Schwerpunktthema Oktober 2011

Wasser und Modellierung

Acqua "vetturale di natura". - Da Vinci
(Wasser, der Träger der Natur)

Einleitung

(Dr. Luis Samaniego)

Thales von Miletus (600 v. Chr.) stellte fest, dass einer der elementaren endgültigen Stoffe auf der Welt Wasser sein müsse, da er offensichtlich lebenswichtig für alle bekannten Lebensformen ist, er in allen möglichen Zuständen der Materie vorkommt und er den größten Teil der Erdoberfläche bedeckt. Seit dieser Zeit betrachten sowohl Philosophen als auch Wissenschaftler "Wasser als die treibende Kraft der gesamten Natur" (da Vinci). Was bis zur Aufklärung jedoch für jeden unklar blieb war, wie der Wasserzyklus wirklich funktioniert und wie insgesamt die Einzelkomponenten mengenmäßig zu bestimmen sind.

Grafik: Hydrologische Modell

UFZ-Modellierer arbeiten an der Verbesserung hydrologischer Modelle. In der oberen Ebene ist beispielsweise die Abweichung des Winterniederschlags vom langjährigen Mittel einer Region dargestellt.
Grafik: Jesse (www.jesse3d.de)

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Vorstellung von Kircher (17.Jh.) über den Wasserzyklus

Im Gegensatz zu heute existierten früher viele falsche Vorstellungen über den Wasserzyklus. Kircher (17. Jh.) glaubte beispielsweise, dass die Quellen in den Höhenlagen der Berge aus unterirdischen Kanälen gespeist werden, die die Quellen wiederum mit sehr großen Strudeln am Grund der Meere verbinden.
Quelle: Kircher's system of springs, rivers and seas from Mundus Subterraneus (1665 edn.)

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Eine der ersten Vermutungen über den Wasserzyklus geht auf Aristoteles (350 v. Chr.) zurück: Er betrachtete den Wasserzyklus als ein endloses, periodisches und sich niemals änderndes System mit der Sonne als Antriebskraft hinter den Verdunstungs- und Niederschlagsprozessen. Die Vorstellung hielt sich bis Vitruvious (1 vor Christus), der behauptete, Grundwasser sei das Ergebnis von Niederschlägen in Bergen, welche - nachdem sie in die Erdoberfläche eingesickert sind - später im Flachland in Flüssen und Quellen erscheinen. Bis zum Mittelalter gab es kaum Fortschritte. Vielmehr gab es in dieser Zeit viele falsche Vorstellungen über den Wasserzyklus.

Kircher (17. Jh.) glaubte beispielsweise, dass die Quellen in den Höhenlagen der Berge aus unterirdischen Kanälen gespeist werden, die die Quellen wiederum mit sehr großen Strudeln am Grund der Meere verbinden. Die ersten richtigen Vorstellungen vom Wasserzyklus "basierend auf Beobachtungen" gehen auf da Vinci und Passily (beide 16. Jh.) zurück. Da Vinci bemerkte als erster, dass der unzählige Male wiederkehrende Durchfluss großer Flüsse in der Summe zu einem viel größeren Volumen führt als das, welches in den Ozeanen enthalten ist.

Heutige Hydrologen haben einen Aspekt gemeinsam mit diesen alten Gelehrten: Alle von ihnen aufgestellten Hypothesen beinhalten in irgendeiner Art und Weise Prozesse und das Innenleben des Wasserzyklus. Es gibt jedoch einen grundlegenden Unterschied zwischen modernen Hydrologen und deren antiken Vorfahren: Heute sind Experimente und deren Schlussfolgerungen mächtige Werkzeuge, um Theorien zum Wasserzyklus zu entwickeln. Der Prozess, den wir Modellierung nennen, setzt sich aus folgenden Schritten zusammen:

