Pressemitteilung vom 14. Mai 2012

Deutsches Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung nimmt Arbeit auf

Leipzig. Das Deutsche Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) hat am heutigen Montag in der ersten Mitgliederversammlung das Direktorat gewählt und nimmt damit offiziell seine Arbeit auf. „Ich wünsche den beteiligten Universitäten Halle, Jena, Leipzig und ihren Kooperationspartnern, darunter das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, viel Erfolg beim Ausbau ihrer Forschungsschwerpunkte und deren internationaler Sichtbarmachung“, gratulierte Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer, sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst (SMWK).

BIO CITY LEIPZIG

BIO CITY LEIPZIG. Ab kommenden Herbst wird iDiv für die ersten Jahre in die BIO CITY LEIPZIG einziehen.
© Swen Reichhold

Das Ziel des Zentrums, die Bündelung wissenschaftlicher Kompetenz in Forschungsfeldern, die sich durch besondere Innovationskraft und Exzellenz auszeichnen, werde seitens des SMWK voll unterstützt, so die Ministerin weiter. Die an iDiv beteiligten mitteldeutschen Universitäten hatten sich vor zwei Wochen gegen die drei verbliebenen Mitbewerber der Endrunde für die Förderung eines neuen Forschungszentrums zum Thema Biodiversität durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) durchgesetzt. „Die Investition in Biodiversitätsforschung ist dringend notwendig, da die biologische Vielfalt auf unserem Planeten derzeit drastisch zurück geht und immer deutlicher wird, dass die Menschheit damit auch eine wichtige Lebensgrundlage verliert“, sagt Prof. Dr. Christian Wirth, Biologe an der Universität Leipzig.

iDiv konzentriert sich über einen Förderungszeitraum von bis zu 12 Jahren auf vier zentrale Fragen: „Wir wollen wissen, wie viele Arten es auf der Erde gibt, warum es so viele sind, wie sie die Lebensfunktionen und Dienstleistungen von Ökosystemen beeinflussen und wie wir sie effektiver schützen können“, fasst Prof. Dr. François Buscot vom UFZ, zusammen. „Es geht aber nicht allein um Arten. Biodiversität schließt auch die Vielfalt der Gene, der Funktionen, der Interaktionen zwischen Organismen und schließlich der Ökosysteme ein.“

Eine Wissenschaft, die diese Fragen beantworten soll, muss selbst vielfältig sein. Die Biodiversitätsforschung ist eine junge Disziplin, die viele Fachrichtungen verbindet. Mit acht Professuren wird iDiv ein breites Fächerspektrum abdecken und vorhandene Expertise ideal ergänzen. Dazu tragen zukünftig vier experimentell ausgerichtete Arbeitsgruppen bei: Experimentelle Interaktionsökologie, Molekulare Interaktionsökologie, Evolution und Adaptation sowie Physiologische Diversität. Vier weitere Gruppen werden überwiegend theoretisch oder im Bereich der Datenanalyse arbeiten: Theoriebildung zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Biodiversität, Integration von Daten in die Theoriebildung (Biodiversitätssynthese), Ökosystemdienstleistungen und Biodiversitätsschutz. Zwei dieser Professuren werden gänzlich vom UFZ finanziert.

Zusätzlich sind zwei Max-Planck-Nachwuchsgruppen geplant, die nicht primär nach spezifischen Inhalten, sondern nach der Exzellenz der Bewerber ausgerichtet werden. Weiterhin wird das Max-Planck-Institut für Biogeochemie (MPI-BGC) Jena eine Gruppe zur Weiterentwicklung der weltweit größten Datenbank von Pflanzenmerkmalen, der „TRY – Quantifying and scaling global plant trait diversity“, einrichten. Die Leibniz-Gemeinschaft wird sich über das Senckenberg Museum mit einer dem „Herbarium Haussknecht“ in Jena zugeordneten Sammlungsprofessur und über das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben mit einer Juniorgruppe im Bereich der Evolutionsforschung beteiligen. Ebenso ist das Leibniz-Institut Deutsche Sammlung für Mikroorganismen und Zellkultur in Braunschweig und das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle mit iDiv vernetzt.

Zur ersten Mitgliederversammlung am 14.05.2012 im Leipziger Botanischen Garten waren neben offiziellen Vertretern der Universitäten und Institute vor allem viele der am iDiv-Antrag beteiligten Wissenschaftler vertreten. Sie hat für die nächsten zwei Jahre das Direktorium wie folgt vorgeschlagen: Prof. Dr. Christian Wirth (Universität Leipzig), Direktor, Prof. Dr. François Buscot (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ), Prof. Dr. Helge Bruelheide (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), Prof. Dr. Kirsten Küsel (Friedrich-Schiller-Universität Jena), jeweils stellvertretende Direktoren.

