Pressemitteilung vom 16. Juni 2015

Gewinner und Verlierer des Klimawandels

Auswirkungen der globalen Klimaveränderungen auf die deutsche Flora und Fauna

Wissenschaftler des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben in Zusammenarbeit mit weiteren Partnerinstitutionen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Häufigkeit verschiedener Tier- und Pflanzengruppen in Deutschland untersucht. Erstmals wurden dabei Bestandstrends von sehr unterschiedlichen Artengruppen miteinander verglichen. Dabei fanden sie heraus, dass Vögel, Schmetterlinge und Käfer bereits auf den Klimawandel reagieren. Die Studie ist kürzlich im Fachjournal „Biological Conservation" erschienen.

Gewinner des Klimawandels: Der Schwarzhalstaucher.
© Andreas Trepte, www.photo-natur.de

Gewinner des Klimawandels: Der Schwarzhalstaucher. © Andreas Trepte, www.photo-natur.de

Hat es zukünftig schwerer:
Uferschwalbe am Bodensee.
© Aiwok, CC BY-SA 3.0

Hat es zukünftig schwerer: Uferschwalbe am Bodensee. © Aiwok, CC BY-SA 3.0

Der Schwarzhalstaucher (Podiceps nigricollis) ist ein „Gewinner" des Klimawandels am Bodensee und auch das Große Ochsenauge (Maniola jurtina), ein Schmetterling aus der Familie der Edelfalter, ist durch die höheren Temperaturen in Sachsen häufiger geworden. Auf die Verbreitung der Uferschwalbe (Riparia riparia) dagegen hat sich der Wandel des Klimas negativ ausgewirkt allerdings könnten die Veränderungen in den Populationen der Vögel am Bodensee auch mit dem Landnutzungswandel zusammen hängen. „Der längerfristige Bestandstrend spezifischer Tiergruppen hängt eng mit den ‚Temperaturnischen zusammen, in denen die Tiere leben", erklärt Dr. Diana Bowler vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt und ergänzt: „Unter Temperaturnischen versteht man die Temperaturbedingungen, unter denen Tiere und Pflanzen in ihrer natürlichen Umwelt gefunden werden."

Bowler hat gemeinsam mit nationalen und internationalen Kooperationspartnern unter anderem dem Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell, der Goethe-Universität in Frankfurt und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die jüngsten Populationsentwicklungen von verschiedener Tier- und Pflanzenarten in Beziehung zu deren Temperaturnischen gesetzt. Ziel war es, die Reaktion der Artengruppen auf den Klimawandel und den damit einhergehenden Temperaturanstieg in den letzten Jahren zu erforschen. Das Team um die Frankfurter Biologin konnte zeigen, dass Vögel, Käfer und Schmetterlinge bereits auf den Klimawandel reagieren und die Häufigkeit ihres Auftretens sich ändert. „Diese Tiergruppen zeigen schon einen ‚klimatischen Fingerabdruck', man sieht in ihren Populationsentwicklungen die Folgen des Klimawandels", erläutert Bowler.

Für ihre Studie verwendete die Arbeitsgruppe um Bowler vorhandene Langzeituntersuchungen zu Populationstrends in verschiedenen Tier- und Pflanzengruppen aus Teilen Bayerns, Baden-Württembergs, Sachsens, Sachsen-Anhalts und der Schweiz und Österreichs. Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klimaforschungszentrums und Seniorautorin der Studie betont: „Die Stärke dieser Studie ist es, dass hier Wissenschaftler aus verschiedenen Institutionen zusammenarbeiten diese Kooperation macht es erst möglich, die unterschiedlichen taxonomischen Gruppen miteinander zu vergleichen. Zudem wird in unserer Studie die Bedeutung von Langzeitdatensätzen klar. Nur wenige Institutionen sind in der Lage, solche Datensätze kontinuierlich zu erheben und verfügen über die erforderliche taxonomische Expertise."

Und Prof. Dr. Ingolf Kühn vom UFZ ergänzt: „Die Ergebnisse zeigten insbesondere Veränderungen in der Tierwelt, in dieser Studie war kein großer Effekt des Klimawandels auf Pflanzen zu sehen. Dies lag daran, dass wir einen Lebensraum mit Arten ausgewertet haben, die mit Wärme und Trockenheit gut zurechtkommen. Umso wichtiger ist es zukünftig, Langzeitbeobachtungen in unterschiedlichen Lebensräumen durchzuführen.“

„Da die Temperatur schon seit längerer Zeit ansteigt, können wir bereits erfolgte Veränderungen in der Tier- und Pflanzenwelt nutzen, um diejenigen Arten zu identifizieren, die zukünftig am stärksten vom Klimawandel betroffen sein werden", fügt Bowler hinzu. Hierzu gehören beispielsweise Watvögel (Limikolen), wie die Uferschnepfe (Limosa limosa) am Bodenseee. „Unser Ziel ist es verlässliche Vorhersagen über die Auswirkungen des Klimawandels auf Artengruppen zu treffen und so auch entsprechende Schutzmaßnahmen für diese ergreifen zu können", resümiert Bowler.

Publikation
D.E. Bowler, P. Haase, I. Kröncke, O. Tackenberg, H.G. Bauer, C. Brendel, R.W. Brooker, M. Gerisch, K. Henle, T. Hickler, C. Hof, S. Klotz, I. Kühn, S. Matesanz, R. OHara, D. Russell, O. Schweiger, F. Valladares, E. Welk, M. Wiemers, K. Böhning-Gaese, A cross-taxon analysis of the impact of climate change on abundance trends in central Europe, Biological Conservation, Volume 187, July 2015, Pages 41-50, ISSN 0006-3207,
http://dx.doi.org/10.1016/j.biocon.2015.03.034

Weiterführende Informationen:


Kontakt

Dr. Diana Bowler
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
Tel. 069- 7542 1805
http://www.bik-f.de/root/index.php?page_id=884

und
Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
Tel. 069- 7542 1890
http://www.bik-f.de/root/index.php?page_id=256

und
Prof. Dr. Ingolf Kühn
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ & Professor für Makroökologie an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg & Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Tel.: +49 (0)345- 558-5311
http://www.ufz.de/index.php?de=821

sowie
Judith Jördens
Pressestelle
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Tel. 069- 7542 1434
http://www.senckenberg.de/root/index.php?page_id=5206

oder über

Tilo Arnhold, Susanne Hufe (UFZ-Pressestelle)
Telefon: +49-(0)341-235-1635, -1630

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Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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