Ergeb- nissen entscheiden. Diese zu erbringen ist unsere Aufgabe. Und dann muss die Politik auf dieser Basis die hoffentlich richtigen Entscheidungen treffen. Seit Jahren versuchen Klimaskeptiker, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Am Ende des Tages wissen wir nicht mehr, was wir glauben sollen. Wie kann die Spreu vom Weizen getrennt werden? Es ist eine Frage, auf welchem Weg man wissenschaftliche Erkenntnisse in die Bevölkerung bringt. Wir haben im Deut- schen Klimakonsortium (DKK) zum Beispiel eine Online-Vorlesung entwickelt, in der hochkarätige deutsche Wissenschaftler den Klimawandel erklären. Da kann sich jeder anmelden, dies ist kostenlos. So versuchen wir, seriöse Information zu vermitteln, damit Der zweite Aspekt: Ozeane nehmen auch Kohlendioxid auf – derzeit etwa ein Viertel dessen, was wir in die Luft blasen. Dies führt unweigerlich zu deren Versauerung. Auch das Karbonat-Angebot in den Meeren sinkt ab, wenn sich Kohlendioxid im Wasser löst. Dadurch sind alle kalkbildenden Organismen extrem bedroht. Denn die können bei immer saurer werdendem Wasser und bei weniger Angebot von Karbonat immer weniger ihre Kalkstrukturen aufbauen. Dies trifft wieder die Korallen. Und es betrifft auch Muscheln, kleine Krebse wie Krill, der am Anfang der Nahrungskette steht. Diese beiden Prozesse sind messbar. Es ist offensichtlich, dass sich die Temperatur bis in etwa einen Kilometer Tiefe und der Säure- grad der Meere erhöhen. In der ZEIT erschien im Juni 2015 ein Artikel mit dem Titel „Morgen vielleicht.“ Er handelt von einem Problem, das jeder kennt: Forscher warnen, Politiker konfe- rieren, Zeitschriften drucken Titelseiten. Ihre Botschaften werden gehört, seit Jahrzehnten wollen alle das Klima retten. Warum ist es so schwierig, den Worten Taten folgen zu lassen? Das liegt daran, dass kurzfristige, zumeist wirtschaftliche Motive, die langfristigen Interessen der Umwelt dominieren. Und wir einzelnen Menschen sind auch nicht ganz schuldlos. Wir denken auch nicht langfris- tig, denn wir versuchen immer, unseren Wohlstand jetzt und hier zu vermehren. Man muss ehrlicherweise sagen, dass regierende Politiker nicht alles durchsetzen können, was sie vielleicht gern würden. Denn die Abstra- fung folgt bei der nächsten Wahl. Sie sagen, noch hätten es die Menschen in der Hand, die günstigen Lebensbedin- gungen auf der Erde für die nachfolgen- den Generationen zu erhalten. Woran machen Sie diese optimistische Einstel- lung fest? Ich bin ein grenzenloser Optimist. Zwar habe ich auch beim Weltklimagipfel in Paris nicht mit einem Durchbruch gerechnet. Aber ich glaube einfach, dass sich die Art der Ener- giegewinnung ändern wird. Wir sind ja auf Steinzeit-Niveau stehengeblieben. Genauso wie unsere Vorfahren verbrennen wir etwas, um Energie zu erzeugen. Heute sind es Kohle, Öl und Erdgas. Und dadurch kommt eben Kohlendioxid in die Luft, das die Haupt­ ursache des Klimaproblems darstellt. Ich sehe verschiedene positive Anzeichen. Zum Beispiel investieren viele große Unterneh- men nicht mehr in konventionelle Energien. Ich sehe auch, dass die Dynamik bei den sich auch jeder über den Stand der Wissen- schaft informieren kann. Am 8. November 2015 hat Ihnen Bundes- präsident Joachim Gauck den wichtigsten Umweltpreis Europas überreicht. In der Laudatio der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) wird vermerkt, dass Ihre jahrzehntelange Arbeit getrieben sei „von der persönlichen Sorge um den Zustand des Planeten.“ Warum werden Sie nicht müde, die Öffentlichkeit auf den Klima- wandel und seine Folgen aufmerksam zu machen? Das hat natürlich damit zu tun, dass ein ungebremster Klimawandel nicht nur das Klima selbst betrifft. Auch die Weltwirtschaft würde in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Folge wäre vermutlich eine weltweite Rezession. Damit würde sich automatisch auch die Sicherheitslage auf unserem Planeten ändern. Das kann sich niemand wünschen. Diese Entwicklung könnte bis zu Klimakriegen führen. Deswegen befasst sich ja beispielsweise auch das Militär mit den Folgen des Klimawandels. Ich denke, es wäre doch so einfach, die Dinge in die richtige Bahn zu lenken. Man muss das Problem an der Wurzel packen. Wenn wir ein Problem mit Kohlendioxid haben, sollten wir keines ausstoßen. Die Lösungen sind da. Deswegen werde ich auch nicht aufhören, mich einzu- mischen! Das Interview führte Steffen Reichert Mojib Latif Prof. Dr. Mojib Latif, als Sohn pakistanischer Ein- wanderer 1954 in Hamburg geboren, leitet den Forschungsbereich Ozeanzirkulation und Klima- dynamik sowie die Forschungseinheit Maritime Meteorologie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er studierte Betriebswirtschaftslehre sowie Me- teorologie und promovierte und habilitierte sich in Ozeanografie. Mojib Latif leistete und leistet einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Oze- anforschung, in deren Zentrum zunehmend der Klimawandel gerückt ist. Als Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften gehört Mojib Latif heute zu den bekanntesten deutschen Wissenschaftlern, die sich mit den Auswirkungen des Klimawan- dels auseinandersetzen und damit das Thema in Politik und Gesellschaft verankern. Der Kieler Forscher ist der Öffentlichkeit durch eine Vielzahl von TV-Auftritten und Publikationen be- kannt – etwa durch Bücher wie „Hitzerekorde und Jahrhundertflut – Herausforderung Klimawandel: Was wir jetzt tun müssen“ (Heyne, 2003), „Klimawandel und Klimadynamik“ (Ulmer, 2009), „Warum der Eis- bär einen Kühlschrank braucht: … und andere Geheimnisse der Klima- und Wetterforschung“ (Herder, 2010) oder „Das Ende der Ozeane: Warum wir ohne die Meere nicht überleben werden“ (Herder, 2014). Die Helmholtz Environmental Lecture (HEL) ist eine öffentliche Veranstaltungsreihe des UFZ, in der herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu wichtigen ökologischen, sozio-ökonomischen und sozialen Fragen Stellung beziehen und sie dann mit dem Plenum – durchaus auch kontrovers – diskutieren. Dafür stehen auch die bisherigen Gastredner: Klaus Töpfer (2009), Hans Joachim Schellnhuber (2010), Achim Steiner (2010), Jochen Flasbarth (2011), Angelika Zahrnt (2012), Frank Schirrmacher (2012), Ernst Ulrich von Weizsäcker (2013), Ottmar Edenhofer (2013), Stephan Koh- ler (2014), Thilo Bode (2014), Matthias Horx (2015), Mojib Latif (2015). Foto:KlausD.Sonntag Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ UFZ-Newsletter | März 201611

Übersicht