Arial view on the river Selke in the Harz mountains. Photo: André Künzelmann/UFZ
Luftbild auf den Fluss Selke im Harz. Werden sich die Stoffströme im Harz wegen des Klima- und Landnutzungswandels in der Zukunft ändern? Werden mehr Nährstoffe in den Wasserkreislauf gelangen? Als Teil des Forschungsthemas "Einzugsgebietsdynamik" werden Wissenschaftler nach Antworten auf diese Fragen. Foto: André Künzelmann/UFZ

INTEGRIERTES PROJEKT (IP)

Wasser und Stoffstromdynamiken in Einzugsgebieten

Relevanz und Hintergrund

Wasser ist für die Menschheit (über-)lebensnotwendig und die Qualität und Quantität von Süßwasser sind wichtige Voraussetzungen für Wohlstand und Gesundheit einer jeden Gesellschaft. Menschliche Aktivitäten in der terrestrischen Umwelt haben tiefgreifende Auswirkungen auf Wasser- und Stoffströme, und dies nicht nur auf lokaler, sondern oft auch auf regionaler oder gar globaler Ebene, wo sie Quantität und Qualität von Wasser und die damit zusammenhängenden Ökosystemdienstleistungen beeinflussen. Vorhersagen zum Klimawandel gehen davon aus, dass sich in den nächsten Jahrzehnten alle Aspekte im Wasserhaushalt weltweit umfassend verändern werden. Dabei ist allerdings sehr ungewiss, welches Ausmaß dies haben wird und in welche Richtung die Veränderungen gehen werden. Um unsere terrestrische Umwelt langfristig nachhaltig zu managen und die Versorgung mit Wasser, Energie und Nahrungsmitteln sicherzustellen, bedarf es eines mechanistischen Verständnisses sowohl der durch Menschen verursachten als auch der natürlich auftretenden Änderungen im System. Es ist äußerst wichtig, Wasser-, Stoff- und Energieflüsse in der Umwelt quantitativ zu bewerten, um so Vorhersagen zum zukünftigen Zustand der Wasserressourcen treffen zu können. Zu erwartende tiefgreifende Änderungen in den wissenschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Randbedingungen in Deutschland, Europa und weltweit erfordern Werkzeuge, mit denen über lange Zeiträume und regional begrenzte Räume hinweg, als auch für zahlreiche unterschiedliche Einzugsgebiete verlässliche und brauchbare Langzeitbeobachtungen durchgeführt und Vorhersagen getroffen werden können, um angemessene Managementaktivitäten vorschlagen zu können. Das IP trägt wesentlich dazu bei, diese quantitativen Vorhersagen zu verbessern.

Wissenschaftliche Herausforderungen

Stoffströme in Einzugsgebieten und Landschaften sind das Resultat verschiedenster hydrologischer, biogeochemischer und ökologischer Prozesse auf unterster Ebene. Es ist allerdings komplett unmöglich, diese Prozesse detailliert in großem Maßstab darzustellen und Wasser- und Stoffströme rein auf den Grundprinzipien basierend zu beschreiben. Strukturelle Charakteristika von Einzugsgebieten bestimmen dennoch, wie Wasser und Stoffe mobilisiert, transportiert und umgewandelt werden. Deshalb werden Methoden benötigt, mit denen sich die relevante strukturelle Organisation von Einzugsgebieten identifizieren lässt, durch die Wasser- und Stoffdynamiken hauptsächlich kontrolliert werden. Eine wichtige Frage hierbei ist, wie weit man ins Detail gehen muss, um Durchflüsse sicher vorhersagen zu können. Die große Herausforderung ist, dauerhafte, übertragbare funktionale und strukturelle Indikatoren und Beziehungen zu finden, über die sich ein anwendbares Konzept zur Verbindung von Struktur und Funktion (z. B. zur Beschreibung von Mobilisierung, Umwandlung und Transport) entwickeln lässt.

Gegenwärtig konzentriert sich die Forschung überwiegend auf einzelne Einzugsgebiete und deren spezifisches Verhalten. Stattdessen sollten neue, allgemeingültige Einzugsgebietsklassifikationen je nach Stoffstrom- und Durchsatzdynamik entwickelt werden. Darauf basierend lassen sich quantitative Beschreibungen von jeweils entsprechender Komplexität (von einfachen mathematischen Gleichungen und Beziehungen bis hin zu hochkomplexen numerischen Modellen) ableiten, um Stoffflüsse in Einzugsgebieten auf unterschiedlichen Ebenen vorherzusagen. Ergebnis dessen wäre ein „Bausatz“ an Modellen, die auf einem einheitlichen mechanistischen Verständnis davon basieren, wie ein bestimmtes Verhalten auf Makroebene aus Prozessen auf der Mikroebene resultiert.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, diese Modelle auf verschiedene Klimazonen, Regionen und Einzugsgebiete übertragbar zu machen. Dies lässt sich mit Hilfe von Modellparametrisierung und Regionalisierungsmethoden erreichen, die über Raum- und Zeitskalen hinweg schlüssig und auf verschiedene Einzugsgebiete unter verschiedenen Bedingungen anwendbar sind. Um Prozesse über Skalen hinweg verlinken zu können, müssen die Unterschiede im Skalierungsverhalten von Transport- und Transformationsprozessen im Boden und im Wasser verstanden werden. Die Modelle müssen darüber hinaus in Regionen mit begrenzter Datenverfügbarkeit angewendet werden und auch außerhalb des Kalibrierungsrahmens genaue Vorhersagen erzeugen können, um mit ihrer Hilfe die Auswirkungen des Klimawandels (z. B. Klimaerwärmung, Landnutzungsänderung) bestimmen zu können.

Eine zusammenhängende Datenbasis über verschiedene Einzugsgebiete hinweg ist notwendig, um den wissenschaftlichen Herausforderungen zu begegnen, ebenso wie integrative Messungen von Zustandsgrößen zur Entwicklung und Validierung von Modellen und Konzepten. Derartige Daten lassen sich durch neue, „intelligente“ Monitoringstrategien gewinnen, die eng mit der Modellentwicklung verknüpft sein müssen. Daraus folgt die kontinuierliche, adaptive Weiterentwicklung von bereits bestehenden Observatorien (TERENO), wie auch die Entwicklung neuer Observatorien, um integrative Forschungsfragen gezielt bearbeiten zu können.