Standpunkt Februar 2013

Standpunkt: Strompreisbremse oder Umkehrschub? Über die Kunst, die Kosten der Energiewende zu begrenzen

Mit den aktuellen Vorschlägen von Bundesumweltminister Altmaier zur Begrenzung des Strompreisanstiegs ist die Debatte um eine nachhaltige Transformation unserer Energieversorgung endgültig dort angekommen, wo sie viele gern sehen möchten: beim Strompreis. Für die unlängst beobachteten Erhöhungen, vor allem aber die künftig noch angedrohten Steigerungen ist längst ein Schuldiger ausgemacht: die Energiewende, vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit seinen Festpreisvergütungen für erneuerbaren Strom, deren Finanzierung auf die Stromverbraucher umgelegt wird. Soziale Schieflage, Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, Ineffizienz und Planwirtschaft werden dem EEG zur Last gelegt. Höchste Zeit also für die Politik zu handeln? Doch wo genau liegt eigentlich das Problem? Und wird das jüngst vorgestellte „Strompreissicherungs-Paket“ dem gerecht?

Prof. Dr. Erik Gawel, UFZ

Prof. Dr. Erik Gawel ist als Umwelt- und Energieökonom stellvertretender Leiter des Departments Ökonomie am UFZ und Direktor des Instituts für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig. Er koordiniert die ökonomische Forschung des UFZ in der Helmholtz-Allianz ENERGY-TRANS.
e-mail: erik.gawel@ufz.de
Foto: André Künzelmann/UFZ

Bei Licht betrachtet handelt es sich um ein Maßnahmenbündel zur Begrenzung der EEG-Umlage; die Strompreise selbst können dadurch auf Großhandelsebene gar nicht und in den Endkundensegmenten (Industrie-, Haushaltsstrom) nur indirekt beeinflusst werden – hier trägt die Umlage nur zwischen 0 und 18% zum Endpreis bei. Die EEG-Umlage soll auf jetzigem Niveau bis Ende 2014 eingefroren und danach nur gedeckelt angehoben werden. Zu dieser Umlagenbegrenzung sollen alle Profiteure ihr Scherflein beitragen: Die Ausnahmen für energieintensive Unternehmen sollen reduziert, die Eigennutzung von Ökostrom mit einer Mindestumlage belastet werden, geförderte Bestandsanlagen einen Teil ihrer zugesagten Förderung verlieren und Neuanlagen auf den Beginn ihrer Vergütung „flexibel“ warten.

Über eine Beschneidung der weitreichenden Ausnahmen nachzudenken, ist richtig. Dies begrenzt den Umlageanstieg, führt zu mehr Verteilungsgerechtigkeit und belastet die energieintensive Industrie angemessen, die bislang durch sinkende Börsenpreise und umfassende Befreiungen vom Ökostrom eher profitiert hat. Doch die zu erwartenden Kollateralschäden bei der Kürzung der Vergütung für Neu- und Bestandsanlagen sind erheblich. Zunächst bedeutet das Einfrieren und gedeckelte Anheben faktisch einen Ausbau-Stopp. Weil die Vergütungen für den noch jungen Bestand an Altanlagen weiterfließen müssen, geht die Deckelung zu Lasten neuer Anlagen. Zudem bedeutet die nachträgliche Kürzung einen massiven Vertrauensverlust und ist zusammen mit der ins Ungewisse gestellten Vergütung für Neuanlagen Gift für die Investitionsbereitschaft. Anstatt den Ausbau Erneuerbarer planvoll zu steuern, produziert die Politik in immer schnellerer Folge erratische Signale über die Profitabilität privater Investitionen.

Ohnehin ist die EEG-Umlage der falsche Ansatzpunkt für Deckelungsbemühungen: Da die Umlage die Differenz zwischen Festvergütung und Börsenpreis ausgleicht, der durch Erneuerbare absinkt, ergeben sich paradoxe Effekte: Die Umlage steigt allein dadurch, dass die Erneuerbaren den Börsenpreis wie gewünscht senken und die Umlage ist dadurch auch unabhängig vom tatsächlichen oder gewünschten Ausbautempo. Eine Absenkung der Stromsteuer ist noch weniger zielführend: Die Preisentlastungseffekte werden die Versorger in den nächsten Preiserhöhungsrunden zunichtemachen, und eine spezifische Befreiung von Grundbedarfen ist nicht nur sozial wenig zielgenau, sondern schwächt gerade die wichtige Anreizfunktion des Strompreises. Zudem muss der Einnahmeausfall an anderer Stelle kompensiert werden.

Steigende Strompreise sind kein Schicksalsschlag, den es um jeden Preis abzuwenden gilt. Sie können und sollen durch Anstrengungen zu Einsparung und preissensiblem Beschaffungsverhalten beantwortet werden. Marktwirtschaftliche Verantwortung ist daher auch auf der Nachfrageseite gefragt. Aus dieser preislich vermittelten Ressourcenverantwortung sollte man niemanden entlassen. Verbleibende Erschwinglichkeitsprobleme sind besser durch Sozialpolitik zu lösen, als Preise daran zu hindern, die Wahrheit zu sagen.

Die Kosten-Herausforderungen der Energiewende liegen ganz woanders: Wir brauchen endlich ein abgestimmtes Gesamtkonzept, das Erzeugungs-Mix, Reservekapazität und Netzausbau optimiert. Wir brauchen einen Fahrplan für die System- und Marktintegration der volatilen Erneuerbaren. Und wir brauchen mehr Wettbewerb der Erzeuger: Eine stärker dezentralisierte Versorgung mit Erneuerbaren und starken Stadtwerken kann dazu ebenso beitragen wie mündige Verbraucher, die öfter mal ihren Versorger wechseln. All dies wirkt zuverlässig kostenbegrenzend. Aktionistische Eingriffe in das Förderregime ohne klaren Reformkurs können sonst schnell aus einem Bremsmanöver eine Umkehrschub-Zündung machen.


Mehr zum Thema Energiewende auch in: GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society, Volume 21, Number 4, December 2012 , pp. 278-283