Schwerpunktthema August 2012

Arsen, Antimon & Co - von der modernen Speziesanalytik zur Problemlösung

Schon vor mehr als 500 Jahren stellte Paracelsus fest: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht‘s, dass ein Ding kein Gift sei.“ Das gilt auch heute noch. Für anorganische Stoffe ging man lange Zeit von den Konzentrationen des Elementes aus, ohne zu berücksichtigen, dass es sich um sehr verschiedene Verbindungen handeln kann. In den letzten Jahren hat man erkannt, dass die spezielle chemische Form – die Spezies eines chemischen Elementes - analysiert werden muss, um die Wirkung oder auch das Umweltverhalten des Elementes einschätzen zu können. Bei Verbindungen chemischer Elemente spricht man im Allgemeinen von Spezies, außer beim Kohlenstoff – da fasst man die meisten seiner Verbindungen als organische Verbindungen zusammen.

Untersuchung arsenbelasteter Pflanzen in der UFZ-Klimakammer

Ein Ziel der Umweltanalytik ist es, verschiedene Arsenverbindungen in Wässern, Böden, aber auch in Pflanzen zu erfassen und zu quantifizieren.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Grundwasseruntersuchungen auf einen Standort mit Rüstungslatlasten

Auf einem Standort mit Rüstungsaltasten führen Wissenschaftler des UFZ Grundwassererkundungen durch, um die verschiedensten im Grundwasser zu findenden Arsenverbindungen nachzuweisen.
Foto: Prof. Holger Weiß/UFZ

Das erste Element, für das man erkannte, dass seine Spezies sehr verschieden sind, war vor etwa 50 Jahren das Quecksilber. Die sogenannte Minamata-Krankheit trat in der Umgebung der gleichnamigen Stadt in Japan auf. Für die Krankheit war die Anreicherung von Methylquecksilber (einer organischen Quecksilberverbindung) in Fischen verantwortlich, die in der Bucht von Minamata gefangen wurden und von den erkrankten Personen verzehrt worden waren. Der Gehalt an Quecksilber allein hätte diese Folgen nicht erklären können, da dieses Methylquecksilber wesentlich toxischer als das übliche anorganische Quecksilber ist. Um diese Informationen einer Probe zu entlocken, sind spezielle Analysentechniken erforderlich.

Ein Element mit sehr vielen verschiedenen Spezies ist das landläufig als Gift bekannte Arsen. Diese Arsenspezies unterscheiden sich sowohl stark in ihren Auswirkungen auf die Gesundheit – von sehr toxisch bis völlig harmlos – als auch in ihrem Umweltverhalten. Aber auch andere Elemente wie beispielsweise Antimon, Selen und Metalle wie Chrom oder Uran können in sehr unterschiedlichen Spezies in der Umwelt auftreten. Ein Ziel der Umweltanalytik ist es daher, die verschiedenen Verbindungen der chemischen Elemente in Wässern, Böden, aber auch in Pflanzen zu erfassen und zu quantifizieren. Denn erst wenn klar ist, welche Spezies mit welchen Eigenschaften und Auswirkungen vorliegt, können effektive Sanierungsmethoden entwickelt werden.

Arsen kommt nicht nur als natürlicher Bestandteil von Erzen und Gesteinen in der Umwelt vor, sondern wurde und wird auch für viele technische Produkte verwendet. Zum Beispiel ist es Bestandteil von Giftgasgranaten, die besonders im ersten Weltkrieg zu unrühmlicher Bekanntheit gekommen sind. Diese organischen Arsenverbindungen (z. B. Handelsname CLARK I und CLARK II) sind bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges produziert worden. Noch heute findet man deren verwandte Produkte im Grundwasser an Stellen, wo sie vor mehr als 60 Jahren deponiert oder auch „entsorgt“ wurden. Die Idee, dass Schadstoffe an Ort und Stelle unter naturnahen Bedingungen mikrobiologisch abgebaut werden können oder dieser Abbau durch Zugabe von Stoffen stimuliert werden kann, ist nicht neu. Auch nicht, dass dafür wissenschaftliche Versuche in Labor und Feld notwendig sind. Eine wesentliche Voraussetzung für diese und alle weiteren Versuche wiederum war es, zunächst die einzelnen Arsen-Spezies genau zu erfassen. Dafür haben die UFZ-Wissenschaftler geeignete Analysenmethoden für die verschiedensten im Grundwasser zu findenden Arsenverbindungen entwickelt. Denn ohne die genaue Erfassung der Einzelspezies konnten weder das Umweltverhalten noch die Abbauvorgänge erfasst werden. Somit konnte erstmals der natürliche Abbau dieser Verbindungen unter Grundwasserbedingungen nachgewiesen und Konzepte für dessen Beschleunigung erarbeitet werden.

