Pressemitteilung vom 23. Juni 2022

GeoLaB: Zukunft mit Geothermie

Weltweit erster Untertage-Reservoir-Simulator für die Erforschung der Tiefengeothermie

Lokal, emissionsfrei und grundlastfähig: Die Geothermie gilt als ein essenzieller Baustein der Energiewende. Mit GeoLaB, einer neuen und einzigartigen Forschungsinfrastruktur direkt im Untergrund wollen das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) nun die Forschung beschleunigen und die Technologie für einen breiten Einsatz vorbereiten. Das Projekt soll entweder im Schwarzwald oder im Odenwald realisiert werden, die Helmholtz-Gemeinschaft fördert mit 35 Millionen Euro. 

Das GeoLaB macht Geowissenschaften erlebbar: Im Schwarzwald/Odenwald entsteht das erste Untertagelabor, in dem Forschende Prozesse der Tiefengeothermie direkt beobachten können. Foto: KIT
Das GeoLaB macht Geowissenschaften erlebbar: Im Schwarzwald/Odenwald entsteht das erste Untertagelabor, in dem Forschende Prozesse der Tiefengeothermie direkt beobachten können.
Foto: KIT

Um Klimaneutralität zu erreichen und gleichzeitig unabhängiger von Energieimporten zu werden, eignet sich in den meisten Regionen Deutschlands der Einsatz von Tiefengeothermie. Wärme aus dem Untergrund steht unabhängig von Jahres- und Tageszeiten zur Verfügung, was die Geothermie grundlastfähig macht. Zudem ist sie erneuerbar, denn aufgrund der Temperaturverhältnisse und der Transportprozesse fließt Wärme in das Reservoir nach. 

"Die Geothermie hat ein riesiges Potenzial. Alleine in Deutschland könnten wir damit ein Drittel des Gasbedarfs für unsere Wärme ersetzen - und angesichts der Klimakatastrophe und der geopolitischen Weltlage können wir darauf nicht mehr verzichten", sagt Prof. Holger Hanselka, der Präsident des KIT und Vizepräsident für den Forschungsbereich Energie der Helmholtz-Gemeinschaft. "Damit wir die dafür notwendigen Technologien aber auch sicher nutzen können und die Umweltauswirkungen minimal bleiben, werden wir die Geothermie nun mithilfe von GeoLaB entsprechend weiterentwickeln."

Experimente direkt im Untergrund

Mit der neuartigen Großforschungsinfrastruktur, dem Geothermal Laboratory in the Crystalline Basement (GeoLaB), sollen grundlegende Fragen der Reservoirtechnologie und Bohrlochsicherheit von Geothermieanlagen direkt im Untergrund erforscht werden. Dazu werden die Projektpartner der Helmholtz-Gemeinschaft gemeinsam mit externen Partnern unter Führung des KIT ein neues Bergwerk im Schwarzwald oder Odenwald auffahren. Nach dem Ausbau wird ein etwa ein Kilometer langer Stollen zu Kavernen führen. Vor dort aus werden in diesem weltersten Untertage-Forschungslabor für Tiefengeothermie kontrollierte Hochfluss-Experimente, also Strömungsversuche im Gestein mit für die Geothermie relevanten Fließraten, unter einer möglichst dicken Gesteinsschicht von ca. 400 Metern durchgeführt. 

Als gemeinsame Forschungsinfrastruktur der Forschungsbereiche Energie sowie Erde und Umwelt wird die Helmholtz-Gemeinschaft 35 Millionen Euro in GeoLaB als strategische Ausbauinvestition investieren. Zur Errichtung von GeoLaB geht das KIT (als koordinierendes Helmholtz-Zentrum und stellvertretend für die Partner GFZ und UFZ) mit der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) eine Kooperation ein.

Mit der Beteiligung der BGE sollen Synergien zwischen den beiden großen gesellschaftlichen Aufgaben, Energiewende und nukleare Endlagerung, genutzt werden. Die bergbaulichen Kompetenzen zur Errichtung des GeoLaB sollen auch der BGE zugänglich gemacht werden. Es wird aber am Standort kein Endlager errichtet, dafür wäre eine unruhige Geologie wie im oder am Oberrheingraben auch nicht geeignet. Die BGE möchte vielmehr grundsätzliche Erfahrungen und Kompetenzen beim Auffahren eines Bergwerkes im kristallinen Gestein aufbauen.

Grundlagenforschung und ein rascher Wissenstransfer

"Mit dem Untertage-Labor betreten wir wissenschaftliches Neuland und bringen die Geothermieforschung weltweit einen entscheidenden Schritt weiter", sagt Prof. Oliver Kraft, Vizepräsident für Forschung des KIT. "Zum ersten Mal wird es mit GeoLaB möglich sein, die genauen Prozesse in einem Reservoir in-situ in Raum und Zeit zu beobachten. Dank umfassender Messungen mit modernsten Methoden direkt im Untergrund wird dabei ein einmaliger Datensatz mit thermischen, hydraulischen, chemischen und mechanischen Parametern entstehen, mit dem Modelle experimentell validiert werden können."