  • Definition der zu beobachtenden Variablen
  • ausarbeiten eines formalen Systems, welches sich aus Hypothesen zusammensetzt
  • Bewertung der Ergebnisse des formalen Systems gegenüber unabhängigen Beobachtungen

Ein Hydrologisches Modell, wie das Mesoscale Hydrological Modell (mHM), welches Forscher am Department Hydrosystemmodellierung (UFZ) entwickelten, ist im Prinzip nichts anderes als die Übersetzung von einer Anzahl bestimmter und gut akzeptierter Hypothesen, welche die Bewegung des Wassers durch die Landschaft mit einem numerischen Algorithmus bestimmen. Das Hauptziel des Modells ist es, die Durchflussganglinie eines Flusses an einer bestimmten Pegelmessstelle nachzubilden, um so eine vernünftige Evaluierung des Modells zu ermöglichen.
Der zweite grundlegende Unterschied zu früher ist die Anwendung des Prinzips der Falsifizierbarkeit nach Popper (1935). Das Prinzip besagt, dass nur Hypothesen in Modelle (z.B. in hydrologische Modelle) einfließen dürfen, die durch Experimente oder Beobachtungen getestet werden können (verifiziert oder falsifiziert).

71 Prozent der Erde ist mit Wasser bedeckt, aber nur 3 Prozent davon ist Süßwasser. Von diesem schon kleinen Anteil ist nur der Bruchteil von 0,3 Prozent Oberflächenwasser, welches die Basis für die Lebensvorgänge auf der Erdoberfläche für Menschen sowie Pflanzen und Tiere ist. Der Rest des Süßwassers ist in ewigen Eiskappen und Gletschern (69 Prozent) sowie tiefen Grundwasserleitern (30 Prozent) gebunden. Daher ist das tiefere Verständnis dieses kleinen Wasseranteils entscheidend für das Schicksal der Menschheit. Die am UFZ in der Wasserforschung tätigen Wissenschaftler wollen diesen kleinen Anteil des globalen Wasserhaushaltes verstehen und berechnen.

In der hydrologischen Modellierung unterscheiden Experten zwei grundlegende Formen der Modellierung:
Die quantitative und die qualitative Modellierung. Quantitative Modelle erfassen den Wasserdurchfluss durch verschiedene Kompartimente (Boden, Oberflächengewässer, Atmosphäre). Die qualitative Modellierung beschreibt den Fluss von Stoffen innerhalb des Wasserkreislaufes. Dazu gehört beispielsweise die Konzentration von Stoffen, deren Transport sowie chemisch-biologische Abbauprozesse von Stoffen. Die quantitative hydrologische Modellierung ist die Grundlage für qualitative Modelle wie beispielsweise die Gewässergütemodellierung (Gewässergütemodellierung).

Die großen Herausforderungen in der quantitativen hydrologischen Modellierung

(Dr. Luis Samaniego)

Im Grunde sind alle Modelle falsch, aber einige sind nützlich (George Box).

Grafik: Flussgebiete in Deutschland mit dem Beipsiel Neckar Grafik: Durchflussraten am Neckar 1992 - 1933

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Vorhersage zum Wasserdurchfluss am Neckar 1992-1993. Die roten Punkte in der Kurve sind die beobachteten Pegelstände, die graue Kurve ist die aus dem hydrologischen Modell berechnete Kurve. Das Modell zeigt eine gute Übereinstimmung mit den Beobachtungswerten.
Quelle Grafiken: UFZ

Grafik: Bodenfeuchteindex für Deutschland Ende April 2011.

Abbildung Bodenfeuchteindex für Deutschland Ende April 2011. Berechnet aus stündlichen Simulationen durchgeführt seit 1950.
Quelle: UFZ

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Seit dem 18. Jahrhundert gab es große Fortschritte in Messtechnik, der Physik, Meteorologie, Bodenphysik, Biologie, Fernerkundung und Geologie. Sie alle trugen zur Entwicklung der heutigen hydrologischen Modelle bei. Trotzdem bleiben viele Fragen noch unbeantwortet wie zum Beispiel: Wie können diese Modelle für Skalen parametrisiert werden, die größer als punktuelle Laborexperimente und Lysimetermessungen (Bereich von 0,01 bis 10 Metern) sind, auf denen physikalische Theorien normalerweise direkt getestet werden können.

