Pressemitteilung vom 31. März 2015

Klimawandel: Bakterien spielen wichtige Rolle für langfristige Bindung von Kohlendioxid im Meer

Leipzig, Columbia (South Carolina, USA), München. In den Ozeanen ist eine Vielzahl organischer Substanzen gelöst. Ein Großteil ist gegenüber bakteriellen Abbauprozessen stabil und im Mittel mehrere tausend Jahre alt. In ihnen ist ähnlich viel Kohlenstoff gebunden wie im Kohlenstoffdioxid der Atmosphäre. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der University of South Carolina und des Helmholtz Zentrums München fanden in ihrer in Nature Communications veröffentlichten Studie Antworten auf die Frage nach der Herkunft dieser extrem langlebigen Substanzen.

Meeresbrandung. Foto: Andreas Hermsdorf_pixelio.de

Algen und Bakterien im Meer haben einen großen Einfluss auf das Gleichgewicht von Aufnahme und Abgabe von Kohlenstoffdioxid der Atmosphäre und damit auf das weltweite Klima. Nur durch detaillierte chemische und mikrobiologische Me-thoden lassen sich jedoch die Mechanismen des organischen Kohlenstoffkreislaufs erforschen und Prognosen für die Zukunft erstellen.
Foto: Andreas Hermsdorf_pixelio.de

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In Wasser gelöstes organisches Material (engl.: dissolved organic matter, DOM) ist eine hochkomplexe Mischung verschiedenster kohlenstoffhaltiger Substanzen, die beispielsweise aus Stoffwechsel- oder Ausscheidungsprodukten von Organismen oder durch bakterielle Abbauprozesse entstanden sind. Ein Teil des DOM kann durch Bakterien verwertet werden und wird vollständig abgebaut. Der darin enthaltene Kohlenstoff entweicht dann früher oder später wieder in Form von Kohlendioxid in die Atmosphäre. Der Großteil des im Meer befindlichen DOM aber – und das sind mehr als 90 Prozent – ist extrem stabil und kann im Mittel 4.000 bis 6.000 Jahre alt sein. „Bakterien besitzen ein riesiges Repertoire an Abbaumechanismen, um organisches Material zu zerlegen und als Energiequelle zu nutzen“, sagt Dr. Oliver Lechtenfeld vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der die Studie an der University of South Carolina durchgeführt hat. „Es ist schon bemerkenswert, dass solch riesige Mengen an DOM im Ozean scheinbar nicht abgebaut werden können. Und es stellt sich die Frage: Wo kommt das langlebige DOM eigentlich her?“

Aus Studien ist bekannt, dass Bakterien in Laborversuchen DOM produzieren, das über ein Jahr stabil sein kann. Lechtenfeld: „Wir wollten herausfinden, ob das von Bakterien im Labor produzierte DOM chemisch mit dem in der Natur vorkommenden langlebigen DOM vergleichbar ist.“ Für ihre Untersuchungen gaben die Forscher Bakterien aus dem Meer in künstlich hergestelltes Meerwasser, um sicherzustellen, dass das Wasser zu Beginn des Versuchs DOM-frei ist. Ernährt wurden die Bakterien mit einer genau bekannten Kohlenstoffquelle. „Auf diese Weise wussten wir, dass das DOM, das wir messen würden, auch tatsächlich von den Bakterien produziert wurde“, erklärt Lechtenfeld.

Nach vier Wochen wurde das bakteriell hergestellte DOM in den Proben mit hochauflösenden chemischen Methoden – der Kernspinresonanz-Spektroskopie und der ultrahochauflösenden Massenspektrometrie – analysiert, und mit dem DOM verglichen, das in natürlichem Meerwasser zu finden ist. „Das Ergebnis war verblüffend: Die Bakterien hatten bereits nach kurzer Zeit ein komplexes DOM produziert, dessen chemische Zusammensetzung dem in der Natur schon sehr ähnlich war. Wir gehen davon aus, dass es sich bei den Molekülen um Stoffwechselprodukte der Bakterien handelt“, sagt Dr. Ronald Benner von der University of South Carolina. „Und viele der molekularen Eigenschaften langlebiger Substanzen im Meer waren auch schon in unserem Laborversuch nachweisbar.“

Die Forscher bekamen somit eine Antwort auf die Frage nach der Herkunft des langlebigen DOM: „Es scheinen also ganz offensichtlich Bakterien daran beteiligt zu sein, dass ein Teil des atmosphärischen Kohlenstoffs langfristig im Meer verbleibt“, sagt Dr. Norbert Hertkorn vom Helmholtz-Zentrum München. „Der Prozentsatz der langlebigen Substanzen war in unserem Experiment zwar gering, doch durch ihre Langlebigkeit reichern sie sich natürlich mit der Zeit im Meer an. Auf diese Weise tragen Bakterien effektiv zur Kohlenstoffspeicherung im Ozean bei und spielen eine wichtige und bisher unterschätzte Rolle für unser Klima.“

In weiteren Untersuchungen möchte UFZ-Forscher Oliver Lechtenfeld herausfinden, welche chemischen Strukturen oder Mechanismen dafür verantwortlich sind, dass Bakterien die langlebigen Substanzen nicht abbauen können. Dabei wird sich sein Blickfeld auf das Ökosystem Boden erweitern: „Man weiß noch wenig darüber, welche Prozesse im Boden für die Bindung von Kohlenstoff in Form langlebiger organischer Moleküle verantwortlich sind. Das ist aber ein wichtiger Aspekt unter anderem für die Landwirtschaft oder die Trinkwasseraufbereitung. Denn seit einigen Jahren werden erhöhte DOM-Konzentrationen im Einzugsgebiet von Talsperren gemessen“, sagt Lechtenfeld. „Wie sich der Klimawandel mit steigenden Durchschnittstemperaturen und veränderten Niederschlägen auf die Zusammensetzung bakterieller Gemeinschaften im Meer und im Boden und deren Fähigkeit, Kohlenstoff zu binden auswirken wird, bedarf ebenfalls noch intensiver Forschung.“

Publikation

Oliver J. Lechtenfeld, Norbert Hertkorn, Yuan Shen, Matthias Witt & Ronald Benner (2015):
Marine sequestration of carbon in bacterial metabolites. Nature Communications 6:6711,
http://dx.doi.org/10.1038/ncomms7711

Weitere Informationen

Dr. Oliver Lechtenfeld
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Department Analytik
Telefon: +49(341)235-1020
oliver.lechtenfeld@ufz.de

oder über

Tilo Arnhold, Susanne Hufe (UFZ-Pressestelle)
Telefon: +49-(0)341-235-1635, -1630

Weiterführende Links:

Wieso steigt die Konzentration an Huminstoffen in den Talsperren? (Pressemitteilung vom 20.03.2013)
www.ufz.de/index.php?de=31449

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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