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UFZ-Newsletter Dezember 2015

10 UFZ-Newsletter | Dezember 2015 Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ Versuch langfristiger gesellschaftlicher Mo- dellbildung ­– früh einen Consulting-Zugang zu Politik und Institutionen gefunden, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie in den USA als strategisches Hilfsmittel der Regie- rung genutzt. Diese unterschiedlichen Ge- schichten spiegeln sich in der öffentlichen Wahrnehmung. Aber es gilt auch: Nichts ist schöner als die Pflege von Vorurteilen. Auf welcher Basis, mit welcher Methodik und mit welchen Annahmen werden von Ihnen Zukunftsmodelle entworfen? Eine seriöse Antwort würde den Rahmen eines solchen Gesprächs sprengen. Nur so viel: Es geht um Modellbildungen komplexer Systeme. Im Unterschied zu früheren Mo- dellen, die weitgehend linear arbeiteten und einfach Zahlen oder gewisse Sensationen weiter in die Zukunft rechneten, arbeiten wir heute mit heuristischen Modellen und mit sehr großen Mengen von Daten, „Big Data” eben. Wir nutzen dabei Elemente der neuen Systemtheorie, der Spieltheorie, der Evolutionstheorien und wenden sie auf sozi- ale, politische oder ökonomische Prozesse an. Dabei geht es weniger um Prognosen von einzelnen Ereignissen oder die Diagnose von „Trends” als um das GESAMTverständ- nis eines Systems. Es geht um Komplexität, Resilienz und evolutionäre „Drifts”, die man sichtbar machen kann. Wir nutzen sozusa- Herr Horx, Zukunftsforschung klingt für viele Menschen nach dem Blick in die Glaskugel. Warum ist es das aus Ihrer Sicht aber nicht? Journalismus kann oberflächlich oder fundiert sein, Wissenschaft kann flach oder spannend sein, ein Restaurant kann eine gute oder schlechte Küche haben. So ist es auch mit der Zukunftsforschung. Es gibt rein narrative Ansätze, in denen uns die Zukunft als eine Art Märchen verkauft wird. Und es gibt Versuche einer methodischen Prognos- tik, in der sich das „Vorausschauen” zu einer neuen Disziplin entwickelt. Das versuchen wir im Rahmen meines Zukunftsinstituts. In den USA, Finnland oder Südkorea hat Zukunftsforschung einen guten Ruf. Warum gilt sie in Deutschland dagegen als wenig akademisch oder als Trendfor- schung für Marketingabteilungen. Das hat wohl etwas mit dem typisch her- metischen deutschen Akademismus zu tun, der alles, was nicht in den alten Fakultäten läuft, als unwissenschaftlich denunziert – in der angelsächsischen Welt ist das anders. Allerdings hat sich die TRENDforschung hierzulande tatsächlich in diese Richtung entwickelt – als verlängerter Arm von Mar- keting-Interessen wirkt sie unglaubwürdig und unseriös. In einigen anderen Ländern hat hingegen die ZUKUNFTSforschung – als gen die Zukunft als Spiegel, um die Gegen- warts-Prozesse besser zu verstehen. Wie weit wagen Sie sich denn in die Zu- kunft vor und warum liegen die Grenzen Ihrer Prognosen da, wo sie eben sind? Manche sehr langfristige Prozesse oder Events sind leichter vorauszusagen als kurz- oder mittelfristige. Klimawandel etwa lässt sich besser modellieren als das Wetter in drei Wochen. Dass in fünf Milliarden Jahren die Erde untergeht, ist sicher. An einer gewissen Betrachtungsgrenze, etwa 20 Jahre, interessiert man sich allerdings kaum noch für Prognosen. Wir wollen – das ist evoluti- onär geprägt – eigentlich immer nur wissen, wie wir den nächsten Winter so vorteilhaft wie möglich überstehen können. Knappe Ressourcen, steigende Meeres- spiegel, ungebremste Bevölkerungszu- nahme, wachsende Staatsverschuldung und viele bewaffnete Konflikte sind beun- ruhigende Kennzeichen der Gegenwart. Bleibt da noch Raum für optimistische Zukunftsprognosen? Ich sehe die Aufgabe des Zukunftsforschers auch darin, dieses Krisen-Stakkato, wie es in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, infrage zu stellen. Eine interessante Gegenfrage könnte lauten: WANN wäre denn jemals ein optimis- tischer historischer Blick nach vorne „richtig” oder „angemessen” gewesen? Im Mittelalter? Zur Römerzeit? Im 20. Jahrhundert? In der Aufklärung, die ja auch ein unglaubliches Ge- metzel hinterlassen hat? Was meint eigent- lich “Optimismus”? Gute Zukunftsforschung ist eine Art „Agnotologie”; eine Wissenschaft vom Fehlglauben. Sie muss sich mit der Fra- ge auseinandersetzen, ob unsere gestrigen Modelle heute noch richtig sind. Stimmt zum Beispiel das Paradigma von der „Ressourcen- knappheit” so, wie es in den 1970er Jahren Am 27. Oktober 2015 war der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx zu Gast im UFZ. Als Referent der 11. Helmholtz Environ- mental Lecture (HEL) ging er der Frage nach, inwieweit Zukunftsbilder nicht nur unsere individuellen Vorstellungen prägen, sondern immer auch gegenwärtiges gesellschaftliches und politisches Handeln bestimmen und als kollektive Deutungsmuster einem Wandel unterworfen sind. (Foto: Klaus D. Sonntag) Keiner weiß es so genau. Aber es gibt Menschen, die das versuchen. Die Modelle bilden und anhand großer Mengen von Daten Trends als Gesamtverständnis eines Systems diagnostizieren. Dabei werden Elemente der neuen Systemtheorie, der Spieltheorie und der Evolutionstheorien auf soziale, politische oder ökonomische Prozesse angewendet. Matthias Horx ist der bekannteste deutsche Zukunfts- und Trend­forscher, der gegen Vorurteile ankämpft, die ihm und seiner Zunft nur ungenü- gendes oder gar kein wissenschaftliches Vorgehen zubilligen. Auch bei seinen Zuhö- rern im UFZ waren seine Thesen nicht unumstritten und es wurde heftig diskutiert. Aber Horx vermittelte mit viel Authentizität vor allem eines: Ohne Zuversicht gibt es keine Kultur, kein gesellschaftliches Denken, eben keine Zukunft. Was bringt die Zukunft?

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