Besondere Bedeutung hat die typische Skala beim Wassermanagement: Sie bewegt sich auf der Mesoskala, d.h. in Größenordnungen von 102 bis 104 km2 (100 - 10.000 Quadratkilometer). Das entspricht Flächenskalen von Flussgebieten. Leider ist es auf einer solchen Skalenebene beispielsweise unmöglich, die Wasserdurchlässigkeit des Oberbodens genau zu bestimmen. Solche Eigenschaften lassen sich daher nur indirekt ableiten. Auch ist nicht bekannt, ob die auf der niedrigen Skala getesteten Gleichungen auch für die Mesoskala, also ganze Flussgebiete, gelten. Und es stellt sich die Frage, wie wichtig die kleinskalige Heterogenität von Bodenoberflächeneigenschaften für die Abschätzung von effektiven Parametern auf der Mesoskala ist. So ist das Ausmaß von Rückkopplungseffekten bei Prozessen zwischen den Kompartimenten Boden-Pflanze-Atmosphäre unsicher. Genauso gibt es noch viele offene Fragen zu den Folgen der vom Menschen verursachten Effekte auf den Wasserkreislauf. Beispiele solcher menschlichen Effekte sind der Landnutzungswandel und der starke Kohlendioxidanstieg in der Atmosphäre.

Bestehende hydrologische Modelle sind in ihren Vorhersage noch ungenau. Die Hauptgründe dafür sind das starke nicht-lineare und stochastische Verhalten von Wetter, Lücken beim Verstehen von Prozessen und die unzureichende Qualität von Messdaten für die relevante Größenskala. Verantwortungsvolle Politiker und Entscheidungsträger sollten daher sowohl die Grenzen bestehender Modelle im Auge haben als auch Folgen für das Management von Wasserressourcen, Anpassungen an den Klimawandel und Klimaschutzstrategien berücksichtigen. Im Rahmen dieses Kontexts konzentriert die Arbeitsgruppe "Stochastische Hydrologie" ihre Forschungsaktivität auf drei übergreifende große Herausforderungen:

Herausforderung 1

Aufgrund der Tatsache, dass an den meisten Standorten am Gewässernetz weltweit keine Pegelmessungen vorliegen, also auch keine Durchflussmessungen vorhanden sind, ist es von grundlegender Bedeutung, einerseits bessere Modelle zu entwickeln und andererseits ein Parametrisierungsschema aufzustellen, welches die Unsicherheit von Vorhersagen an solchen Standorten minimiert (Sivapalan). Genaue Abflussvorhersagen sind wesentlich für die Einführung von Echtzeit-Hochwasservorhersagen und Warnsystemen.
[siehe Abbildungen zu Vorhersagen zum Wasserdurchfluss am Neckar]

Herausforderung 2

Planer und Wassermanager benötigen nicht nur den Durchfluss, sondern auch andere hydrologische Variablen, wie die Rate der Grundwasserneubildung, die Bodenfeuchte an der Oberfläche und die Verdunstungsraten. Sie benötigen diese Werte, um frühzeitig vor Dürre zu warnen, ihre Wasserreservoire optimal zu betreiben und den Wasserverbrauch für die Bewässerung abzuschätzen. Dafür müssen wir dringend die Fähigkeit entwickeln, das Wasser global auf einer Skala von 1 bis 5 Kilometern zu beobachten und dessen Bewegung vorherzusagen. Die weitere Verbesserung der Nutzung von Fernerkundungsdaten ist sicherlich die einzige kosteneffektive Alternative, um dieses Ziel zu erreichen.
[siehe Abbildung Bodenfeuchteindex für Deutschland Ende April 2011. Berechnet aus stündlichen Simulationen durchgeführt seit 1950.)

