UMWELTPERSPEK TIVEN Der UFZ - Newsletter | Dezember 2019 I N T E R V I E W Ins Naturkundemuseum soll die unglaublich hohe Summe von 660 Millionen Euro fließen. Was wird mit dem Geld passieren? noch weiter ausbauen wollen. Junge Menschen und wir als Wissenschaftler haben das gleiche Anliegen: Wir wollen gehört werden. Wir schauen jetzt auf die nächsten zehn Jahre. Es wird ein Prozess sein, in dem wir uns neu erfinden wollen. Wir wollen vor allem starke und herausfordernde Partner in Berlin, der Leibniz-Gemeinschaft oder bei Helmholtz finden, die sich an dieser Entwicklung beteiligen wollen. Das sehr viele Geld, das wir dankenswerterweise vom Bundestag und vom Land Berlin bekommen konnten, sehe ich als Verantwortung und als Mittel für Deutschland und Europa, nicht nur für das Museum selbst. Sie wollen die Grenzen zwischen Sammlung, Forschung und Ausstellung durchbrechen – wie soll das genau aussehen? Am wichtigsten ist, Menschen mit Menschen zusammen- zubringen. Anfang März bin ich in Berlin in den Invaliden- park gegangen, um mir die Schülerdemonstrationen „Fridays for Future“ anzusehen. Ich habe dort mit einigen der Schülerinnen und Schüler geredet, bin dann zurück ins Museum und habe gesagt, wir laden sie ein. Zwei Wochen später haben wir die Museumstüren für die Schüler geöffnet ohne Eintritt zu verlangen, haben Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler verschiedener Institutionen dazu geholt und einen Diskurs mit den jungen Menschen gestartet. Das Haus war voll. Fast 7.000 Besucher sind gekommen, sonst sind es 2.000 bis 3.000. Und alle haben an diesem Nachmittag gelernt, die Forscher wie die Schüler. Das Museum für Naturkunde Berlin ist eine Institution, wo die Menschen keine Hemmschwelle haben müssen. Das ist ein Pluspunkt, den wir im Wissenschaftssystem Wie sehen Sie die stellenweise wachsende Wissenschaftsfeindlichkeit? Mit großer Sorge. Wir wissen aus Umfragen, dass 85 Prozent der Menschen in der westlichen Welt von der Evolution statt vom Kreationismus überzeugt sind. Von diesen 85 Prozent können aber leider nur zehn Prozent erklären, wie Evolution funktioniert. Fragt sich, was die anderen sich da vorstellen, wenn sie es sich nicht erklären können. Ähnlich sehe ich es bei der Wissenschaft. Ich glaube, dass viele Menschen Vertrauen in die Wissenschaft haben, aber viel- leicht gar nicht wissen, was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert. Und da bewegen wir uns dann auf sehr wack- ligem Boden. Es liegt an der Wissenschaft, nach draußen zu gehen, und den Prozess der Wissenschaft als solchen und die Faszination der Wissenschaft noch viel besser und mit viel mehr Energie zu erklären. Denn ich glaube, dass die laut Wissenschaftsbarometer rund 60 Prozent der Wissenschaft zugewandten Bürger auch ganz schnell 20 Prozent sein können. Es liegt an uns als Wissenschaftler, diese Zahl zu stabilisieren oder zu entwickeln. Da haben wir eine Bringschuld. Deswegen – und da wollen wir eng mit dem UFZ zusammenarbeiten – spielt Citizen Science eine entscheidende Rolle. Den Menschen muss Wissen- schaft als etwas nicht außerhalb ihres Lebens Existierendes nahegebracht werden. Da ist noch ganz viel Luft nach oben. DA S I N T E R V I E W F Ü H R T E S T E F F E N R E I C H E R T. Die Helmholtz Environmental Lecture (HEL) ist eine öffentliche Veranstaltungsreihe des UFZ, in der seit 2009 herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu wichtigen ökologischen, sozio-ökonomischen und sozialen Fragen Stellung beziehen und sie dann mit dem Plenum diskutieren. Bisherige Gastredner: Klaus Töpfer, Hans Joachim Schellnhuber, Achim Steiner, Jochen Flasbarth, Angelika Zahrnt, Frank Schirrmacher †, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ottmar Edenhofer, Stephan Kohler, Thilo Bode, Matthias Horx, Michael Braungart, Hartmut Rosa, Stefan Juraschek, Claudia Kemfert und Ellen Matthies. 25