Pressemitteilung vom 13. Juli 2011

Chile ist gefährlicher für Argentinien als umgekehrt

Forscher untersuchen die Ausbreitung invasiver Pflanzenarten in Südamerika und Australien

Concepción/Halle(Saale)/Prag/Sydney. Invasive Pflanzenarten in Chile stellen ein größeres Risiko für das Nachbarland Argentinien dar als umgekehrt. Das schlussfolgern Wissenschaftler der Universität Concepción in Chile und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) aus einer Analyse der Flora beider Länder. Besonders 22 gebietsfremde Arten, die in Chile an den Verbindungsstraßen ins Nachbarland vorkommen, stellten ein hohes Risiko dar, schreiben die Forscher im Fachblatt Biological Invasions.

Wein-Rose (Rosa rubiginosa)

Arten wie die die Wein-Rose (Rosa rubiginosa) werden nur schwer auszurotten sein, weil sie inzwischen weit verbreitet sind, fürchten Wissenschaftler in ihrer Studie über invasive Arten in Chile und Argentinien. Besonders 22 gebietsfremde Arten, die in Chile an den Verbindungsstraßen ins Nachbarland vorkommen, stellten ein hohes Risiko dar.
Foto: Stefan Klotz/UFZ

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Gemeine Esche (Fraxinus excelsior)

Fraxinus-excelsior_Stefan-Klotz.jpg Die meisten gebietsfremden Arten kamen zwischen 1840 und 1880 sowie zwischen 1980 und heute auf den fünften Kontinent und spiegeln so die Einwanderungswellen wieder. Rund zwei Drittel der Arten wurden absichtlich nach Australien eingeführt. Darunter auch viele Arten, die zur Dekoration der Gärten gedacht waren wie die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior).
Foto: Stefan Klotz/UFZ

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Das Schwachgekrümmtes Liebesgras

Das Schwachgekrümmtes Liebesgras (Eragrostis curvula) kommt ursprünglich aus dem südlichen Afrika. Mit verunreinigtem Grassamen gelangte es nach Australien. Die behörden versuchen die Ausbreitung durch Kontrollzonen zu verhindern, weil das Gras eine Monokultur ist, die die ursprüngliche Vegetation zurückdrängt und in trockenen Sommern die Gefahr von Buschbränden erhöht.
Foto: Tilo Arnhold/UFZ

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Der Handel zwischen Chile und Argentinien verläuft hauptsächlich auf dem Straßenweg. Innerhalb des letzten Jahrzehnts hat sich die Transportmenge mehr als verdreifacht. Lange bildeten die Anden eine natürliche Barriere zwischen beiden Ländern, die durch den steigenden Verkehr zunehmend löchrig wird. Von den 875 gebietsfremden Arten kommen knapp 300 jeweils nur in Chile oder Argentinien sowie gut 300 in beiden Ländern vor. Invasive Arten können Ökosysteme empfindlich stören und große Schäden in der Landwirtschaft hervorrufen.

Als am gefährlichsten für das Nachbarland stuften die Forscher die Gelbe Bartsie (Parentucellia viscosa) ein. Diese einjährige krautige Pflanze kommt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Innerhalb von 48 Jahren hat sich bereits in 10 Provinzen Chiles ausgebreitet. "Aus unserer Sicht sollte besonderes Augenmerk den Sträuchern und Bäumen gewidmet werden", schlussfolgert Dr. Nicol Fuentes. "Arten wie die Mittelmeer-Brombeere (Rubus ulmifolius), die Wein-Rose (Rosa rubiginosa) oder die Silber-Akazie (Acacia dealbata) werden nur schwer auszurotten sein, weil sie inzwischen weit verbreitet sind. Gute Chancen gibt es dagegen beim Gestreiften Ginster (Cytisus striatus), da sich dieser noch am Anfang der Ausbreitung befindet."

Aus Sicht der Biologen ist es wichtig, dass Prioritäten für die Maßnahmen gegen invasive Arten von Wissenschaftlern und Experten festgelegt werden. "Die Zusammenarbeit von Nachbarländern bei der gemeinsamen Planung von Maßnahmen, wäre der effektivste Weg, Steuergelder in die Vorbeugung und Kontrolle von invasiven Pflanzenarten zu investieren. Das hat unsere Untersuchung gezeigt", erklärt Dr. Ingolf Kühn vom UFZ.