Herausforderung 3

Die dritte und möglicherweise komplexeste Herausforderung ist die Vorhersagen von hydrologischen Variablen, die von nicht-stationären Wettersystemen angetrieben werden (beispielsweise unter dem Einfluss des Klimawandels). Der Klimawandel macht die klassische Extremwert-Statistik bedeutungslos, da vergangene hydrologische Daten statistisch nicht mehr repräsentativ für zukünftige klimatische Zustände sind. Wenn in diesem Bereich daher in den nächsten Jahrzehnten kein Fortschritt erzielt wird, werden viele technische Bauwerke wie Dämme, Überläufe, Abwasserkanäle und Brückenpfeiler Gefahrenstufen ausgesetzt, die in ihrer Planungsphase nicht berücksichtigt wurden. Dadurch besteht zukünftig die Gefahr, dass sie den neuen Belastungen nicht standhalten.

Wasser: Leben und Zerstörung

Die Vereinigten Staaten haben lange von sich selbst gedacht, ein Land im Überfluss zu sein, und geschichtlich hatten wir üppige Ressourcen. Aber heute zehren wir Stück für Stück unsere Fischerei, unseren Boden, unser Wasser aus. Hinzu kommt, dass wir ans Ende der Weltressourcen kommen. - Jared Diamond

Nach den Vereinten Nationen sind extreme hydro-klimatische Ereignisse der Hauptgrund für die großen Naturkatastrophen. Allein 2008 betrugen die durch Dürre verursachten Verluste 570 Mrd. Dollar (Munich RE). Beobachtungen bestätigen die Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur um 1 Grad Celsius über dem Land im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten. Darüber hinaus zeigen in den letzten 50 Jahren Trends die Zunahme heißer Wetterextreme und die Abnahme von kalten Extremen (EEA-JRC-WHO). Auch nahm in dieser Zeit die Intensität von Niederschlagsextremen zu. Folglich erwarten Wissenschaftler aufgrund des Klimawandels, dass sich die Wasserbilanz von Flussgebieten und die Verteilung der Feuchte in den oberen Bodenschichten ändert.

Prognosen gehen weltweit von sehr großen sozio-ökonomischen Kosten durch den Klimawandel aus. Früher oder später müssen Zielkonflikte sowohl zwischen Vermeidungs- und Anpassungsmaßnahmen als auch deren gegebenen Unsicherheiten in einer offenen Diskussion zwischen Stakeholdern, Wasserplanern und Wissenschaftlern abgewogen werden. Denn eine Strategie des "Nichtstun" ist keine brauchbare Alternative (Stern). Leistungsfähige hydrologische Modelle und Simulationstechniken werden dringend für die Auswahl nachhaltiger Aktionspläne für bestimmte Regionen benötigt. Diese Aufgabe ist das langfristige Ziel der Forschungsgruppe am UFZ.

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Gewässergütemodellierung

Dr. Michael Rode

Für das erfolgreiche Wassermanagement werden robuste Methoden für die Ermittlung von Nähr- und Schadstoffeinträgen in die Gewässer aus den diffusen, zumeist landwirtschaftlichen Quellen sowie aus punktuellen Einträgen der Siedlungswasserwirtschaft und der Industrie benötigt. Trotz erheblicher Anstrengungen die stoffliche Belastung der Oberflächengewässer zu reduzieren, sind die Nährstoffbelastungen immer noch zu hoch. Beispielsweise wird die Gewässergüteklasse II für Gesamt-Phosphor nur an 27 Prozent der Fließgewässermessstellen in Deutschland erreicht. Bei der Nährstoffbelastung der Gewässer dominieren inzwischen die Einträge aus diffusen Quellen, welche vor allem landwirtschaftlichen Ursprungs sind. Der Anteil der diffusen Quellen liegt bei 80 Prozent beim Stickstoff und 70 Prozent beim Phosphor. Der Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in Oberflächengewässer beträgt in Deutschland etwa 30 Tonnen pro Jahr - jedoch behaftet mit einem hohen Unsicherheitsbereich. Das sind etwa 0,1 Prozent der verwendeten Mengen. Auch bei den Schwermetalleinträgen haben die diffusen Quellen gegenwärtig einen dominierenden Anteil von ungefähr 80 Prozent. Die Eintragspfade der Schwermetalle sind vielfältig und umfassen maßgeblich die Kanalisationen und nicht an die Kanalisation angeschlossene Siedlungen, die Bodenerosion und Grundwasserzuflüsse.