Neben der Wahl des Direktoriums war die Aufnahme neuer Mitglieder ein wichtiger Punkt der Tagesordnung. „Das Potenzial von iDiv liegt in seiner offenen und dynamischen Struktur. Deshalb sind wir bestrebt, die führenden Köpfe der Biodiversitätsforschung in unser Zentrum zu integrieren und freuen uns sehr, dass wir schon jetzt die Sprecher der Konsortien der Endrunde gewinnen konnten“, sagt Prof. Dr. Christian Wirth.

„Ein zentrales Ziel von iDiv ist, dass Personen, die experimentell Daten erheben, zusammen mit Theoretikern überlegen, welche Schlüsselversuche und neuen Daten notwendig sind, um unser Verständnis der Entstehung und Wirkung von Biodiversität zu verbessern. Nur in einer gegenseitigen Befruchtung von Theorie und Empirie lässt sich Fortschritt erzielen“, betont Prof. Dr. Helge Bruelheide. Das iDiv-Konzept will genau diese Kommunikation fördern, zum Beispiel über einen mit insgesamt 16 Stellen ausgestatteten Synergie-Fond, der für integrative Projekte reserviert ist.

Auch in der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses wird dieses Konzept realisiert: „Unsere Graduiertenschule yDiv hat sich zum Ziel gesetzt, eine neue Generation von Biodiversitätsforschern auszubilden, für die der Einklang von theoretischer und empirischer Arbeit eine Selbstverständlichkeit ist. Sie werden deshalb nicht nur gemeinsam von Vertretern beider Richtungen betreut, sondern auch real in beiden Arbeitsgruppen arbeiten“, sagt Prof. Dr. Kirsten Küsel. Vier zusätzliche Doktorandenstellen wurden dafür von der Deutschen Bundestiftung Umwelt im Themenbereich Biodiversitätsschutz zur Verfügung gestellt.

Ein weiteres wichtiges Instrument zur inhaltlichen Bündelung ist das Synthesezentrum sDiv, in dem ein eigenes Koordinationsbüro jährlich bis zu zwölf Workshops organisieren und damit etwa 200 Wissenschaftler aus aller Welt nach Leipzig bringen wird. „Vier Kurzzeitstellen werden für die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung dieser Workshops zur Verfügung gestellt“, so Küsel weiter. Neuartige Forschungsplattformen, zu denen alle iDiv-Mitglieder Zugang haben, ermöglichen innovative Experimente. So ist unter anderem der Aufbau einer Mesokosmen-Ökotronanlage geplant: „Dies sind geschlossene Miniökosysteme, in denen der Einfluss von Biodiversität auf Stoffumsätze gemessen werden kann, gewissermaßen Atem und Puls von Ökosystemen, deren biologische Vielfalt experimentell manipuliert wurde“, erläutert Buscot. Ein Fachbeirat aus acht internationalen Wissenschaftlern aus den USA, Frankreich, England und der Schweiz wird die Etablierung des Zentrums mit Rat und Kritik begleiten. Mit entscheidend für den Erfolg des Zentrums ist seine Außenwirkung. Um wissenschaftliche Erkenntnisse schnell zugänglich und in der Praxis umsetzbar zu machen, wird eine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit eingerichtet, die mit Stellen und Sachmitteln von der Klaus Tschira Stiftung unterstützt wird. Im Vordergrund stehen hierbei der Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern und Bildungsangebote für Kinder. So soll gemeinsam mit dem Leipziger Zoo ein internationales Ausstellungskonzept für Kinder zum Thema Biodiversität erstellt werden.

Im Herbst dieses Jahres wird iDiv seinen Sitz in der Leipziger BioCity beziehen und sich dort in einen hervorragend entwickelnden Wissenschaftspark eingliedern können. Da die wissenschaftliche Arbeit vor Ort baldmöglichst aufgenommen werden soll, sind Berufungsverfahren für die acht Professuren durch die jeweiligen Universitäten bereits eingeleitet worden. Erste Stellenbesetzungen werden zunächst im Verwaltungssektor und beim Aufbau des Synthesezentrums sDiv erfolgen, die Ausschreibungen sind in Kürze zu erwarten. Insgesamt wird das Zentrum zunächst zirka 130 wissenschaftliche (rund 85 Stellen) und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter (rund 45 Stellen) besetzen und erwartet dabei auch großes internationales Interesse. Die Einbindung internationaler Wissenschaftler wird nicht nur dem fachlichen Austausch fördern, sondern zudem die internationale Sichtbarkeit und Attraktivität der Forschungslandschaft Mitteldeutschlands steigern.

Hinweis:

Heute gegen 14:30 Uhr stellen wir Ihnen eine weitere Pressemitteilung mit aktuellen Statements aus der Pressekonferenz zur Verfügung. Umfangreiches Bildmaterial sowie die Pressemappe mit weiteren Fragen, Antworten und Hintergrundinformationen stehen zum Download bereit unter:
www.uni-leipzig.de/presseinfo/idiv-mediendownload

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit über 31.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,4 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).