CLIMALERT − Methoden und Ergebnisse: Interviews mit Landwirten

Zwischen Juni 2018 und Februar 2019 wurden persönliche Gespräche mit Landwirten geführt. Ziel dieser Interviews war es, ein Verständnis für den Kontext zu gewinnen, in dem Beschäftigte in der Landwirtschaft Entscheidungen treffen, und zu verstehen, welchen Einfluss verschiedene Faktoren – Wetter, Biodiversität, Politik, Geschichte und Wirtschaft – dabei haben.

Fotos Landwirtschaft

Ergebnisse

In einem ersten Schritt haben wir uns auf drei Kulturen beschränkt, die in Mitteldeutschland besonders verbreitet sind (Raps, Mais und Weizen). Ziel war es, herauszufinden, ob für verschiedene Kulturen unterschiedliche meteorologische Informationen benötigt werden. Für jede der untersuchten Kulturen wurden vier Entscheidungsfälle untersucht (Aussaat, Düngung, Pestizideinsatz und Ernte). Es wurden jeweils Angaben über den Zeitpunkt der Entscheidung, die verwendeten und erforderlichen Informationen sowie die genutzten Informationsquellen und deren Qualität erhoben. Schließlich interessierten wir uns dafür, wie flexibel die befragten Landwirte bei jeder Entscheidung sind und wie sie mit dem Risiko umgehen, wenn das Wetter nicht der Vorhersage entspricht.

(Bisher sind 11 der 21 Interviews in den Ergebnissen enthalten; derzeit analysieren wir die restlichen Interviews).

Entscheidungen, die von Landwirten in jeder Phase des Anbaus einer Kulturpflanze getroffen werden, sind das Ergebnis einer Mischung von Faktoren – meteorologische Informationen sind nur ein Faktor von vielen. Die Entscheidungen basieren auf Fruchtfolgeplänen, der Qualität des angebotenen Saatguts, früheren Erfahrungen mit bestimmten Saatgutsorten, dem bisherigen Wetterverlauf, der Frage, ob Leiharbeiter organisiert werden müssen, den Wetterbedingungen vor der aktuellen Anbauphase usw. – „deswegen ist unser Geschäft ja so kompliziert“ (I8). Schnell wiesen die Landwirte auf die zahlreichen Wetterdienste hin. Ihr Vertrauen in die Vorhersagen ist allerdings gering: „…was mich manchmal so verwundert, sind doch die unterschiedlichen Wettermodelle, die [unterschiedlichen] Vorhersagen. Also die Schwankung [sind] doch zum Teil enorm“ (I9). Infolgedessen zeigten sie Skepsis gegenüber dem Mehrwert einer neuen App sowie allgemein gegenüber Wetter-Apps – „… das ist so viel Flexibilität, was da von uns verlangt wird, das bringt uns keine App“ (I6).

Die Landwirte beziehen jedoch nach wie vor meteorologische Informationen und dabei auch Vorhersagen in ihre Entscheidungsfindung ein. Wie oft sie solche Informationen abrufen, hängt von den zu treffenden Entscheidungen ab. So berichtete einer der Befragten, dass Prognosen ein wichtiger Bezugspunkt für Entscheidungen seien: „[Wenn] die Ernte steht, (…) [dann] ich kann mich ein bisschen entspannt zurücklegen, dann ist mir das Wetter manchmal auch scheißegal. Aber sobald hier irgendwie was ansteht mit Heuernte, mit Mähdrusch, mit Aussaat, dann kann es sein, dass ich vier, fünf, sechsmal am Tag den Wetterbericht schaue“ (I9).

Alle Landwirte verwenden Wettervorhersagen, sind sich jedoch einig, dass deren Genauigkeit begrenzt ist. 24-Stunden-Prognosen gelten allgemein als zuverlässig, für einige der Befragten auch 3-Tage-Prognosen. Vorhersagen für mehr als drei bis fünf Tage seien jedoch wie Lotto. Außerdem werden Stürme als problematisch empfunden – sie verhalten sich selten wie angekündigt. Daher wird die Zukunft als schwer vorhersagbar empfunden. Hieraus scheinen Landwirte jedoch auch eine bedeutende Motivation zu ziehen: Das „Spiel“, wie es manchmal von den Befragten genannt wird, verlangt von ihnen die Einhaltung einiger Regeln, aber auch Flexibilität und fundierte Entscheidungen, wenn sie rentabel wirtschaften wollen. Im Allgemeinen werden Wetterinformationen als Orientierungshilfe oder Hinweis darauf betrachtet, wie der Tag ausfallen könnte. Außerdem ist Optimismus angesichts des Unbekannten ein immer wiederkehrendes Thema in den Interviews.