Ausbringung von Gülle auf landwirtschaftlicher Fläche

Bei der Nährstoffbelastung der Gewässer dominieren inzwischen die Einträge aus diffusen Quellen, welche vor allem landwirtschaftlichen Ursprungs sind.
Foto: © W-FOTO, www.fotolia.com

Die Nährstoffbelastung und die hierdurch bedingte Anreicherung von Nährstoffen in Binnen- und Küstengewässern ist nicht beschränkt auf Zentraleuropa. Es handelt sich um ein weltweites Umweltproblem und es sind erhebliche Anstrengungen erforderlich, um die Belastungen zu reduzieren und deren ökologische Wirkungen zu minimieren. Das zeigt sich insbesondere in den wachsenden Problemen der wirtschaftlich stark aufstrebenden asiatischen Länder wie China und Indien. Hier verstärkt sich das Problem der Gewässerbelastung noch dadurch, dass in diesen Regionen das Trinkwasser vornehmlich aus Oberflächengewässern entnommen wird.

Seit vielen Jahren verwenden Praktiker Gewässergütemodelle , um wissenschaftliche Grundlage für Entscheidungen beim Gewässermanagement zu liefern. Mit den Modellen kann eine Verbindung zwischen Managementmaßnahmen und deren Wirkung auf die Gewässerökosysteme hergestellt werden. Modelle helfen, die dominierenden Eintragspfade in die Gewässer zu bestimmen, die Effizient von Maßnahmen zu bewerten, mit denen Umweltziele erreicht werden sollen und kostengünstige Maßnahmenkombinationen auszuwählen. Aufgrund zunehmender rechtlicher Anforderungen beispielsweise durch die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) oder des Clean Water Act in den Vereinigten Staaten gewinnen das integrierte Einzugsgebietsmanagement und der Einsatz von Gewässergütemodellen zunehmend an Bedeutung.

Wodurch sind Gewässergütemodelle gekennzeichnet?

Um die Eutrophierung und Schadstoffbelastung der Oberflächengewässer zu kontrollieren, ist es notwendig, die Landnutzung mit den Nähr- und Schadstoffkonzentrationen der Oberflächengewässer zu verknüpfen und hierbei die physikalischen, chemischen und biologischen Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Gewässergütemodelle versuchen, die räumliche und zeitliche Dynamik der betrachteten Stoffe zu beschreiben. In den zurückliegenden Jahrzehnten erweiterten Experten die Anzahl von Stoffen und Stoffgruppen, die in Gewässergütemodellen berücksichtigt werden, stetig. Die Modelle lassen sich anhand ihrer Komplexität, ihrem Anwendungsgebiet (Einzugsgebiet, Fließgewässer, Seen und Talsperren) und ihren Beschaffenheitsgrößen (Nährstoff, Sauerstoffgehalt, Schwermetalle, organische Schadstoffe) unterscheiden.