Ökotoxikoligische Tests

In ökotoxikologischen Tests untersuchen Wissenschaftler die Giftigkeit der Fluorarsenspezies auf Organismen.
Foto: Dr. Birgit Daus/UFZ

Arsenhaltiges Sickerwasser in Tailings der Zinnerzaufbereitung

Häufig entstehen beim Abbau von Erzen Umweltbelastungen. So ist auf diesem Bild das Sickerwasser aus den Rückständen der Zinnerzaufbereitung (Tailings) arsenbelastet.
Foto: Dr. Birgit Daus/UFZ

Aber auch bei der Trinkwasseraufbereitung spielen die Spezies der Elemente eine große Rolle. Vielen Reinigungsschritten liegen Sorptionsprozesse, also die Anreicherung eines Stoffes an einem Feststoff, zugrunde. Die Effektivität dieser Anreicherungsprozesse wird stark davon beeinflusst, welche Spezies des Elements vorliegt. Um beispielsweise beim Antimon den geforderten Trinkwassergrenzwert von 5 µg/l einzuhalten, finden häufig Sorptionsfilter Anwendung, die bei verschiedenen Antimonspezies zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das hat einen direkten Einfluss auf die Standzeiten der Filter.

Bei der Kristallglasproduktion – einem eher exotischen Beispiel – versagt die klassische Arsenentfernung aus Abwässern, denn die Arsenspezies, die in der Kristallglasproduktion entsteht, ist eine Fluorarsenverbindung, welche schwer zu analysieren und schwer aus dem Wasser zu entfernen ist. Mit einem solchen Problem hatten es die UFZ-Wissenschaftler in der Lausitz zu tun. Dort wurde arsenhaltiges Wasser aus der Kristallglasproduktion in ein ehemaliges Tagebaurestloch der Braunkohleindustrie gepumpt. Mit den Mitteln moderner Umweltanalytik konnten UFZ-Forscher im See nicht nur die Fluorarsenspezies nachweisen, sie fanden darüber hinaus eine Sanierungsmethode: Spezielle Polymerkügelchen erwiesen sich als ideale Lösung, um die Fluorarsenspezies aus dem Wasser zu entfernen.

Diese Beispiele zeigen, wie am UFZ durch die Verknüpfung der modernen Umweltanalytik mit ökotoxikologischen, mikrobiologischen und ingenieurtechnischen Disziplinen praktische Beiträge für die Verbesserung der Umweltqualität geliefert werden - angefangen von der Umweltbewertung einer Kontamination bis hin zu Sanierungsvorschlägen.

nach oben

 

Referenzen (Auswahl)

KOLBE, F., WEISS, H., MORGENSTERN, P., WENNRICH, R., LORENZ, W., SCHURK, K., STANJEK, H., DAUS, B. (2011):
Sorption of aqueous antimony and arsenic species onto akaganeite, Journal of Colloid and Interface Sciences 357, 460 – 465.

KLEINERT, S., MUEHE E.M., POSTH N., DIPPON, U., DAUS, B., KAPPLER, A.: (2011):
Biogenic Fe(III) minerals lower the efficiency of iron-mineral-based commercial filter systems for arsenic removal.- Environmental Science and Technology 45, 7533–7541.

HEMPEL, M., DAUS B., VOGT, C., WEISS H. (2009):
Natural attenuation potential of phenylarsenicals in anoxic groundwaters.- Environmental Science and Technology, 43, 6989-6995.

MÜLLER, K., DAUS, B., MATTUSCH, J., STÄRK, H.-J., WENNRICH, R. (2009):
Simultaneous determination of inorganic and organic antimony species by using anion exchange phases for HPLC–ICP-MS and their application to plant extracts of Pteris vittata.- Talanta, 78, 820–826

DAUS, B., WEISS, H., BERNHARD, K., HOFFMANN, P., NEU, T.R., VON TÜMPLING, W., WENNRICH, R. (2008):
Treatment of hexafluoroarsenate from contaminated water – a case study.- Engineering in Life Science 8, No. 6, 598–602

nach oben