Pressemitteilung vom 9. Juli 2015

Klimawandel ist mitverantwortlich für den starken Rückgang an Hummelarten in Europa und Nordamerika

Erste Studie zu den Verbreitungsgrenzen auf zwei Kontinenten

Ottawa/Halle(Saale). Wie bereits bei anderen Tier- und Pflanzenarten beobachtet, verringert der Klimawandel auch die Lebensräume von Hummeln, die zu den wichtigsten Bestäubern gehören. Das schlussfolgert ein internationales Forscherteam nach der Auswertung von Langzeitdaten aus Europa und Nordamerika. Die Südgrenze der Verbreitung der meisten Hummelarten habe sich auf beiden Kontinenten innerhalb eines Jahrhunderts bis zu 300 Kilometer nach Norden verschoben, die Nordgrenze dagegen nicht, schreibt das Forscherteam in der aktuellen Ausgabe des Fachblattes Science. Eigenen Angaben zufolge wurden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Verbreitungsgrenzen bisher noch nie in diesem Umfang auf zwei Kontinenten untersucht. An der Studie, die von der Universität Ottawa in Kanada geleitet wurde, war auch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) maßgeblich beteiligt.

Hummel, Foto: UFZ

Hummel
Foto: UFZ

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Die Frage, wie sich der Klimawandel auf die verschiedenen Tier- und Pflanzenarten bis hin zu den Ökosystemen und deren Dienstleistungen auswirkt, wird mit zunehmender Erwärmung immer bedeutsamer. Einen weiteren Beleg, dass der Klimawandel zu einer deutlichen Verschiebung der Lebensräume führt und Lebensgemeinschaften aus verschiedenen Tiergruppen auseinander reißen kann, liefert jetzt ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Kanada, den USA, UK, Belgien und Deutschland.

Für ihre Studie werteten sie rund 423.000 Beobachtungen von insgesamt 67 Europäischen und Nordamerikanischen Hummelarten aus, die seit dem Jahr 1901 gemacht wurden. Dabei wurden die Unterschiede in den nördlichen und südlichen Ausbreitungsgrenzen der einzelnen Arten, die höchste und kälteste Temperatur des Verbreitungsgebietes sowie die durchschnittliche Höhe über dem Meeresspiegel bestimmt. Anschließend verglich das Team die Daten von 1901 bis 1974 mit drei Zeiträumen in den elf Jahren danach und bestimmte die Trends der Hummelarten. Zusätzlich wurde die Wirkung von Landnutzungs-Faktoren (z.B. Pestizideinsatz) einbezogen. Trotz deutlicher Unterschiede in der Landnutzung zwischen Nordamerika und Nordeuropa wurden keine Unterschiede im Hinblick auf die Verschiebung der Arealgrenzen der Hummeln beobachtet.

Deutliche Unterschiede gab es dagegen bei der Ausbreitung der Hummeln in vertikaler Richtung. Während sie seit 1974 vor allem im südlichen Europa im Schnitt 300 Meter höher in die Gebirge gewandert sind, taten die Hummeln dies im südlichen Nordamerika nur zirka 200 Meter, was an der unterschiedlichen geografischen Ausrichtung der Gebirgsketten liegen könnte.

„Im Gegensatz zu anderen Tiergruppen hat es keine Veränderungen bei den nördlichen Verbreitungsgrenzen von Hummeln in Europa oder Nordamerika gegeben. Obwohl sich deren Lebensräume mit rund +2,5 Grad Celsius deutlich erwärmt haben, haben es die Hummeln nicht geschafft, mit der Erwärmung mitzuziehen“, erklärt Dr. Oliver Schweiger vom UFZ, der die Studie mit verfasst hat. Damit wird klar, dass auch Hummeln nicht mit dem Tempo des Klimawandels mithalten können. Da sie zu den wichtigsten Bestäubern gehören, könnte das gravierende Auswirkungen auf den Ertrag von Agrargütern haben. Oliver Schweiger war gemeinsam mit Prof. Pierre Rasmont von der Universität Mons in Belgien für die Koordination der Datensammlung der zirka 240.000 Beobachtungen in Europa verantwortlich.

2012 war Schweiger bereits an einer Studie beteiligt, die zeigte, dass in Europa Schmetterlinge im Durchschnitt 135 Kilometer und Vögel sogar 212 Kilometer gegenüber der Temperaturerhöhung und der Verschiebung ihrer Lebensräume zurückliegen.

"Wir haben bereits rund 300 Kilometer der Verbreitungsgebiete von Hummeln im Süden Europas und Nordamerikas verloren. Umfang und Tempo dieser Verluste sind beispiellos. Wir brauchen deshalb neue Strategien, diesen Arten zu helfen, mit den Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels zurechtzukommen. Vielleicht, in dem wir sie aktiv unterstützen, in nördliche Gebiete wandern zu können", fordert Prof. Jeremy T. Kerr von der Universität Ottawa, der die nun im Magazin Science publizierte Studie geleitet hat.
Tilo Arnhold

Publikation

Jeremy T. Kerr, Alana Pindar, Paul Galpern, Laurence Packer, Simon G. Potts, Stuart M. Roberts, Pierre Rasmont, Oliver Schweiger, Sheila R. Colla, Leif L. Richardson, David L. Wagner, Lawrence F.Gall, Derek S. Sikes, Alberto Pantoja (2015):
Climate change impacts on bumblebees converge across continents. Science. 09 July 2015.

Die Studie wurde u.a. gefördert von: National Science and Engineering Research Council of Canada strategic network (CANPOLIN: Canadian Pollination Initiative) und der Europäischen Union (FP7, Projekt STEP – Status and Trends of European Pollinators).

Weiterführende Informationen

Dr. Oliver Schweiger
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Dr. Oliver Schweiger

Prof. Jeremy T. Kerr
Department of Biology, University of Ottawa, Canada
Tel. +1 613-562-5800 ext. 4577
Prof. Jeremy T. Kerr
www.macroecology.ca/Welcome.html

oder über

Tilo Arnhold, Susanne Hufe (UFZ-Pressestelle)
Telefon: +49-(0)341-235-1635, -1630

Kina Leclair
Media Relations Officer, University of Ottawa
Office: +1 613-562-5800 (2529) & Cell: 613-762-2908
www.uottawa.ca/media/media-releases.html

Weiterführende Links

EU-Projekt „CLIMIT - CLimate change impacts on Insects and their MITigation“ (EU FP 6, ERA-Net project BiodivERsA)
www.climit-project.net

EU-Projekt „STEP - Status and Trends of European Pollinators“ (EU FP 7, Collaborative Project, 2010 – 2015
www.step-project.net

Klimawandel und Biodiversität
www.ufz.de/index.php?de=32490

Vögel und Schmetterlinge "flattern" dem Klimawandel hinterher (Pressemitteilung vom 9. Januar 2012)
www.ufz.de/index.php?de=30100

Klimawandel führt zu neuen Lebensgemeinschaften und bedroht Spezialisten (Pressemitteilung vom 10. Dezember 2010):
www.ufz.de/index.php?de=20840

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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