Kurzinformation vom 09. Februar 2023

Alle für Umwelt und Menschen schlechten Eigenschaften in einer Stoffgruppe - PFAS Beschränkung dringend geboten

UFZ-Wissenschaftler:innen äußern sich zum Beschränkungsvorschlag europäischer Behörden

PFAS (per-/polyfluorierte Alkylsubstanzen) stecken wegen ihrer nützlichen Eigenschaften in vielen Produkten. Doch sie bergen erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt. Die Europäische Chemikalienagentur hat einen Vorschlag veröffentlicht, der die PFAS-Verwendung beschränken soll.

Behörden aus fünf europäischen Ländern haben am 7. Februar einen gemeinsamen Antrag vorgestellt, die gesamte Gruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in der europäischen Chemikalienregulation REACH einer Beschränkung zu unterwerfen.

Die Toxikologie, die Umweltchemie und die Ökotoxikologie - jede dieser Disziplinen kann Eigenschaften benennen, die eine Chemikalie NICHT haben sollte, die in die Umwelt entlassen wird oder der Menschen ausgesetzt werden. Die Stoffgruppe der PFAS vereint nahezu alle diese schlechten Eigenschaften.

Die Absicht, die gesamte Gruppe der PFAS einer Beschränkung zu unterwerfen, ist deshalb folgerichtig - und der Schritt notwendig. Denn:

  • PFAS sind persistent, d.h. extrem langlebig in der Umwelt. Perfluorcarbonsäuren und Perfluorsulfonsäuren gehören zu den stabilsten Chemikalien, die wir kennen.
  • PFAS sind bioakkumulierend, d.h. sie können in der Umwelt und Tieren nachgewiesen werden und werden vom Menschen mit der Nahrung aufgenommen. Bevölkerungskreise, die Meeresfische verzehren, nehmen mit der Nahrung mit die höchsten Mengen von PFAS auf.
  • PFAS verteilen sich global über die Atmosphäre, sodass PFAS heute "vom Himmel" regnen - auch in vermeintlichen Reinluft-Regionen - das zeigen die hohen Konzentrationen, die bei bei Robben und Eisbären gefunden werden.
  • PFAS sind toxisch, d.h. sie wirken negativ auf viele wichtige Lebensprozesse, darunter das Immunsystem und das endokrine System. Da PFAS sehr lange biologische Halbwertzeiten im Menschen haben, verbleibt z.B. ein aufgenommenes Molekül von PFOA (Perfluoroktansäure) über etwa ein Jahr im menschlichen Körper.
  • Die hohe Mobilität von PFAS in aquatischen Systemen bewirkt, dass sie auch Grund- und Trinkwasser kontaminieren.
  • Anfängliche, zum Teil freiwillige Beschränkungen der herstellenden Industrie, etwa für PFOS (Perfluoroktansulfonsäure), waren im Ergebnis zumeist nur ein Ausweichen auf andere, zuvor nicht untersuchte PFAS-Verbindungen. Diese Ersatzstoffe hatten dann zwar andere, aber für die Umwelt insgesamt kaum bessere Eigenschaften.
  • Auch daraus resultiert eine große Vielfalt an verschiedensten PFAS-Einsatzstoffen, die verwendet werden, aber gar nicht alle analysiert und in der Umwelt nachgewiesen werden können. Damit ist die tatsächliche Belastung der Umwelt und des Menschen nicht vollständig erfassbar. Die weltweiten Produktionsmengen sind unbekannt.
  • Die weniger stabilen PFAS Verbindungen, zumeist polyfluorierte Alkylsubstanzen (und nicht perfluorierte), wandeln sich schließlich in die allerstabilsten perfluorierten Vertreter wie die Perfluorcarbonsäuren um. Im Ergebnis werden so aus sehr vielen sogenannten Vorläuferverbindungen wenige, besonders stabile Endprodukte gebildet - welche dann in hohen Konzentrationen und über noch sehr lange Zeiträume entstehen werden.

Wissenschaftler:innen des UFZ verbessern im Rahmen zahlreicher Forschungsprojekte die Kenntnisse zur Belastung (Exposition) von Mensch und Umwelt mit PFAS sowie zu deren gesundheitlichen Auswirkungen, und sie entwickeln Technologien zu deren Entfernung:

  • Erfassung der Humanexposition mit bisher weitgehend unbekannten sogenannten PFAS-Vorläufersubstanzen, im EU-Projekt PERFORCE 3 (Prof. Thorsten Reemtsma, UFZ-Department Analytik).
  • Erkennen langfristiger Trends in der PFAS-Umweltbelastung (1980-2020) in Deutschland, insb. in Nahrungsnetzen; Projekt FLUORBANK des Umweltbundesamtes (Prof. Thorsten Reemtsma, UFZ-Department Analytik).
  • Charakterisierung der Bodenbelastung mit PFAS-Transformations- und Vorläuferverbindungen in einem großflächigen Schadensfall in Baden-Württemberg (Rastatt), im Vorhaben FLUORTECH (Prof. Thorsten Reemtsma, UFZ-Department Analytik).
  • Effekte bestimmter PFAS auf die Entwicklung und Funktion des Gehirns am Beispiel von Zebrafisch-Embryonen; Klärung zugrundeliegender Mechanismen (Prof. Tamara Tal, UFZ-Department Bioanalytische Ökotoxikologie, Arbeitsgruppe Molekulare Toxikologie).
  • In vitro-Testverfahren für die vergleichende Toxizitätsbewertung von diversen PFAS und quantitative in vitro- zu in vivo-Extrapolationsmethoden (Prof. Beate Escher, UFZ-Department Zelltoxikologie).
  • Untersuchung von Effekten auf die Funktionalität von Immunzellen mit Hilfe von in vitro-Assays aus Primärzellen (Prof. Ana Zenclussen, UFZ-Department Umweltimmunologie).
  • In situ-Entfernung von PFAS aus Grundwasser mit speziell auf die Stoffgruppe abgestimmter kolloidaler Aktivkohle (Dr. Katrin Mackenzie, UFZ-Department Technische Umweltchemie)
  • Methodenentwicklung zur Identifizierung von Quellen und Bewertung des Abbaus von PFAS mittels Isotopenanalyse im Projekt Fate-PFT (Dr. Steffen Kümmel, UFZ-Department Isotopenbiogeochemie, und Dr. Anett Georgi, UFZ-Department Technische Umweltchemie).
  • Entwicklung innovativer Methoden zur Entfernung von PFAS aus kontaminierten Böden und (Grund-)Wässern an Hotspots; Projekt FABEKO (Dr. Katrin Mackenzie und Dr. Anett Georgi, UFZ-Department Technische Umweltchemie).

Autor:innen:
Prof. Thorsten Reemtsma / Prof. Beate Escher / Prof. Tamara Tal / Prof. Ana Zenclussen / Dr. Katrin Mackenzie / Prof. Werner Brack

Weitere Informationen:
ECHA-Pressemitteilung vom 7. Februar 2023
Beschränkungsdossier der ECHA 


Weitere Informationen

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
« zurück