Ein wichtiges Ziel der Einzugsgebietsmodelle ist die Abbildung der räumlichen Variabilität, die die Eintragsprozesse in die Fließgewässer sehr häufig kennzeichnen. Die Modellierung von Einzugsgebieten ist sehr komplex, da Wasser und Stoffflüsse und deren Umsatz in verschiedenen Landschaftskompartimenten (Boden, Grundwasserleiter und Fließgewässer einschließlich der Wechselwirkungen zwischen Fluss und Aquifer) zu beschreiben sind. Das führt zu einem erheblichen Datenbedarf für die Anwendung der Modelle. Sehr detaillierte räumliche Untersuchungen können häufig nur in sehr kleinen Gebieten durchgeführt werden. Die Übertragung der gewonnen Erkenntnisse über das dominierende Transport- und Umsetzungsverhalten auf größere Landschaftsausschnitte oder ganze Flusseinzugsgebiete ist ähnlich wie bei der bereits oben beschriebenen quantitativen Hydrologie nicht einfach, da die Bedeutung von Verlagerungsprozessen (z.B. mit dem Oberflächenabfluss) auch von der Größe des betrachteten Einzugsgebietes abhängig ist. Zudem ist es oft schwierig, die räumliche Variabilität der Rechenergebnisse mit Messdaten zu überprüfen.

Um den Transport von Stoffen in einem Einzugsgebiet korrekt zu ermitteln, ist es nicht nur notwendig, die Einträge in das Gewässer zu berechnen. Vielmehr müssen Wissenschaftler und Praktiker auch den gewässerinternen Abbau und Rückhalt von Stoffen richtig ermitteln. Neuere Untersuchungen zeigen, dass beispielsweise der Abbau von Nitrat in Fließgewässern sehr bedeutsam sein kann und somit auch die Nitratfracht aus einem Einzugsgebiet stark beeinflusst. Das ist besonders wichtig, wenn die für die Einträge besonders sensiblen Flächen in einem Einzugsgebiet bestimmt werden sollen.

Modellierung gewässerinterner Prozesse

Getigerter Flohkrebs (Gammarus tigrinus)

Getigerter Flohkrebs (Gammarus tigrinus) aus der Mittelelbe.
Modelle, die die Wirkung von Nähr- und Schadstoffeinträgen auf aquatische Lebensgemeinschaften ermitteln, zeichnen sich generell durch eine hohe Komplexität aus.
Foto: Michael Beyer/UFZ

Die Selke im Harz liegt im TERENO-Beobachtungsgebiet.

Die Selke im Harz liegt im TERENO-Beobachtungsgebiet (www.tereno.net).
Neuere Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Boden-Wasser-Grenzschicht von Bach- und Flussläufen besonders relevant für Stoffumsätze ist.
Foto: André Künzelmann/UFZ

Im Vergleich zu Einzugsgebietsmodellen konzentrieren sich Fließgewässergütemodelle ausschließlich auf gewässerinterne Prozesse und lassen die Umgebung außen vor. Fließgewässergütemodelle ermitteln vornehmlich die Wirkung von Nähr- und Schadstoffeinträgen auf den Gewässerstoffhaushalt und aquatische Lebensgemeinschaften. Weil detaillierte Fließgewässergütemodelle auch biologische Vorgänge wie Algenwachstum oder das Abweiden von Algenmatten am Bachgrund durch Zooplankton beschreiben, zeichnen sich diese Modelle generell durch eine hohe Komplexität und Anzahl von Modellparametern aus.

Der kontinuierliche Anspruch, so viele Erkenntnisse wie möglich in die "Stand des Wissens"-Modelle aufzunehmen, hat zu einer ständig wachsenden Komplexität der Modellstrukturen geführt. Und je mehr Prozesse in einem Modell einfließen, desto höher ist auch der Bedarf an Beobachtungen und Messdaten, um Modellergebnisse mit hinreichender Sicherheit zu erzielen. Beispiel Fließgewässerplanktonmodelle: Die Anzahl von Modellparametern, die durch Messdaten bestimmt werden müssen, nimmt im Quadrat mit der Anzahl der Modellkomponenten zu.