Die Entscheidungen werden vom Wetter beeinflusst, jeder Schritt (Aussaat, Düngung, Pestizideinsatz und Ernte) findet aber auch bei ungünstigem Wetter statt. Landwirte nutzen oft die Chancen, die sich bieten, und hoffen, dass sich ihr Entschluss auszahlt. Entscheidungen auf der Grundlage von Wettervorhersagen gehören dazu. Wenn zum Beispiel Regen vorhergesagt wird und die Landwirte ihre Arbeit verschieben, es dann aber nicht regnet, haben sie wertvolle Arbeitszeit verloren. Mit anderen Worten: Landwirtschaftliche Entscheidungsfindung arbeitet mit einer Mischung aus Strategie und Risiko. Der Fruchtfolgeplan bietet eine langfristige Struktur und die Anbauphasen müssen durchlaufen werden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Felder durch ungünstiges Wetter zu nass sind, um zu pflügen; dass es zu kalt oder zu trocken ist und die Pflanzen nicht gedeihen oder dass es zu nass ist zum Düngen, zur Pestizidanwendung oder auch für die Ernte. Dennoch: Selbst bei ungünstigem Wetter finden alle diese Schritte statt. Der Ernteertrag hängt jedoch von den meteorologischen Bedingungen in jeder Phase des Anbauprozesses sowie von den Entscheidungen ab, die der Landwirt trifft, um die mit dem Wetter verbundenen Herausforderungen zu meistern.

Ziel des CLIMALERT-Projekts ist es zu verstehen, wie Landwirte und Wassermanager meteorologische Informationen bei der Entscheidungsfindung nutzen und wie das UFZ dazu beitragen kann, diese Informationen zu verbessern. Das UFZ hat einen Dürremonitor entwickelt und möchte CLIMALERT als Gelegenheit nutzen, diesen weiterzuentwickeln und die Anwenderfreundlichkeit zu verbessern. Zunächst stellt sich jedoch die Frage, ob Informationen über Dürre und damit die Bodenfeuchtigkeit für Landwirte wichtig sind. Die Ergebnisse der Interviews zeigen, dass die Bodenfeuchtigkeit von großer Bedeutung ist, die entsprechenden Informationen jedoch bisher nicht für jeden ausreichend verfügbar sind. Keiner der Landwirte berichtete, dass er die Bodenfeuchtigkeit misst. Nach Aussage aller Befragten ist dies zu kompliziert. Sie erhalten die Informationen gewöhnlich aus der Literatur und der Presse oder vom UFZ.

Fragt man nach der Bodenfeuchtigkeit, berichten Landwirte v.a. von Problemen mit zu nassem oder zu trockenem Boden. Sie waren sich einig, dass für die Entscheidung darüber, ob der Einsatz von Maschinen auf nassem Boden möglich ist, keine offizielle Messung erforderlich ist. Wenn man das Feld betrete, könne man einschätzen, ob das geplante Arbeitsziel zu erreichen sei oder nicht. Für Entscheidungen über Bewässerung, Pestizideinsatz und Düngung könnten Informationen über die Bodenfeuchtigkeit hingegen sehr hilfreich sein. Landwirten, die Bewässerung einsetzen, könnten solche Informationen helfen, Geld zu sparen: „Und wenn man jetzt ein Prognosemodell hat, der sagt, morgen kommen 20 Liter Regen, kann ich auch zwei Tage davor die Bewässerung ausstellen. Weil ich mir die Kosten sparen kann“ (I6).

Was die Vorhersage von Dürreperioden betrifft, sahen die Befragten einen möglichen Vorteil darin, Informationen über Trends mit der Entwicklung der Kulturen in früheren Zeiten von Wasserstress vergleichen zu können. Allerdings könnten Dürreprognosen bzw. Informationen über die Bodenfeuchte auch den Optimismus beeinflussen. Wenn die Modelle zeigen, dass sich noch Wasser im System befindet, können die Landwirte optimistisch bleiben. Wer nicht über ein Bewässerungssystem verfügt, kann aber wenig tun, um die Situation zu ändern.

Die wahrgenommene Unfähigkeit, das Wetter und die Zukunft zu kontrollieren, ist ein wiederkehrendes Thema in den Interviews. So erklärte einer der Befragten, dass es zwar interessant sei, einen Überblick über frühere Entwicklungen zu gewinnen, die Unsicherheit über die Zukunft dadurch jedoch nicht verringert werde: „Es bleibt ein Pokerspiel, ja? “(I10)

Um die Bereitstellung von Informationen zu verbessern, wollte das CLIMALERT-Team schließlich herausfinden, welche witterungsbedingten Schwellenwerte die Landwirte zwingen, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Die Ergebnisse der Interviews zeigen jedoch, dass solche Schwellenwerte schwer zu bestimmen sind: „Also bei uns in der Ecke ist es so (…), alles was sich so im Bereich fünf Liter pro Tag [bewegt], das stört nicht so dolle. (…) Dann setzt man mal ein paar Stunden aus oder setzt mal eine Schicht aus und dann kann man weiter [machen]. Es sei denn, der Boden war vorher schon gesättigt. Dann ärgern jede fünf Liter wieder“ (I7). Auf die Frage, ob es möglich sei, Schwellenwerte anzugeben, antwortete einer der Befragten: „Nee. Kann man nicht, (…), das hängt auch wieder von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel von der Vorfrucht [und] von dem Zustand des Bodens“ (I10).