Pressemitteilung vom 17. Oktober 2012

Aufnahme organischer Schadstoffe in Pflanzen bisher unterschätzt?


Leipzig. Die Aufnahme organischer Schadstoffe durch Pflanzen könnte bisher wesentlich unterschätzt worden sein. Das schreiben Wissenschaftler im Fachblatt „Environmental Science & Technology“. Das Forscherteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), von Bioforsk Norwegen und der Technischen Universität Dresden hatte die Aufnahme von Abbauprodukten des Desinfektionsmittels Triclosan beispielhaft an Karotten im Labor untersucht.


Analytik Am UFZ wird untersucht, ob, wie und in welchem Maße Pflanzenschadstoffe wie z. B. Arsen aus dem Boden über die wurzeln aufnehmen. Die Mechanismen von Aufnahme, Verteilung und Abbau sind auch für wasserlösliche Schadstoffe wie Tierarzneimittel oder Pharmazeutika oft noch nicht geklärt. Sie hängen von vielen Faktoren wie Pflanzenart und Stoffeigenschaften ab.
Foto: André Künzelmann/UFZ
Zwischen Aussaat und Ernte können Ackerpflanzen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Chemikalien in Kontakt kommen. Dazu gehören nicht nur Pestizide, die absichtlich ausgebracht werden, sondern auch Schadstoffe, die durch die Verwendung von Gülle und Klärschlamm als Dünger auf die Felder gelangen können. In trockenen Regionen wie zum Beispiel im Mittelmeer-Raum, in dem ein Großteil des bei uns verzehrten Gemüses produziert wird, können auch durch die Bewässerung mit behandeltem Abwasser Schadstoffe auf die Felder gebracht werden. Das Spektrum reicht dabei von Human- und Veterinärarzneimitteln über Verbindungen aus kosmetischen Produkten bis hin zu Flammschutzmitteln. Zahlreiche Studien zeigen, dass Anteile dieser Verbindungen dann von Pflanzen aufgenommen werden und so in die Nahrung von Tieren und Menschen gelangen können. Das Ausmaß dieser Aufnahme wird in den letzten Jahren verstärkt untersucht und kann für bestimmte Stoffe bereits anhand von Modellen abgeschätzt werden.

Die Untersuchungen haben nun gezeigt, dass organische Schadstoffe nicht nur von Pflanzen aufgenommen, sondern je nach ihrer Struktur dann auch innerhalb der Pflanzen verändert werden können. „In unseren Untersuchungen haben wir uns auf Stoffe konzentriert, die vor allem mit Klärschlamm eingetragen werden können. Darunter ist auch Triclosan, ein Stoff, der das Wachstum von Bakterien und Pilzen hemmt und deshalb in Seifen und Kosmetika, aber teilweise auch in Kleidung eingesetzt wird. Bei Karotten konnten wir sowohl in Zellkulturen, aber auch an ganzen Pflanzen zeigen, dass der Anteil des umgewandelten Triclosan etwa fünfmal so hoch war wie der Anteil des unveränderten Triclosans“, erklärt Prof. Thorsten Reemtsma vom UFZ. Dies bedeutet, dass die tatsächliche Aufnahme von Triclosan sechsmal so hoch war, wie anhand der Triclosan-Konzentration in der Pflanze festzustellen war.
Für solche Schadstoffe, die in Pflanzen umgewandelt werden, ist in bisherigen Studien die tatsächliche Aufnahme also unterschätzt worden.

In weitere Studien wollen die Forscher dies anhand anderer Verbindungen und auch in anderen Pflanzen untersuchen, um das tatsächliche Ausmaß besser abschätzen zu können. Dabei wollen die deutschen auch mit israelischen und jordanischen Forschern zusammenarbeiten, denn in den Mittelmeerländern gewinnt die Bewässerung mit behandeltem Abwasser in der Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung, da die Grundwasservorräte dort knapper werden. Die Untersuchungen sind auch deshalb wichtig, weil ein Teil der in Pflanzen umgewandelten Schadstoffe nach dem Verzehr der Pflanze wieder in die ursprüngliche Form zurück verwandelt werden kann. In solchen Fällen wäre bisher also nicht nur die Aufnahme in Pflanzen, sondern auch die Aufnahme durch den Menschen unterschätzt worden.



Chemikalien in der Umwelt

Am UFZ untersuchen etwa 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Umweltchemie, Ökotoxikologie, chemischen und biologischen Analytik, Umweltimmunologie bis hin zur Genetik das komplexe Verhalten chemischer Stoffe. Sie kombinieren chemische und biologische Analysemethoden, um Schadstoffen in der Umwelt auf die Spur zu kommen. Sie wollen herausfinden, ob es tatsächlich die üblichen Verdächtigen sind oder ob möglicherweise Spurenstoffe, Abbauprodukte oder Kombinationswirkungen von Chemikalien langfristig Probleme bereiten können. “Chemikalien in der Umwelt” ist daher das Thema des neuen UFZ-Spezial. Mehr zum Thema „Wasserlösliche Stoffe im Visier“ lesen Sie dort auf S.11:

http://www.ufz.de/index.php?de=30896


Weitere fachliche Informationen:

Prof. Thorsten Reemtsma, Andre Macherius, Dr. Monika Möder

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Department Analytische Chemie

Telefon: 0341-235-1261, -1417, -1413

http://www.ufz.de/index.php?de=21231

http://www.ufz.de/index.php?de=11420

http://www.ufz.de/index.php?de=6728

Dr. Trine Eggen

Bioforsk Norway

http://www.bioforsk.no/ikbViewer/page/bioforsk/ansatte/person?p_document_id=7257&p_dimension_id=17883

Jelka Ondruschka

TU Dresden, Institut für Lebensmittel-und Bioverfahrenstechnik

Telefon: 0351-463-32420

http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_maschinenwesen/ilb/ma/ondruschka

oder über

Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)

Telefon: 0341-235-1635

www.ufz.de/index.php?de=640


Publikation:

André Macherius, Trine Eggen, Wilhelm Lorenz, Monika Moeder, Jelka Ondruschka and Thorsten Reemtsma (2012): Metabolization of the Bacteriostatic Agent Triclosan in Edible Plants and its Consequences for Plant Uptake Assessment. Environ. Sci. Technol., 2012, 46 (19), pp 10797–10804

http://dx.doi.org/10.1021/es3028378

Die Studie wurde vom Norwegischen Forschungsrat und dem Impuls- und Vernetzungsfond der Helmholtz-Gemeinschaft über die Graduiertenschule HIGRADE gefördert.


Weiterführende Links:

UFZ-Kernthema „Chemikalien in der Umwelt / Gesundheit“:

http://www.ufz.de/index.php?de=30503


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit über 31.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).