Bereits vor zwei Jahren hatte das chilenisch-deutsche Forscherteam die Entwicklung der Flora in Chile seit 1900 ausgewertet. Aus über 70.000 Proben im Herbarium der Universität Concepción konnten sie 1997 einheimische und 629 gebietsfremde Pflanzen identifizieren. Dabei zeigte sich, dass sich innerhalb eines Jahrhunderts invasive Arten nahezu auf das ganze Territorium ausgebreitet haben. Zentrum der Ausbreitung ist die mediterrane Klimazone, in der die spanischen Kolonialherren ab 1520 die Landwirtschaft aus ihrer europäischen Heimat einführten. Als die Chilenische Landwirtschaft und damit auch die Getreideproduktion zwischen 1910 und 1940 stark wuchs, kam es auch zur starken Ausbreitung invasiver Arten.

Um das Risiko, dass von einzelnen Arten ausgeht, abzuschätzen, nutzten die Forscher eine Methode aus Australien. Denn auch in Australien stellen Pflanzenarten aus Europa ein Problem dar. Australische, tschechische und deutsche Wissenschaftler konnten in einer kürzlich veröffentlichten Studie zeigen, dass 750 Pflanzenarten aus Mitteleuropa inzwischen in Australien zu finden sind. Die meisten Arten kamen zwischen 1840 und 1880 sowie zwischen 1980 und heute auf den fünften Kontinent und spiegeln so die Einwanderungswellen wieder. Rund zwei Drittel der Arten wurden absichtlich nach Australien eingeführt. Darunter auch viele Arten, die zur Dekoration der Gärten gedacht waren wie die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) oder die Rotbuche (Fagus sylvatica). Als erste Art gilt der Haselnussstrauch (Corylus avellana), der ab 1803 in australischen Baumschulen gehandelt wurde. 1843 kam der Spitzahorn (Acer platanoides) dazu, der von Landschaftsplanern gerne beim Anlegen von Straßenalleen verwendet wird. Bei so vielen gebietsfremden Arten rechnen die Forscher damit, dass sich weitere Arten etablieren und invasiv ausbreiten - auch wenn das erst mit Verzögerung passieren kann.

Publikation

Fuentes, N., Ugarte, E., Kühn, I., Klotz, S. (2010): Alien plants in Southern South America. A framework for evaluation and management of mutual risk of invasion between Chile and Argentina. Biological Invasions 12: 3227-3236.
http://dx.doi.org/10.1007/s10530-010-9716-9
Die Untersuchung wurde von der EU im Rahmen des Forschungsprojektes ALARM gefördert.

Phillips M. L., Murray B. R., Pyšek P., Pergl J., Jarošík V., Chytrý M. & Kühn I. (2010): Plant species of the Central European flora as aliens in Australia. - Preslia 82: 465-482.
http://www.ibot.cas.cz/preslia/P104Phillips.pdf
Die Untersuchung wurde vom Australian Research Council und der Tschechischen Republik gefördert.

Fuentes, N., Kühn, I., Ugarte, E., Klotz, S. (2008): Alien plants in Chile. Inferring invasion periods from herbarium records. Biological Invasions 10: 649-657.
http://dx.doi.org/10.1007/s10530-007-9159-0
Die Untersuchung wurde von der EU im Rahmen des Forschungsprojektes ALARM gefördert.

Weitere fachliche Informationen

Dr. Ingolf Kühn/ Dr. Stefan Klotz
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0345 / 558-5311, -5302
Dr. Ingolf Kühn
Dr. Stefan Klotz
sowie
auf Spanisch und Englisch:
Dr. Nicol E. Fuentes Parada & Prof. Eduardo Ugarte, PhD Universidad de Concepción (Chile)
Telefon: +56-41-2204418
Dr. Nicol E. Fuentes Parada
Prof. Eduardo Ugarte
auf Englisch:
Prof. Petr Pyšek, Academy of Sciences of the Czech Republic, Průhonice / Praha
Telefon: +420 271015266
Prof. Petr Pyšek
and
Megan Phillips & Dr. Brad R. Murray, University of Technology Sydney
Telefon: +61-2-9514-4075
Megan Phillips
http://aconservationbiologist.blogspot.com/
Dr. Brad R. Murray

oder

Tilo Arnhold
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
presse@ufz.de
Telefon: 0341-235-1635

Weiterführende Links

DAISIE-Datenbank zu gebietsfremden Pflanzen und Tieren in Europa
www.europe-aliens.org

EU-Strategie zur Bekämpfung invasiver Arten
ec.europa.eu/environment/nature/invasivealien/index_en.htm

Newsletter of the Asia-Pacific Forest Invasive Species Network ( APFISN )
http://www.apfisn.net/

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Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg ungefähr 1000 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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