Mit Hinblick auf einen raschen Transfer der Forschungsergebnisse in die praktische Anwendung fügt die wissenschaftliche Vorständin des Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, Prof. Susanne Buiter, hinzu: "Die Hitze aus der Tiefe ist ein Bodenschatz, den wir noch nicht ausreichend erforscht, geschweige denn in eine Nutzung gebracht haben. Wir brauchen hierfür aber nicht nur die Daten, sondern auch moderne Bürgerbeteiligung und rasche Genehmigungsverfahren. Auch hier wird die Forschung in GeoLaB wichtige Beiträge leisten und ein wissensbasiertes Vorgehen ermöglichen. So könnten unterschiedliche Formen der Geothermie bald in vielen städtischen Räumen einen großen Beitrag zur Wärmewende leisten." 

Forschung hilft Risiken zu minimieren

Dass die Geothermie in Deutschland bislang nur punktuell zum Einsatz kommt, liegt unter anderem an der Sorge von Bürgerinnen und Bürgern vor künstlich verursachten Erdbeben. "Diese treten vor allem bei einer unsachgemäßen Injektion von Fluiden in ein Reservoir auf", sagt Prof. Thomas Kohl vom Institut für Angewandte Geowissenschaften des KIT und Wissenschaftlicher Koordinator des Projektes. Grundsätzlich sei die Anwendung von solchen Enhanced Geothermal Systems aber notwendig, um das große Potenzial der Geothermie standortunabhängig auch in Regionen mit kristallinem Grundgebirge wirtschaftlich nutzbar zu machen. Diese Gesteinsschichten besitzen das größte Potenzial für die Geothermie und sind für die zukünftige Energiesicherheit elementar.

Meistens können die notwendigen Fließraten dort aber nur durch entsprechende Ertüchtigungsmaßnahmen erreicht werden, erläutert der Experte. "Eine entscheidende Aufgabe der Forschung mit dem GeoLaB wird es deshalb sein, das Verständnis induzierter Seismizität zu verbessern und Maßnahmen zur Verhinderung experimentell zu demonstrieren", so Kohl. Er erwarte, dass die Experimente im GeoLaB das Wissen über die komplexen Prozesse im Kristallingestein unter erhöhten Fließraten wesentlich erweitern. Die Erkenntnisse wären dann auch auf andere kristalline Reservoire weltweilt übertragbar.

Anwendungsnahe Forschung mit modernen Methoden 

GeoLaB werde auch deshalb gezielt im kristallinen Untergrund errichtet, so Professor Ingo Sass, Leiter der Sektion Geoenergie am GFZ und Professor für Angewandte Geothermie an der TU Darmstadt:, "Weil wir wissen, dass die überwiegende Anzahl der deutschen Großstädte diesen Gesteinstyp in mit Bohrungen erreichbarer Tiefe haben. Die Transferwirkung von GeoLaB kann daher von enormer Bedeutung für die Wärmewende in den Ballungsräumen sein."

"Mit GeoLaB wollen wir auch neue Maßstäbe für die Digitalisierung von Untertagelaboren setzen", sagt Prof. Olaf Kolditz vom UFZ. "Mit einem digitalen Zwilling (Virtual GeoLaB) wird es eine moderne Datenhaltung kombiniert mit integrierten Prozessmodellen geben, um Experimente besser planen, auswerten und in die Zukunft schauen zu können. Dabei kommen auch Methoden der Virtuellen Realitäten zum Einsatz, die sich schon in anderen Untertagelaboren bewährt haben - auch damit die komplexen Vorgänge untertage sichtbar und verständlich werden."

GeoLaB als Investition in die Zukunft

"Der Einsatz und die Entwicklung modernster Beobachtungs- und Auswertemethoden mit dem GeoLaB wird die sichere und ökologisch nachhaltige Nutzung der Geothermie und des unterirdischen Raumes für Generationen prägen", sagt die technische Koordinatorin von GeoLaB, Prof. Eva Schill, die das Geoenergie-Cluster am Institut für Nukleare Entsorgung (INE) des KIT leitet und sich auch mit der TU Darmstadt in GeoLaB engagiert. "Als interdisziplinäre und internationale Forschungsplattform wird GeoLaB in Kooperation mit unseren Forschungspartnern, der Industrie und den Fachbehörden Synergien erzeugen und Maßstäbe in der Forschung setzen." 

Mit GeoLaB wird außerdem die Ausbildung einer neuen Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Technikerinnen und Technikern sichergestellt, wofür bereits unterschiedliche Maßnahmen in Planung sind. Außerdem werden umfangreiche Partizipationsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger geschaffen. Diese können beispielsweise gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessengruppen der Region in einem Co-Design Prozess erarbeitet und umgesetzt. 

Weitere Informationen: https://www.geolab.kit.edu/


Weitere Informationen

Prof. Dr. Olaf Kolditz
Leiter UFZ-Department Umweltinformatik
olaf.kolditz@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
« zurück