Deshalb muss bereits bei der Auswahl und Entwicklung von Gewässergütemodellen die optimale Modellkomplexität bestimmt werden, um potenzielle Managementoptionen mit einer akzeptablen Spanne von Unsicherheiten bewerten zu können - eine kritische Aufgabe.

Neuere Untersuchungen zeigen, dass für die Ermittlung der Stoffumsätze im Fließgewässer den Vorgängen in der Bach- oder Flusssohle (Boden - Wasser- Grenzschicht) eine besondere Bedeutung zukommt. Jedoch variiert die Bedeutung in Abhängigkeit von der Größe des Fließgewässers. In kleinen Gewässern sind beispielsweise Austauschvorgänge zwischen dem Freiwasser und der Bachsohle häufig stärker ausgeprägt als in großen Flüssen. In diesem dominieren Stofftransport- und Umsetzungsprozesse im frei fließenden Wasserkörper. Forschungen haben gezeigt, dass die Bach- oder Flusssohle eine sehr wichtige Rolle in der Erhaltung und Regulierung des gewässerinternen Nährstoffhaushaltes und des Selbstreinigungspotentzals des Gewässers spielt. Die Erforschung dieser Prozesse und deren Berücksichtigung in Fließgewässergütemodellen steht allerdings noch am Anfang.

Forschung zur Gewässergütemodellierung am UFZ

Nach wie vor sind die heutigen Gewässergütemodelle mit großen Unsicherheiten und Wissensdefiziten behaftet. Ursache ist vor allem die eingeschränkte Datenverfügbarkeit. Dennoch sind sie inzwischen ein wichtiges Handwerkszeug für Wassermanager, um ein integriertes Wassermanagement in Flussgebieten umzusetzen. Ohne den Einsatz von Modellierungstools wäre es beispielsweise nicht möglich, den Einfluss alternativer Managementmaßnahmen oder den Einfluss des Klimawandels auf die Gewässergüte zu bewerten.

Die Forschung zur Gewässergütemodellierung im UFZ konzentriert sich darauf, die Verknüpfung von Transportprozessen auf der Landoberfläche mit den Transport- und Umsatzprozessen im Gewässer zu verbessern. Zum einen erproben Forscher neue Ansätze, die Fließwege des Wassers vom Land zum Fließgewässer zu ermitteln, da diese beispielsweise entscheidend die Höhe des Eintrags von Nährstoffen von landwirtschaftlichen Flächen bestimmen. Darüber hinaus sind die Prozesse im Gewässer in den derzeit verfügbaren Modellen nur unzureichend abgebildet. Häufig fehlen in den Managementmodellen die Beschreibungen der Nährstoff- und Schadstoffumsätze in der Flusssohle. Hierzu ist ein besseres Verständnis der biogeochemischen Umsetzungen und deren Abhängigkeit vom Austausch zwischen dem Wasserkörper und den Bachsedimenten erforderlich.. Hydrologische Observatorien, also Mess- und Beobachtungsstationen in und an Gewässern, die im Rahmen des Helmholtz-Projektes TERENO (www.tereno.net) installiert werden, sollen helfen, derartige Prozesse besser zu verstehen. Dabei handelt es sich um langfristige Untersuchungskonzepte in ausgewählten Einzugsgebieten mit mehreren Tausend Quadratkilometern, in denen gezielt kleinräumige Prozessuntersuchungen mit Untersuchungen zu großräumigen und langfristigen Änderungen in Flussgebieten durch Landnutzung und Klimawandel verknüpft werden. Damit wird eine systematische Datengrundlage für die Weiterentwicklung der Gewässergütemodelle geschaffen.

Nur wenn wir unser Prozessverständnisses auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen verbessern und konsequent neue Methoden bei der Bewertung der Simulationsergebnisse entwickeln, werden Modelle eine breite Akzeptanz in Wissenschaft und Praxis finden.

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Referenzen (Auswahl)

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