Hochwasser in Barby an der Elbe am 11.06.2013. Foto: André Künzelmann/UFZ

Interview vom 2. Mai 2014

Eine Versicherungspflicht gegen Hochwasser?


Am 7. Mai findet im Sächsischen Landtag eine Expertenanhörung zum Thema "Pflichtversicherung Elementarschäden" statt. Einer der Experten ist dabei Prof. Reimund Schwarze, Umweltökonom am UFZ. Zusammen mit Kollegen hatte er bereits im Juni 2013 in einer Stellungnahme zum Hochwasser 2013 darauf hingewiesen, dass neben technischem und natürlichem Hochwasserschutz sowie privater Vorsorge auch eine vorsorgeorientierte Versicherungspflicht sinnvoll sei. Ein Interview.


Herr Schwarze, etwa eine Million Menschen sollen Schätzungen zufolge keine Chance mehr haben, sich regulär gegen solche Flutkatastrophen zu versichern. Was hat sich in Sachen Hochwasserversicherungen seit der Flut im Frühsommer 2013 getan?

Nach der Flut 2013 hat es zahlreiche Beschwerden bei der Verbraucherzentrale in Sachsen und in den Medien über die Kündigung bzw. Verteuerung bestehender Gebäudeversicherungsverträge in den Überflutungsgebieten gegeben und die Schwierigkeit, überhaupt noch Verträge zu bezahlbaren Prämien abschließen zu können. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat daraufhin in die Versicherungspraxis geschaut und gefunden, dass die Bemühungen verschiedener Akteure, eine möglichst hohe Versicherungsdichte zu erreichen, nicht viel gebracht haben. Auf dem Versicherungsgipfel im März dieses Jahres in Dresden gab es darauf keine befriedigende Antwort der Versicherer. Daraufhin hat der sächsische Ministerpräsident den Vorschlag zu einer Versicherungspflicht für Hochwasserrisiken für Neubauten gemacht, der jetzt dem Bundesrat vorliegt. Auch die Bundesregierung hat sich in den Koalitionsvereinbarungen darauf verpflichtet, diesen Vorschlag zu prüfen.


Welche Vorteile hätte eine Versicherungspflicht?

Eine Versicherungspflicht würde der jetzigen Politik der Ad-hoc-Hilfen die politische und ökonomische Grundlage entziehen. Der Steuerzahler müsste nicht mehr für die Entschädigung von Hochwasserrisiken aufkommen, sondern die Gebäudeeigentümer – vor allem in Risikogebieten. Zugleich böte die Versicherungspflicht diesen Betroffenen einen Rechtsanspruch auf Entschädigung zu bezahlbaren Preisen, statt Sie von aktuellen Wahlkampf- oder Konjunkturlagen und medialer Aufmerksamkeit abhängig zu machen. Es ist einfach die rationale Lösung, wenn die Kampagnen und Appelle an die Versicherer und die zu Versicherenden wirkungslos verpuffen.


Würde eine Pflichtversicherung das Risiko nicht einfach nur privatisieren, also vom Staat zur Versicherungswirtschaft verschieben? Wozu sind aus Ihrer Sicht trotzdem Staatsgarantien nötig?

Die Privatisierung von Risiken ist grundsätzlich besser als deren Sozialisierung. Trotzdem gilt in einer sozialen Marktwirtschaft auch der Grundsatz, dass Bürger vor existenzbedrohenden Risiken zu schützen sind. Wenn das durch Deiche nicht geht, dann muss es durch eine Versicherung zu bezahlbaren Preisen sein. Wenn eine Staatsgarantie nötig ist, diese Versicherungslösung zu etablieren, ist das mit der sozialen Marktwirtschaft nicht nur vereinbar, sondern die Pflicht des Staates, Rahmenbedingungen für eine Privatisierung der Risiken zu schaffen. Im Übrigen gilt: Auch heute haftet der Staat für die Schäden im Rahmen der Ad-hoc-Hilfen. Der Unterschied zu einer Versicherungslösung mit einer Staatsgarantie für „Mega-Schäden“ wäre, dass er dies dann nicht mehr ab dem ersten Euro Schaden täte, sondern ab dem ersten Euro der die Grenzen einer Versicherungslösung übersteigt. Eine Staatsgarantie von Schäden über 22 Milliarden Euro hätte in der Folge der „Jahrhundertflut“ 2002 eine private Versicherungslage von 8 Milliarden Euro ermöglicht, die mehr als gereicht hätte, die Schäden aus 2013 ohne irgendeinen Beitrag des Steuerzahlers zu decken.


Der Hochwasserschutz liegt in Deutschland im Verantwortungsbereich der Bundesländer. Thüringen und Sachsen diskutieren gerade unterschiedliche Modelle zur Regulierung künftiger Schäden. Könnte dies bedeuten, dass Anwohner am gleichen Fluss je nach Bundesland künftig unterschiedlich entschädigt werden?

Das ist bereits heute so. Die Betroffenen des Hochwassers nach starker Schneeschmelze im März 2006 in Wehlen, Pirna und Bad Schandau haben keine Hilfen erhalten, weil das Ereignis nicht durch die Medien ging. Die Betroffenen des Oderhochwassers 1997 dagegen haben teilweise mehr bekommen als überhaupt nötig war. Das System des Ad hoc ist ungerecht und uneinheitlich. Die Versicherungspflicht ist der Ansatz, dem eine rationale Lösung entgegen zu setzen.