Pressemitteilung vom 03. Juli 2019

Künftige Gefahren für die Biodiversität

Wie wirken die Ausweitung oder Intensivierung von Ackerbau auf globale Agrarmärkte und Biodiversität?

In den kommenden Jahren wird die landwirtschaftliche Produktion global weiter steigen müssen, um den wachsenden Bedarf durch sich verändernde Konsummuster zu decken. Dazu können entweder die bestehende Ackerfläche intensiver genutzt oder Agrarflächen expandiert werden. Welche Zielkonflikte sich dabei für die Ernährungssicherung und dem Erhalt der Biodiversität ergeben, haben Forscherinnen und Forscher der LMU, des Instituts für Weltwirtschaft Kiel, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Palacký Universität Olomouc, Tschechien, unter Berücksichtigung globaler Agrarmärkte untersucht. Ihre Studie ist aktuell in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Die Weltkarte veranschaulicht, wo eine Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzung die Biodiversität besonders gefährden wird (rote Markierungen). Die gelb markierten Flächen weisen dagegen eine niedrige Artenvielfalt auf. Eine Expansion der landwirtschaftlichen Flächen in diesen Regionen, würde also einen weniger starken Verlust an Artenvielfalt bedeuten. Foto: Florian Zabel / TomᚠVáclavík
Die Weltkarte veranschaulicht, wo eine Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzung die Biodiversität besonders gefährden wird (rote Markierungen). Die gelb markierten Flächen weisen dagegen eine niedrige Artenvielfalt auf. Eine Expansion der landwirtschaftlichen Flächen in diesen Regionen, würde also einen weniger starken Verlust an Artenvielfalt bedeuten.
Foto: Florian Zabel / TomᚠVáclavík

"Landwirtschaft ist weltweit einer der größten Treiber von Biodiversitätsverlusten. Produktionszuwächse gehen fast immer auf Kosten der Biodiversität. Aber es wirkt sich unterschiedlich aus, ob und wo die Landwirtschaft expandiert oder intensiviert wird", sagt Dr. Florian Zabel vom Lehrstuhl für Geographie und geographische Fernerkundung der LMU.

Die Forscherinnen und Forscher haben in interdisziplinärer Zusammenarbeit untersucht, wo es unter zukünftigen klimatischen und sozio-ökonomischen Bedingungen profitabel sein wird, die landwirtschaftliche Produktion durch Intensivierung oder Expansion zu steigern und welche Folgen dies jeweils für die Artenvielfalt und die Agrarmärkte haben wird.

"Bei gleicher Menge an zusätzlicher Nahrungsmittelproduktion zeigen unsere Ergebnisse, dass eine Expansion der landwirtschaftlichen Flächen die Biodiversität um ein Vielfaches stärker gefährdet als eine Intensivierung, da sie vor allem jene Regionen trifft, in denen die Artenvielfalt weltweit am höchsten ist, etwa in Zentral- und Südamerika", sagt Dr. Tomáš Václavík vom Department für Ökologie und Umweltwissenschaften der Palacký University Olomouc. Eine Intensivierung der Landwirtschaft auf bereits bestehenden Anbauflächen wird dagegen besonders die Artenvielfalt in Afrika südlich der Sahara gefährden.

Während die Artenvielfalt nur in Regionen gefährdet wird, in denen mehr Nahrungsmittel produziert werden, profitieren alle Länder von sinkenden Nahrungsmittelpreisen infolge des globalen Produktionszuwachses, auch dort, wo lokal wenig zusätzlich produziert wird. "Brisant an dem Ergebnis ist, dass über den Welthandel zwar alle Regionen von sinkenden Nahrungsmittelpreisen profitieren, wie beispielsweise Nordamerika und die EU, die Biodiversität jedoch hauptsächlich in Entwicklungsländern in tropischen Regionen gefährdet ist", sagt Dr. Ruth Delzeit vom IfW Kiel. Auch hier wirken sich Intensivierung und Expansion unterschiedlich aus: Während die Ernährungssicherung in einigen Regionen, wie zum Beispiel Indien und Afrika südlich der Sahara, vor allem durch Intensivierung verbessert wird, profitieren Menschen in süd- und zentralamerikanischen Staaten, wie zum Beispiel Brasilien, hauptsächlich durch Expansion von geringeren Nahrungsmittelpreisen. Dies geht dort jedoch insbesondere auf Kosten der Biodiversität.

Die Studie zeigt außerdem, dass die heutigen Schutzgebiete größtenteils nicht die Regionen mit einer hohen Artenvielfalt abdecken, die für einen möglichen Ausbau der landwirtschaftlichen Flächen identifiziert wurden. "Die meisten Flächen mit hohem Artenreichtum, die für die Expansion und Intensivierung der Landwirtschaft in den kommenden Jahren in Frage kommen, sind derzeit nicht geschützt. Wir empfehlen deshalb, über globale Mechanismen nachzudenken, in denen Land als limitierte Ressource klar anerkannt wird. Zudem muss der Schutz von Biodiversität in bereits genutzten, bewirtschafteten Landschaften etabliert werden", sagt Professor Ralf Seppelt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Nur so kann der Spagat bewältigt werden, sowohl den Artenreichtum zu schützen als auch die landwirtschaftliche Produktion zu steigern.

 

Publikation:

Florian Zabel, Ruth Delzeit, Julia Schneider, Ralf Seppelt, Wolfram Mauser, Tomáš Václavík:
Global trade-offs between cropland expansion and intensification upon biodiversity in the context of agricultural markets. In: Nature Communications 2019 https://www.nature.com/articles/s41467-019-10775-z


Weitere Informationen

Prof. Dr. Ralf Seppelt
UFZ-Department Landschaftsökologie
ralf.seppelt@ufz.de

Dr. Florian Zabel
Lehrstuhl für Geographie und geographische Fernerkundung der LMU
f.zabel@lmu.de

Dr TomᚠVáclavík
Palacký University Olomouc
tomas.vaclavik@upol.cz

Dr. Ruth Delzeit
Institut für Weltwirtschaft Kiel
ruth.delzeit@ifw-kiel.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

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